Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG. die königlichen Pagen und die letzten Gefährten. Einen Augen-blick hoffte er, dass das Asyl recht ihn schützen werde; allein selbst er begriff, dass er sich an einen Strohhalm halte. Ein Versuch zu Kotys zu flüchten misslang. So schrieb er an den Consul; allein der Brief ward nicht angenommen, da er sich darin König genannt hatte. Er erkannte sein Schicksal und lieferte auf Gnade und Ungnade den Römern sich aus mit seinen Kindern und seinen Schätzen, kleinmüthig und wei- nend, den Siegern selbst zum Ekel. Mit ernster Freude und mehr der Wandelbarkeit der Geschicke als dem gegenwärtigen Erfolg nachsinnend empfing der Consul den vornehmsten Gefangenen, den je ein römischer Feldherr heimgebracht hat. Perseus starb wenige Jahre darauf als Staatsgefangener in Alba am Fucinersee*; sein Sohn lebte in späteren Jahren in derselben italischen Landstadt als Schreiber. -- So ging das Reich Alexanders des Grossen, das den Osten bezwungen und hellenisirt hatte, 144 Jahre nach seinem Tode zu Grunde. -- Damit aber zu dem Trauerspiel die Posse nicht fehle, ward gleichzeitig auch der Krieg gegen den ,König' Genthios von Illyrien von dem Prätor Lucius Anicius binnen dreissig Tagen begonnen und beendet, die Piratenflotte genommen, die Hauptstadt Skodra erobert, und die beiden Könige, der Erbe des grossen Alexander und der des Pleuratos, zogen neben einander gefangen in Rom ein. Es war im Senat beschlossen worden, dass die Gefahr * Dass die Römer, um zugleich ihm das Wort zu halten, das ihm
sein Leben verbürgte, und Rache an ihm zu nehmen, ihn durch Entziehung des Schlafs getödtet, ist sicher eine Fabel. DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG. die königlichen Pagen und die letzten Gefährten. Einen Augen-blick hoffte er, daſs das Asyl recht ihn schützen werde; allein selbst er begriff, daſs er sich an einen Strohhalm halte. Ein Versuch zu Kotys zu flüchten miſslang. So schrieb er an den Consul; allein der Brief ward nicht angenommen, da er sich darin König genannt hatte. Er erkannte sein Schicksal und lieferte auf Gnade und Ungnade den Römern sich aus mit seinen Kindern und seinen Schätzen, kleinmüthig und wei- nend, den Siegern selbst zum Ekel. Mit ernster Freude und mehr der Wandelbarkeit der Geschicke als dem gegenwärtigen Erfolg nachsinnend empfing der Consul den vornehmsten Gefangenen, den je ein römischer Feldherr heimgebracht hat. Perseus starb wenige Jahre darauf als Staatsgefangener in Alba am Fucinersee*; sein Sohn lebte in späteren Jahren in derselben italischen Landstadt als Schreiber. — So ging das Reich Alexanders des Groſsen, das den Osten bezwungen und hellenisirt hatte, 144 Jahre nach seinem Tode zu Grunde. — Damit aber zu dem Trauerspiel die Posse nicht fehle, ward gleichzeitig auch der Krieg gegen den ‚König‘ Genthios von Illyrien von dem Prätor Lucius Anicius binnen dreiſsig Tagen begonnen und beendet, die Piratenflotte genommen, die Hauptstadt Skodra erobert, und die beiden Könige, der Erbe des groſsen Alexander und der des Pleuratos, zogen neben einander gefangen in Rom ein. Es war im Senat beschlossen worden, daſs die Gefahr * Daſs die Römer, um zugleich ihm das Wort zu halten, das ihm
sein Leben verbürgte, und Rache an ihm zu nehmen, ihn durch Entziehung des Schlafs getödtet, ist sicher eine Fabel. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0603" n="589"/><fw place="top" type="header">DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG.</fw><lb/> die königlichen Pagen und die letzten Gefährten. Einen Augen-<lb/> blick hoffte er, daſs das Asyl recht ihn schützen werde; allein<lb/> selbst er begriff, daſs er sich an einen Strohhalm halte. Ein<lb/> Versuch zu Kotys zu flüchten miſslang. So schrieb er an den<lb/> Consul; allein der Brief ward nicht angenommen, da er sich<lb/> darin König genannt hatte. Er erkannte sein Schicksal und<lb/> lieferte auf Gnade und Ungnade den Römern sich aus mit<lb/> seinen Kindern und seinen Schätzen, kleinmüthig und wei-<lb/> nend, den Siegern selbst zum Ekel. Mit ernster Freude und<lb/> mehr der Wandelbarkeit der Geschicke als dem gegenwärtigen<lb/> Erfolg nachsinnend empfing der Consul den vornehmsten<lb/> Gefangenen, den je ein römischer Feldherr heimgebracht hat.<lb/> Perseus starb wenige Jahre darauf als Staatsgefangener in<lb/> Alba am Fucinersee<note place="foot" n="*">Daſs die Römer, um zugleich ihm das Wort zu halten, das ihm<lb/> sein Leben verbürgte, und Rache an ihm zu nehmen, ihn durch Entziehung<lb/> des Schlafs getödtet, ist sicher eine Fabel.</note>; sein Sohn lebte in späteren Jahren in<lb/> derselben italischen Landstadt als Schreiber. — So ging<lb/> das Reich Alexanders des Groſsen, das den Osten bezwungen<lb/> und hellenisirt hatte, 144 Jahre nach seinem Tode zu Grunde.<lb/> — Damit aber zu dem Trauerspiel die Posse nicht fehle,<lb/> ward gleichzeitig auch der Krieg gegen den ‚König‘ Genthios<lb/> von Illyrien von dem Prätor Lucius Anicius binnen dreiſsig<lb/> Tagen begonnen und beendet, die Piratenflotte genommen,<lb/> die Hauptstadt Skodra erobert, und die beiden Könige, der<lb/> Erbe des groſsen Alexander und der des Pleuratos, zogen<lb/> neben einander gefangen in Rom ein.</p><lb/> <p>Es war im Senat beschlossen worden, daſs die Gefahr<lb/> nicht wiederkehren dürfe, die Flamininus unzeitige Milde über<lb/> Rom gebracht hatte. Makedonien ward vernichtet. Auf der<lb/> Conferenz zu Amphipolis am Strymon verfügte die römische<lb/> Commission die Auflösung der Monarchie, die mehr als irgend<lb/> ein andrer griechischer Staat durch enge Nationalität zusammen-<lb/> geschlossen war, in vier Eidgenossenschaften, die von Amphi-<lb/> polis in den östlichen Landschaften, die von Thessalonike mit<lb/> der chalkidischen Halbinsel, die von Pella an der thessalischen<lb/> Grenze und die von Pelagonia im Binnenland. Die Verfassung<lb/> der Eidgenossenschaften legte alle Macht in die Hände der<lb/> Vornehmen. Dem Volke blieb die Wahl der Regierungsmit-<lb/> glieder und sein Landrecht; Zwischenheirathen indeſs unter<lb/> den Bürgern der vier Eidgenossenschaften waren ungültig<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [589/0603]
DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG.
die königlichen Pagen und die letzten Gefährten. Einen Augen-
blick hoffte er, daſs das Asyl recht ihn schützen werde; allein
selbst er begriff, daſs er sich an einen Strohhalm halte. Ein
Versuch zu Kotys zu flüchten miſslang. So schrieb er an den
Consul; allein der Brief ward nicht angenommen, da er sich
darin König genannt hatte. Er erkannte sein Schicksal und
lieferte auf Gnade und Ungnade den Römern sich aus mit
seinen Kindern und seinen Schätzen, kleinmüthig und wei-
nend, den Siegern selbst zum Ekel. Mit ernster Freude und
mehr der Wandelbarkeit der Geschicke als dem gegenwärtigen
Erfolg nachsinnend empfing der Consul den vornehmsten
Gefangenen, den je ein römischer Feldherr heimgebracht hat.
Perseus starb wenige Jahre darauf als Staatsgefangener in
Alba am Fucinersee *; sein Sohn lebte in späteren Jahren in
derselben italischen Landstadt als Schreiber. — So ging
das Reich Alexanders des Groſsen, das den Osten bezwungen
und hellenisirt hatte, 144 Jahre nach seinem Tode zu Grunde.
— Damit aber zu dem Trauerspiel die Posse nicht fehle,
ward gleichzeitig auch der Krieg gegen den ‚König‘ Genthios
von Illyrien von dem Prätor Lucius Anicius binnen dreiſsig
Tagen begonnen und beendet, die Piratenflotte genommen,
die Hauptstadt Skodra erobert, und die beiden Könige, der
Erbe des groſsen Alexander und der des Pleuratos, zogen
neben einander gefangen in Rom ein.
Es war im Senat beschlossen worden, daſs die Gefahr
nicht wiederkehren dürfe, die Flamininus unzeitige Milde über
Rom gebracht hatte. Makedonien ward vernichtet. Auf der
Conferenz zu Amphipolis am Strymon verfügte die römische
Commission die Auflösung der Monarchie, die mehr als irgend
ein andrer griechischer Staat durch enge Nationalität zusammen-
geschlossen war, in vier Eidgenossenschaften, die von Amphi-
polis in den östlichen Landschaften, die von Thessalonike mit
der chalkidischen Halbinsel, die von Pella an der thessalischen
Grenze und die von Pelagonia im Binnenland. Die Verfassung
der Eidgenossenschaften legte alle Macht in die Hände der
Vornehmen. Dem Volke blieb die Wahl der Regierungsmit-
glieder und sein Landrecht; Zwischenheirathen indeſs unter
den Bürgern der vier Eidgenossenschaften waren ungültig
* Daſs die Römer, um zugleich ihm das Wort zu halten, das ihm
sein Leben verbürgte, und Rache an ihm zu nehmen, ihn durch Entziehung
des Schlafs getödtet, ist sicher eine Fabel.
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