Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL IX. mung Griechenlands im Frühjahr 560, die unter solchen Um-ständen wenigstens eine arge Verkehrtheit war. Der Gedanke lässt sich fast nicht abweisen, dass Flamininus, um nur den Ruhm des gänzlich beendigten Krieges und des befreiten Hel- las ungeschmälert heimzubringen, sich begnügte das glimmende Feuer des Aufstandes und des Krieges vorläufig oberflächlich zu verschütten. Der römische Staatsmann mochte durchaus Recht haben, wenn er von Griechenland nichts begehrte, als dass die Gemeinden unabhängig seien, und wenn er jede In- tervention der Römer in die asiatischen Angelegenheiten für einen politischen Fehler erklärte; aber die gährende Opposi- tion in Griechenland, der schwächliche Uebermuth des Asiaten, das Verweilen des erbitterten Römerfeindes, der schon den Westen gegen Rom in Waffen gebracht hatte, im syrischen Hauptquartier, alles dies waren deutliche Anzeichen einer öst- lichen Coalition, deren Ziel mindestens sein musste Griechen- land aus der römischen Clientel in die der antirömisch gesinnten Staaten zu bringen. Flamininus, indem er Forderungen stellte, für die marschiren zu lassen er nicht gesonnen war, und in- dem er die Kriegsvorbereitungen jener Coalition absichtlich ignorirte, that in Worten zu viel was in Thaten zu wenig und vergass seine Pflicht und seine Heimath über die eigene Eitelkeit, die den Griechen in beiden Welttheilen die Freiheit geschenkt zu haben wünschte. Antiochos nutzte die unerwarte Frist, um im Innern und * Wir haben dafür das Zeugniss des Polyhios 28, 1, das die weitere
Geschichte Iudaeas vollkommen bestätigt; Eusebius (p. 117 Mai) irrt, wenn er Philometor zum Herrn von Syrien macht. Allerdings finden wir, dass um 567 syrische Steuerpächter ihre Abgaben nach Alexandreia zahlen (Joseph. 12, 4, 7); allein ohne Zweifel geschah dies unbeschadet der Souveränetäts- rechte in der Art, dass die Mitgift der Kleopatra in Renten auf diese Stadt angewiesen war; und eben daher entsprang später vermuthlich der Streit. DRITTES BUCH. KAPITEL IX. mung Griechenlands im Frühjahr 560, die unter solchen Um-ständen wenigstens eine arge Verkehrtheit war. Der Gedanke läſst sich fast nicht abweisen, daſs Flamininus, um nur den Ruhm des gänzlich beendigten Krieges und des befreiten Hel- las ungeschmälert heimzubringen, sich begnügte das glimmende Feuer des Aufstandes und des Krieges vorläufig oberflächlich zu verschütten. Der römische Staatsmann mochte durchaus Recht haben, wenn er von Griechenland nichts begehrte, als daſs die Gemeinden unabhängig seien, und wenn er jede In- tervention der Römer in die asiatischen Angelegenheiten für einen politischen Fehler erklärte; aber die gährende Opposi- tion in Griechenland, der schwächliche Uebermuth des Asiaten, das Verweilen des erbitterten Römerfeindes, der schon den Westen gegen Rom in Waffen gebracht hatte, im syrischen Hauptquartier, alles dies waren deutliche Anzeichen einer öst- lichen Coalition, deren Ziel mindestens sein muſste Griechen- land aus der römischen Clientel in die der antirömisch gesinnten Staaten zu bringen. Flamininus, indem er Forderungen stellte, für die marschiren zu lassen er nicht gesonnen war, und in- dem er die Kriegsvorbereitungen jener Coalition absichtlich ignorirte, that in Worten zu viel was in Thaten zu wenig und vergaſs seine Pflicht und seine Heimath über die eigene Eitelkeit, die den Griechen in beiden Welttheilen die Freiheit geschenkt zu haben wünschte. Antiochos nutzte die unerwarte Frist, um im Innern und * Wir haben dafür das Zeugniſs des Polyhios 28, 1, das die weitere
Geschichte Iudaeas vollkommen bestätigt; Eusebius (p. 117 Mai) irrt, wenn er Philometor zum Herrn von Syrien macht. Allerdings finden wir, daſs um 567 syrische Steuerpächter ihre Abgaben nach Alexandreia zahlen (Joseph. 12, 4, 7); allein ohne Zweifel geschah dies unbeschadet der Souveränetäts- rechte in der Art, daſs die Mitgift der Kleopatra in Renten auf diese Stadt angewiesen war; und eben daher entsprang später vermuthlich der Streit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0558" n="544"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. KAPITEL IX.</fw><lb/> mung Griechenlands im Frühjahr 560, die unter solchen Um-<lb/> ständen wenigstens eine arge Verkehrtheit war. Der Gedanke<lb/> läſst sich fast nicht abweisen, daſs Flamininus, um nur den<lb/> Ruhm des gänzlich beendigten Krieges und des befreiten Hel-<lb/> las ungeschmälert heimzubringen, sich begnügte das glimmende<lb/> Feuer des Aufstandes und des Krieges vorläufig oberflächlich<lb/> zu verschütten. Der römische Staatsmann mochte durchaus<lb/> Recht haben, wenn er von Griechenland nichts begehrte, als<lb/> daſs die Gemeinden unabhängig seien, und wenn er jede In-<lb/> tervention der Römer in die asiatischen Angelegenheiten für<lb/> einen politischen Fehler erklärte; aber die gährende Opposi-<lb/> tion in Griechenland, der schwächliche Uebermuth des Asiaten,<lb/> das Verweilen des erbitterten Römerfeindes, der schon den<lb/> Westen gegen Rom in Waffen gebracht hatte, im syrischen<lb/> Hauptquartier, alles dies waren deutliche Anzeichen einer öst-<lb/> lichen Coalition, deren Ziel mindestens sein muſste Griechen-<lb/> land aus der römischen Clientel in die der antirömisch gesinnten<lb/> Staaten zu bringen. Flamininus, indem er Forderungen stellte,<lb/> für die marschiren zu lassen er nicht gesonnen war, und in-<lb/> dem er die Kriegsvorbereitungen jener Coalition absichtlich<lb/> ignorirte, that in Worten zu viel was in Thaten zu wenig<lb/> und vergaſs seine Pflicht und seine Heimath über die eigene<lb/> Eitelkeit, die den Griechen in beiden Welttheilen die Freiheit<lb/> geschenkt zu haben wünschte.</p><lb/> <p>Antiochos nutzte die unerwarte Frist, um im Innern und<lb/> mit seinen Nachbarn die Verhältnisse zu befestigen, bevor er<lb/> den Krieg beginnen würde, zu dem er seinerseits entschlossen<lb/> war und immer mehr es ward, je mehr der Feind zu zögern<lb/> schien. Er vermählte jetzt (561) dem jungen König von Ae-<lb/> gypten seine Verlobte, die syrische Kleopatra; daſs er zugleich<lb/> seinem Schwiegersohn die Rückgabe der ihm entrissenen Pro-<lb/> vinzen versprochen habe, ward zwar später ägyptischer Seits<lb/> behauptet, allein wahrscheinlich mit Unrecht und jedenfalls<lb/> blieb factisch das Land beim syrischen Reiche <note place="foot" n="*">Wir haben dafür das Zeugniſs des Polyhios 28, 1, das die weitere<lb/> Geschichte Iudaeas vollkommen bestätigt; Eusebius (p. 117 Mai) irrt, wenn<lb/> er Philometor zum Herrn von Syrien macht. Allerdings finden wir, daſs um<lb/> 567 syrische Steuerpächter ihre Abgaben nach Alexandreia zahlen (Joseph.<lb/> 12, 4, 7); allein ohne Zweifel geschah dies unbeschadet der Souveränetäts-<lb/> rechte in der Art, daſs die Mitgift der Kleopatra in Renten auf diese Stadt<lb/> angewiesen war; und eben daher entsprang später vermuthlich der Streit.</note> Er bot dem<lb/> Eumenes, der im Jahre 557 seinem Vater Attalos auf dem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [544/0558]
DRITTES BUCH. KAPITEL IX.
mung Griechenlands im Frühjahr 560, die unter solchen Um-
ständen wenigstens eine arge Verkehrtheit war. Der Gedanke
läſst sich fast nicht abweisen, daſs Flamininus, um nur den
Ruhm des gänzlich beendigten Krieges und des befreiten Hel-
las ungeschmälert heimzubringen, sich begnügte das glimmende
Feuer des Aufstandes und des Krieges vorläufig oberflächlich
zu verschütten. Der römische Staatsmann mochte durchaus
Recht haben, wenn er von Griechenland nichts begehrte, als
daſs die Gemeinden unabhängig seien, und wenn er jede In-
tervention der Römer in die asiatischen Angelegenheiten für
einen politischen Fehler erklärte; aber die gährende Opposi-
tion in Griechenland, der schwächliche Uebermuth des Asiaten,
das Verweilen des erbitterten Römerfeindes, der schon den
Westen gegen Rom in Waffen gebracht hatte, im syrischen
Hauptquartier, alles dies waren deutliche Anzeichen einer öst-
lichen Coalition, deren Ziel mindestens sein muſste Griechen-
land aus der römischen Clientel in die der antirömisch gesinnten
Staaten zu bringen. Flamininus, indem er Forderungen stellte,
für die marschiren zu lassen er nicht gesonnen war, und in-
dem er die Kriegsvorbereitungen jener Coalition absichtlich
ignorirte, that in Worten zu viel was in Thaten zu wenig
und vergaſs seine Pflicht und seine Heimath über die eigene
Eitelkeit, die den Griechen in beiden Welttheilen die Freiheit
geschenkt zu haben wünschte.
Antiochos nutzte die unerwarte Frist, um im Innern und
mit seinen Nachbarn die Verhältnisse zu befestigen, bevor er
den Krieg beginnen würde, zu dem er seinerseits entschlossen
war und immer mehr es ward, je mehr der Feind zu zögern
schien. Er vermählte jetzt (561) dem jungen König von Ae-
gypten seine Verlobte, die syrische Kleopatra; daſs er zugleich
seinem Schwiegersohn die Rückgabe der ihm entrissenen Pro-
vinzen versprochen habe, ward zwar später ägyptischer Seits
behauptet, allein wahrscheinlich mit Unrecht und jedenfalls
blieb factisch das Land beim syrischen Reiche * Er bot dem
Eumenes, der im Jahre 557 seinem Vater Attalos auf dem
* Wir haben dafür das Zeugniſs des Polyhios 28, 1, das die weitere
Geschichte Iudaeas vollkommen bestätigt; Eusebius (p. 117 Mai) irrt, wenn
er Philometor zum Herrn von Syrien macht. Allerdings finden wir, daſs um
567 syrische Steuerpächter ihre Abgaben nach Alexandreia zahlen (Joseph.
12, 4, 7); allein ohne Zweifel geschah dies unbeschadet der Souveränetäts-
rechte in der Art, daſs die Mitgift der Kleopatra in Renten auf diese Stadt
angewiesen war; und eben daher entsprang später vermuthlich der Streit.
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