Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN. ausserdem blieben thatsächlich in seinen Händen die dolopi-sche und athamanische Landschaft und ein Theil von Thes- salien, aus denen gleichfalls die Aetoler von ihm vertrieben worden waren. In Thrakien blieb zwar das Binnenland in makedonischer Clientel, aber über die Küstenstädte und die Inseln Thasos und Lemnos, die factisch in seinen Händen waren, ward nichts bestimmt und der Chersonesos sogar aus- drücklich an Eumenes gegeben; es war nicht schwer zu er- kennen, dass Eumenes nur desshalb auch Besitzungen in Europa empfangen hatte um nicht bloss Asien, sondern auch Makedonien im Nothfall niederzuhalten. Die Erbitterung des stolzen und in vieler Hinsicht ritterlichen Mannes ist natür- lich; allein es war nicht Schikane, was die Römer bestimmte, sondern eine unabweisliche politische Nothwendigkeit. Make- donien büsste dafür, dass es einmal eine Macht ersten Ranges gewesen war und mit Rom auf gleichem Fuss Krieg geführt hatte; man hatte hier und hier mit viel besserem Grund als gegen Karthago sich vorzusehen, dass die alte Machtstellung nicht wiederkehre. -- Anders stand es mit den Achaeern. Sie hatten im Laufe des Krieges gegen Antiochos ihren lange genährten Wunsch befriedigt den Peloponnes ganz in ihre Eidgenossenschaft zu bringen, indem zuerst Sparta, dann nach der Vertreibung der Asiaten aus Griechenland auch Elis und Messene mehr oder weniger gezwungen beigetreten waren. Die Römer hatten dies geschehen lassen und es sogar ge- duldet, dass man dabei mit absichtlicher Rücksichtslosigkeit gegen Rom verfuhr. Flamininus hatte, als Messene erklärte, sich den Römern unterwerfen, aber nicht in die Eidge- nossenschaft eintreten zu wollen und diese darauf Gewalt brauchte, zwar nicht unterlassen den Achaeern zu Gemüthe zu führen, dass solche Sonderverfügungen über einen Theil der Beute an sich unrecht und in dem Verhältniss der Achaeer zu den Römern mehr als unpassend seien, aber denn doch in seiner sehr unpolitischen Nachgiebigkeit gegen die Hellenen im Wesentlichen den Achaeern ihren Willen ge- than. Allein damit hatte die Sache kein Ende. Die Achaeer, von ihrer zwerghaften Vergrösserungssucht gepeinigt, liessen die Stadt Pleuron in Aetolien, die sie während des Krieges besetzt hatten, nicht fahren und machten sie vielmehr zum unfreiwilligen Mitgliede ihrer Eidgenossenschaft; sie blickten nach Zakynthos und Aegina und hörten sehr unmuthig Fla- mininus guten Rathschlag sich mit ihrem Peloponnes zu be- DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN. auſserdem blieben thatsächlich in seinen Händen die dolopi-sche und athamanische Landschaft und ein Theil von Thes- salien, aus denen gleichfalls die Aetoler von ihm vertrieben worden waren. In Thrakien blieb zwar das Binnenland in makedonischer Clientel, aber über die Küstenstädte und die Inseln Thasos und Lemnos, die factisch in seinen Händen waren, ward nichts bestimmt und der Chersonesos sogar aus- drücklich an Eumenes gegeben; es war nicht schwer zu er- kennen, daſs Eumenes nur deſshalb auch Besitzungen in Europa empfangen hatte um nicht bloſs Asien, sondern auch Makedonien im Nothfall niederzuhalten. Die Erbitterung des stolzen und in vieler Hinsicht ritterlichen Mannes ist natür- lich; allein es war nicht Schikane, was die Römer bestimmte, sondern eine unabweisliche politische Nothwendigkeit. Make- donien büſste dafür, daſs es einmal eine Macht ersten Ranges gewesen war und mit Rom auf gleichem Fuſs Krieg geführt hatte; man hatte hier und hier mit viel besserem Grund als gegen Karthago sich vorzusehen, daſs die alte Machtstellung nicht wiederkehre. — Anders stand es mit den Achaeern. Sie hatten im Laufe des Krieges gegen Antiochos ihren lange genährten Wunsch befriedigt den Peloponnes ganz in ihre Eidgenossenschaft zu bringen, indem zuerst Sparta, dann nach der Vertreibung der Asiaten aus Griechenland auch Elis und Messene mehr oder weniger gezwungen beigetreten waren. Die Römer hatten dies geschehen lassen und es sogar ge- duldet, daſs man dabei mit absichtlicher Rücksichtslosigkeit gegen Rom verfuhr. Flamininus hatte, als Messene erklärte, sich den Römern unterwerfen, aber nicht in die Eidge- nossenschaft eintreten zu wollen und diese darauf Gewalt brauchte, zwar nicht unterlassen den Achaeern zu Gemüthe zu führen, daſs solche Sonderverfügungen über einen Theil der Beute an sich unrecht und in dem Verhältniſs der Achaeer zu den Römern mehr als unpassend seien, aber denn doch in seiner sehr unpolitischen Nachgiebigkeit gegen die Hellenen im Wesentlichen den Achaeern ihren Willen ge- than. Allein damit hatte die Sache kein Ende. Die Achaeer, von ihrer zwerghaften Vergröſserungssucht gepeinigt, lieſsen die Stadt Pleuron in Aetolien, die sie während des Krieges besetzt hatten, nicht fahren und machten sie vielmehr zum unfreiwilligen Mitgliede ihrer Eidgenossenschaft; sie blickten nach Zakynthos und Aegina und hörten sehr unmuthig Fla- mininus guten Rathschlag sich mit ihrem Peloponnes zu be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0579" n="565"/><fw place="top" type="header">DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.</fw><lb/> auſserdem blieben thatsächlich in seinen Händen die dolopi-<lb/> sche und athamanische Landschaft und ein Theil von Thes-<lb/> salien, aus denen gleichfalls die Aetoler von ihm vertrieben<lb/> worden waren. 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DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.
auſserdem blieben thatsächlich in seinen Händen die dolopi-
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salien, aus denen gleichfalls die Aetoler von ihm vertrieben
worden waren. In Thrakien blieb zwar das Binnenland in
makedonischer Clientel, aber über die Küstenstädte und die
Inseln Thasos und Lemnos, die factisch in seinen Händen
waren, ward nichts bestimmt und der Chersonesos sogar aus-
drücklich an Eumenes gegeben; es war nicht schwer zu er-
kennen, daſs Eumenes nur deſshalb auch Besitzungen in
Europa empfangen hatte um nicht bloſs Asien, sondern auch
Makedonien im Nothfall niederzuhalten. Die Erbitterung des
stolzen und in vieler Hinsicht ritterlichen Mannes ist natür-
lich; allein es war nicht Schikane, was die Römer bestimmte,
sondern eine unabweisliche politische Nothwendigkeit. Make-
donien büſste dafür, daſs es einmal eine Macht ersten Ranges
gewesen war und mit Rom auf gleichem Fuſs Krieg geführt
hatte; man hatte hier und hier mit viel besserem Grund als
gegen Karthago sich vorzusehen, daſs die alte Machtstellung
nicht wiederkehre. — Anders stand es mit den Achaeern.
Sie hatten im Laufe des Krieges gegen Antiochos ihren lange
genährten Wunsch befriedigt den Peloponnes ganz in ihre
Eidgenossenschaft zu bringen, indem zuerst Sparta, dann nach
der Vertreibung der Asiaten aus Griechenland auch Elis und
Messene mehr oder weniger gezwungen beigetreten waren.
Die Römer hatten dies geschehen lassen und es sogar ge-
duldet, daſs man dabei mit absichtlicher Rücksichtslosigkeit
gegen Rom verfuhr. Flamininus hatte, als Messene erklärte,
sich den Römern unterwerfen, aber nicht in die Eidge-
nossenschaft eintreten zu wollen und diese darauf Gewalt
brauchte, zwar nicht unterlassen den Achaeern zu Gemüthe
zu führen, daſs solche Sonderverfügungen über einen Theil
der Beute an sich unrecht und in dem Verhältniſs der
Achaeer zu den Römern mehr als unpassend seien, aber
denn doch in seiner sehr unpolitischen Nachgiebigkeit gegen
die Hellenen im Wesentlichen den Achaeern ihren Willen ge-
than. Allein damit hatte die Sache kein Ende. Die Achaeer,
von ihrer zwerghaften Vergröſserungssucht gepeinigt, lieſsen
die Stadt Pleuron in Aetolien, die sie während des Krieges
besetzt hatten, nicht fahren und machten sie vielmehr zum
unfreiwilligen Mitgliede ihrer Eidgenossenschaft; sie blickten
nach Zakynthos und Aegina und hörten sehr unmuthig Fla-
mininus guten Rathschlag sich mit ihrem Peloponnes zu be-
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