Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. aber durch einen starken aetolischen Haufen verstärkt wordenwar, zählten ungefähr gleich viel Streiter, jedes etwa 26000 Mann; doch waren die Römer an Reiterei dem Gegner über- legen. Vorwärts Skotussa traf während eines trüben Regen- tages der römische Vortrab unvermuthet auf den feindlichen, der einen zwischen beiden Lagern gelegenen hohen und stei- len Hügel, die Kynoskephalae, besetzt hielt. Zurückgetrieben in die Ebene erhielten die Römer Verstärkung aus dem Lager von den leichten Truppen und dem trefflichen Corps der aetoli- schen Reiterei und drängten nun ihrerseits den makedonischen Vortrab auf und über die Höhe zurück. Hier aber fanden wiederum die Makedonier Unterstützung an ihrer gesammten Reiterei und dem grössten Theil der leichten Infanterie; die Römer, die unvorsichtig sich vorgewagt hatten, wurden mit grossem Verlust fast bis an ihr Lager zurückgejagt und hätten sich völlig zur Flucht gewandt, wenn nicht die aetolischen Ritter in der Ebene den Kampf so lange hingehalten hätten, bis Flamininus die schnell geordneten Legionen herbeiführen konnte. Philippos siegreiche Truppen forderten eifrig die Fortsetzung des Kampfes; der Feldherr gab dem ungestümen Ruf der Soldaten nach und ordnete seine Schwerbewaffneten eilig zu der Schlacht, die weder sie noch der König an die- sem Tage erwartet hatten. Es galt den Hügel zu besetzen, der augenblicklich von Truppen ganz entblösst war. Der rechte Flügel der Phalanx unter des Königs eigener Führung kam früh genug dort an um sich ungestört auf der Höhe in Schlachtordnung zu stellen. Als nun die leichten Truppen der Makedonier, von den Legionen gescheucht, den Hügel herauf- stürmten, zog Philipp dieselben rasch an der Phalanx vorbei in das Mitteltreffen und ohne zu erwarten, dass auf dem linken Flügel Nikanor mit der anderen langsamer folgenden Hälfte der Phalanx eingetroffen war, hiess er die rechte Phalanx mit gesenkten Speeren den Hügel hinab sich auf die Legionen stürzen, während die Peltasten sie gleichzeitig umgingen und ihnen in die Flanke fielen. Der unwiderstehliche Angriff der Phalanx am günstigen Orte zersprengte das römische Fuss- volk und der linke Flügel der Römer ward völlig geschlagen. Nikanor dagegen war, da er die Vorbereitungen zum Angriff sah, mit der andern Hälfte der Phalanx schleunigst gefolgt, wobei die Glieder sich gelöst hatten; während die ersten Reihen schon eilig den Berg hinab dem siegreichen rechten Flügel folgten und durch das ungleiche Terrain noch mehr in Un- 34*
DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. aber durch einen starken aetolischen Haufen verstärkt wordenwar, zählten ungefähr gleich viel Streiter, jedes etwa 26000 Mann; doch waren die Römer an Reiterei dem Gegner über- legen. Vorwärts Skotussa traf während eines trüben Regen- tages der römische Vortrab unvermuthet auf den feindlichen, der einen zwischen beiden Lagern gelegenen hohen und stei- len Hügel, die Kynoskephalae, besetzt hielt. Zurückgetrieben in die Ebene erhielten die Römer Verstärkung aus dem Lager von den leichten Truppen und dem trefflichen Corps der aetoli- schen Reiterei und drängten nun ihrerseits den makedonischen Vortrab auf und über die Höhe zurück. Hier aber fanden wiederum die Makedonier Unterstützung an ihrer gesammten Reiterei und dem gröſsten Theil der leichten Infanterie; die Römer, die unvorsichtig sich vorgewagt hatten, wurden mit groſsem Verlust fast bis an ihr Lager zurückgejagt und hätten sich völlig zur Flucht gewandt, wenn nicht die aetolischen Ritter in der Ebene den Kampf so lange hingehalten hätten, bis Flamininus die schnell geordneten Legionen herbeiführen konnte. Philippos siegreiche Truppen forderten eifrig die Fortsetzung des Kampfes; der Feldherr gab dem ungestümen Ruf der Soldaten nach und ordnete seine Schwerbewaffneten eilig zu der Schlacht, die weder sie noch der König an die- sem Tage erwartet hatten. Es galt den Hügel zu besetzen, der augenblicklich von Truppen ganz entblöſst war. Der rechte Flügel der Phalanx unter des Königs eigener Führung kam früh genug dort an um sich ungestört auf der Höhe in Schlachtordnung zu stellen. Als nun die leichten Truppen der Makedonier, von den Legionen gescheucht, den Hügel herauf- stürmten, zog Philipp dieselben rasch an der Phalanx vorbei in das Mitteltreffen und ohne zu erwarten, daſs auf dem linken Flügel Nikanor mit der anderen langsamer folgenden Hälfte der Phalanx eingetroffen war, hieſs er die rechte Phalanx mit gesenkten Speeren den Hügel hinab sich auf die Legionen stürzen, während die Peltasten sie gleichzeitig umgingen und ihnen in die Flanke fielen. Der unwiderstehliche Angriff der Phalanx am günstigen Orte zersprengte das römische Fuſs- volk und der linke Flügel der Römer ward völlig geschlagen. Nikanor dagegen war, da er die Vorbereitungen zum Angriff sah, mit der andern Hälfte der Phalanx schleunigst gefolgt, wobei die Glieder sich gelöst hatten; während die ersten Reihen schon eilig den Berg hinab dem siegreichen rechten Flügel folgten und durch das ungleiche Terrain noch mehr in Un- 34*
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DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
aber durch einen starken aetolischen Haufen verstärkt worden
war, zählten ungefähr gleich viel Streiter, jedes etwa 26000
Mann; doch waren die Römer an Reiterei dem Gegner über-
legen. Vorwärts Skotussa traf während eines trüben Regen-
tages der römische Vortrab unvermuthet auf den feindlichen,
der einen zwischen beiden Lagern gelegenen hohen und stei-
len Hügel, die Kynoskephalae, besetzt hielt. Zurückgetrieben
in die Ebene erhielten die Römer Verstärkung aus dem Lager
von den leichten Truppen und dem trefflichen Corps der aetoli-
schen Reiterei und drängten nun ihrerseits den makedonischen
Vortrab auf und über die Höhe zurück. Hier aber fanden
wiederum die Makedonier Unterstützung an ihrer gesammten
Reiterei und dem gröſsten Theil der leichten Infanterie; die
Römer, die unvorsichtig sich vorgewagt hatten, wurden mit
groſsem Verlust fast bis an ihr Lager zurückgejagt und hätten
sich völlig zur Flucht gewandt, wenn nicht die aetolischen
Ritter in der Ebene den Kampf so lange hingehalten hätten,
bis Flamininus die schnell geordneten Legionen herbeiführen
konnte. Philippos siegreiche Truppen forderten eifrig die
Fortsetzung des Kampfes; der Feldherr gab dem ungestümen
Ruf der Soldaten nach und ordnete seine Schwerbewaffneten
eilig zu der Schlacht, die weder sie noch der König an die-
sem Tage erwartet hatten. Es galt den Hügel zu besetzen,
der augenblicklich von Truppen ganz entblöſst war. Der
rechte Flügel der Phalanx unter des Königs eigener Führung
kam früh genug dort an um sich ungestört auf der Höhe in
Schlachtordnung zu stellen. Als nun die leichten Truppen der
Makedonier, von den Legionen gescheucht, den Hügel herauf-
stürmten, zog Philipp dieselben rasch an der Phalanx vorbei in
das Mitteltreffen und ohne zu erwarten, daſs auf dem linken
Flügel Nikanor mit der anderen langsamer folgenden Hälfte
der Phalanx eingetroffen war, hieſs er die rechte Phalanx
mit gesenkten Speeren den Hügel hinab sich auf die Legionen
stürzen, während die Peltasten sie gleichzeitig umgingen und
ihnen in die Flanke fielen. Der unwiderstehliche Angriff der
Phalanx am günstigen Orte zersprengte das römische Fuſs-
volk und der linke Flügel der Römer ward völlig geschlagen.
Nikanor dagegen war, da er die Vorbereitungen zum Angriff sah,
mit der andern Hälfte der Phalanx schleunigst gefolgt, wobei
die Glieder sich gelöst hatten; während die ersten Reihen
schon eilig den Berg hinab dem siegreichen rechten Flügel
folgten und durch das ungleiche Terrain noch mehr in Un-
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