Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. so ist es der, dass sie und vor allem dass den Flamininus,der die wohlgegründeten Bedenken des Senats überwand, der Zauber des hellenischen Namens hinderte die Erbärmlichkeit des damaligen griechischen Staatenwesens in ihrem ganzen Umfang zu erkennen und all den Gemeinden, die mit ihren in und gegen einander gährenden ohnmächtigen Antipathien weder zu handeln noch sich ruhig zu halten verstanden, ihr Treiben ein für allemal zu legen durch eine diese ebenso er- bärmliche als schädliche Freiheit an Ort und Stelle beseitigende Uebermacht. In Boeotien zum Beispiel musste Rom einen politi- schen Mord, wenn nicht veranlassen, doch zulassen, weil man sich einmal entschlossen hatte die römischen Truppen aus Griechenland wegzuziehen und somit den römisch gesinnten Griechen nicht wehren konnte, dass sie in landüblicher Weise sich selber halfen. Aber auch Rom selbst litt unter den Fol- gen dieser Halbheit. Der Krieg mit Antiochos wäre nicht entstanden ohne den politischen Fehler der Befreiung Grie- chenlands, und er wäre ungefährlich geblieben ohne den militärischen Fehler aus den wichtigen Festungen der euro- päischen Grenze die Besatzungen wegzuziehen. Die Geschichte hat eine Nemesis für jede Sünde, für den impotenten Frei- heitsdrang wie für den unverständigen Edelmuth. DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. so ist es der, daſs sie und vor allem daſs den Flamininus,der die wohlgegründeten Bedenken des Senats überwand, der Zauber des hellenischen Namens hinderte die Erbärmlichkeit des damaligen griechischen Staatenwesens in ihrem ganzen Umfang zu erkennen und all den Gemeinden, die mit ihren in und gegen einander gährenden ohnmächtigen Antipathien weder zu handeln noch sich ruhig zu halten verstanden, ihr Treiben ein für allemal zu legen durch eine diese ebenso er- bärmliche als schädliche Freiheit an Ort und Stelle beseitigende Uebermacht. In Boeotien zum Beispiel muſste Rom einen politi- schen Mord, wenn nicht veranlassen, doch zulassen, weil man sich einmal entschlossen hatte die römischen Truppen aus Griechenland wegzuziehen und somit den römisch gesinnten Griechen nicht wehren konnte, daſs sie in landüblicher Weise sich selber halfen. Aber auch Rom selbst litt unter den Fol- gen dieser Halbheit. Der Krieg mit Antiochos wäre nicht entstanden ohne den politischen Fehler der Befreiung Grie- chenlands, und er wäre ungefährlich geblieben ohne den militärischen Fehler aus den wichtigen Festungen der euro- päischen Grenze die Besatzungen wegzuziehen. Die Geschichte hat eine Nemesis für jede Sünde, für den impotenten Frei- heitsdrang wie für den unverständigen Edelmuth. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0553" n="539"/><fw place="top" type="header">DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.</fw><lb/> so ist es der, daſs sie und vor allem daſs den Flamininus,<lb/> der die wohlgegründeten Bedenken des Senats überwand, der<lb/> Zauber des hellenischen Namens hinderte die Erbärmlichkeit<lb/> des damaligen griechischen Staatenwesens in ihrem ganzen<lb/> Umfang zu erkennen und all den Gemeinden, die mit ihren<lb/> in und gegen einander gährenden ohnmächtigen Antipathien<lb/> weder zu handeln noch sich ruhig zu halten verstanden, ihr<lb/> Treiben ein für allemal zu legen durch eine diese ebenso er-<lb/> bärmliche als schädliche Freiheit an Ort und Stelle beseitigende<lb/> Uebermacht. In Boeotien zum Beispiel muſste Rom einen politi-<lb/> schen Mord, wenn nicht veranlassen, doch zulassen, weil man<lb/> sich einmal entschlossen hatte die römischen Truppen aus<lb/> Griechenland wegzuziehen und somit den römisch gesinnten<lb/> Griechen nicht wehren konnte, daſs sie in landüblicher Weise<lb/> sich selber halfen. Aber auch Rom selbst litt unter den Fol-<lb/> gen dieser Halbheit. Der Krieg mit Antiochos wäre nicht<lb/> entstanden ohne den politischen Fehler der Befreiung Grie-<lb/> chenlands, und er wäre ungefährlich geblieben ohne den<lb/> militärischen Fehler aus den wichtigen Festungen der euro-<lb/> päischen Grenze die Besatzungen wegzuziehen. Die Geschichte<lb/> hat eine Nemesis für jede Sünde, für den impotenten Frei-<lb/> heitsdrang wie für den unverständigen Edelmuth.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [539/0553]
DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
so ist es der, daſs sie und vor allem daſs den Flamininus,
der die wohlgegründeten Bedenken des Senats überwand, der
Zauber des hellenischen Namens hinderte die Erbärmlichkeit
des damaligen griechischen Staatenwesens in ihrem ganzen
Umfang zu erkennen und all den Gemeinden, die mit ihren
in und gegen einander gährenden ohnmächtigen Antipathien
weder zu handeln noch sich ruhig zu halten verstanden, ihr
Treiben ein für allemal zu legen durch eine diese ebenso er-
bärmliche als schädliche Freiheit an Ort und Stelle beseitigende
Uebermacht. In Boeotien zum Beispiel muſste Rom einen politi-
schen Mord, wenn nicht veranlassen, doch zulassen, weil man
sich einmal entschlossen hatte die römischen Truppen aus
Griechenland wegzuziehen und somit den römisch gesinnten
Griechen nicht wehren konnte, daſs sie in landüblicher Weise
sich selber halfen. Aber auch Rom selbst litt unter den Fol-
gen dieser Halbheit. Der Krieg mit Antiochos wäre nicht
entstanden ohne den politischen Fehler der Befreiung Grie-
chenlands, und er wäre ungefährlich geblieben ohne den
militärischen Fehler aus den wichtigen Festungen der euro-
päischen Grenze die Besatzungen wegzuziehen. Die Geschichte
hat eine Nemesis für jede Sünde, für den impotenten Frei-
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Zitationshilfe: | Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/553>, abgerufen am 16.07.2024. |