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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.
nesos verlor Antiochos so vollständig den Kopf, dass er einestheils
die starkbesetzte und verproviantirte Festung Lysimacheia von
der Besatzung und der dem Wiederhersteller ihrer Stadt treu
ergebenen Einwohnerschaft räumen liess und dabei sogar ver-
gass die Besatzungen aus Aenos und Maroneia herauszuziehen,
ja die reichen Magazine zu vernichten, anderntheils der Lan-
dung der Römer am asiatischen Ufer nicht den geringsten
Widerstand entgegensetzte, sondern während derselben sich
in Sardes damit die Zeit vertrieb auf das Schicksal zu schel-
ten. Es ist kaum zweifelhaft, dass, wenn er nur Lysimacheia
hätte vertheidigen und sein grosses Heer an den Hellespont
vorrücken lassen, Scipio genöthigt worden wäre auf dem euro-
päischen Ufer Winterquartiere zu nehmen, in einer militärisch
wie politisch keineswegs gesicherten Lage. -- Während die
Römer, am asiatischen Ufer ausgeschifft, einige Tage still-
standen um sich zu erholen und ihren durch religiöse Pflichten
zurückgehaltenen Führer zu erwarten, trafen in ihrem Lager
Gesandte des Grosskönigs ein, die Frieden boten. Antiochos
bot die Hälfte der Kriegskosten und die Abtretung seiner
europäischen Besitzungen so wie der sämmtlichen in Klein-
asien zu Rom übergetretenen griechischen Städte; allein Scipio
forderte sämmtliche Kriegskosten und die Aufgebung von ganz
Kleinasien. Jene Bedingungen, erklärte er, wären annehmbar
gewesen, wenn das Heer noch vor Lysimacheia oder auch
nur diesseit des Hellesponts stände; jetzt aber reichten sie
nicht, wo das Ross schon den Zaum, ja den Reiter fühle.
Die Versuche des Grosskönigs von dem feindlichen Feldherrn
in morgenländischer Art den Frieden durch Geldsummen zu
erkaufen -- er bot die Hälfte seiner Einkünfte! -- scheiterten
wie billig; für die unentgeltliche Rückgabe seines in Gefangen-
schaft gerathenen Sohnes gab der stolze Bürger dem Gross-
könig als Lohn den Freundesrath auf jede Bedingung Frieden
zu schliessen. In der That stand es nicht so; hätte der Kö-
nig sich zu entschliessen vermocht den Krieg in die Länge
und in das innere Asien zurückweichend den Feind sich
nach zu ziehen, so war ein endlicher Erfolg noch keineswegs
unmöglich. Allein Antiochos, gereizt durch den vermuthlich
berechneten Uebermuth des Gegners und für jede dauernde
und consequente Kriegführung zu schlaff, eilte seine ungeheure
ungleiche und undisciplinirte Heermasse je eher desto lieber
dem Stoss der römischen Legionen darzubieten. Bei Magnesia
am Sipylos unweit Smyrna trafen im Spätherbst 564 die

DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.
nesos verlor Antiochos so vollständig den Kopf, daſs er einestheils
die starkbesetzte und verproviantirte Festung Lysimacheia von
der Besatzung und der dem Wiederhersteller ihrer Stadt treu
ergebenen Einwohnerschaft räumen lieſs und dabei sogar ver-
gaſs die Besatzungen aus Aenos und Maroneia herauszuziehen,
ja die reichen Magazine zu vernichten, anderntheils der Lan-
dung der Römer am asiatischen Ufer nicht den geringsten
Widerstand entgegensetzte, sondern während derselben sich
in Sardes damit die Zeit vertrieb auf das Schicksal zu schel-
ten. Es ist kaum zweifelhaft, daſs, wenn er nur Lysimacheia
hätte vertheidigen und sein groſses Heer an den Hellespont
vorrücken lassen, Scipio genöthigt worden wäre auf dem euro-
päischen Ufer Winterquartiere zu nehmen, in einer militärisch
wie politisch keineswegs gesicherten Lage. — Während die
Römer, am asiatischen Ufer ausgeschifft, einige Tage still-
standen um sich zu erholen und ihren durch religiöse Pflichten
zurückgehaltenen Führer zu erwarten, trafen in ihrem Lager
Gesandte des Groſskönigs ein, die Frieden boten. Antiochos
bot die Hälfte der Kriegskosten und die Abtretung seiner
europäischen Besitzungen so wie der sämmtlichen in Klein-
asien zu Rom übergetretenen griechischen Städte; allein Scipio
forderte sämmtliche Kriegskosten und die Aufgebung von ganz
Kleinasien. Jene Bedingungen, erklärte er, wären annehmbar
gewesen, wenn das Heer noch vor Lysimacheia oder auch
nur diesseit des Hellesponts stände; jetzt aber reichten sie
nicht, wo das Roſs schon den Zaum, ja den Reiter fühle.
Die Versuche des Groſskönigs von dem feindlichen Feldherrn
in morgenländischer Art den Frieden durch Geldsummen zu
erkaufen — er bot die Hälfte seiner Einkünfte! — scheiterten
wie billig; für die unentgeltliche Rückgabe seines in Gefangen-
schaft gerathenen Sohnes gab der stolze Bürger dem Groſs-
könig als Lohn den Freundesrath auf jede Bedingung Frieden
zu schlieſsen. In der That stand es nicht so; hätte der Kö-
nig sich zu entschlieſsen vermocht den Krieg in die Länge
und in das innere Asien zurückweichend den Feind sich
nach zu ziehen, so war ein endlicher Erfolg noch keineswegs
unmöglich. Allein Antiochos, gereizt durch den vermuthlich
berechneten Uebermuth des Gegners und für jede dauernde
und consequente Kriegführung zu schlaff, eilte seine ungeheure
ungleiche und undisciplinirte Heermasse je eher desto lieber
dem Stoſs der römischen Legionen darzubieten. Bei Magnesia
am Sipylos unweit Smyrna trafen im Spätherbst 564 die

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[557/0571] DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN. nesos verlor Antiochos so vollständig den Kopf, daſs er einestheils die starkbesetzte und verproviantirte Festung Lysimacheia von der Besatzung und der dem Wiederhersteller ihrer Stadt treu ergebenen Einwohnerschaft räumen lieſs und dabei sogar ver- gaſs die Besatzungen aus Aenos und Maroneia herauszuziehen, ja die reichen Magazine zu vernichten, anderntheils der Lan- dung der Römer am asiatischen Ufer nicht den geringsten Widerstand entgegensetzte, sondern während derselben sich in Sardes damit die Zeit vertrieb auf das Schicksal zu schel- ten. Es ist kaum zweifelhaft, daſs, wenn er nur Lysimacheia hätte vertheidigen und sein groſses Heer an den Hellespont vorrücken lassen, Scipio genöthigt worden wäre auf dem euro- päischen Ufer Winterquartiere zu nehmen, in einer militärisch wie politisch keineswegs gesicherten Lage. — Während die Römer, am asiatischen Ufer ausgeschifft, einige Tage still- standen um sich zu erholen und ihren durch religiöse Pflichten zurückgehaltenen Führer zu erwarten, trafen in ihrem Lager Gesandte des Groſskönigs ein, die Frieden boten. Antiochos bot die Hälfte der Kriegskosten und die Abtretung seiner europäischen Besitzungen so wie der sämmtlichen in Klein- asien zu Rom übergetretenen griechischen Städte; allein Scipio forderte sämmtliche Kriegskosten und die Aufgebung von ganz Kleinasien. Jene Bedingungen, erklärte er, wären annehmbar gewesen, wenn das Heer noch vor Lysimacheia oder auch nur diesseit des Hellesponts stände; jetzt aber reichten sie nicht, wo das Roſs schon den Zaum, ja den Reiter fühle. Die Versuche des Groſskönigs von dem feindlichen Feldherrn in morgenländischer Art den Frieden durch Geldsummen zu erkaufen — er bot die Hälfte seiner Einkünfte! — scheiterten wie billig; für die unentgeltliche Rückgabe seines in Gefangen- schaft gerathenen Sohnes gab der stolze Bürger dem Groſs- könig als Lohn den Freundesrath auf jede Bedingung Frieden zu schlieſsen. In der That stand es nicht so; hätte der Kö- nig sich zu entschlieſsen vermocht den Krieg in die Länge und in das innere Asien zurückweichend den Feind sich nach zu ziehen, so war ein endlicher Erfolg noch keineswegs unmöglich. Allein Antiochos, gereizt durch den vermuthlich berechneten Uebermuth des Gegners und für jede dauernde und consequente Kriegführung zu schlaff, eilte seine ungeheure ungleiche und undisciplinirte Heermasse je eher desto lieber dem Stoſs der römischen Legionen darzubieten. Bei Magnesia am Sipylos unweit Smyrna trafen im Spätherbst 564 die

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/571>, abgerufen am 22.11.2024.