Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE. bildenden Elementen in den scenischen und musischen Spielenlag, gab man von vorn herein dadurch Preis, dass man diese Lustbarkeiten vorwiegend für den gemeinen Mann bestimmte und es der Absicht der Geber geradezu entgegen war den Genuss einem ausgewählten Kreis zu bereiten. Wie das Publikum be- schaffen war, zeigt der Auftritt bei den Triumphalspielen 587, wo die ersten griechischen Flötenbläser, da sie mit ihren Melo- dien missfielen, vom Regisseur angewiesen wurden lieber sich unter einander zu prügeln, worauf denn der Jubel kein Ende nehmen wollte. -- Unter solchen Verhältnissen musste freilich und vor allen Dingen in der Hauptstadt Geld und nichts als Geld die Losung werden für Hoch und Niedrig. Schon lange that in Griechenland Niemand etwas umsonst, wie die Grie- chen selbst eingestanden; seit dem zweiten makedonischen Krieg fingen die vornehmen Römer an auch in dieser Hin- sicht zu hellenisiren und es wird schon als etwas Besonderes angemerkt, dass Paullus, der Sieger von Pydna, kein Geld nahm. Man vermied es geradezu zu stehlen; aber alle krum- men Wege zu schnellem Reichthum schienen erlaubt: Zins- und Kornwucher, Lieferantenbetrug, Geldheirathen, Verun- treuung der Beute. Ja das Stimmrecht schon ward einzeln feil, wenn gleich im Ganzen die Wählerschaft noch zu achtbar war, als dass directe Wahlbestechung systematisch hätte be- trieben werden können. Vor allem aber war es die Verwal- tung der Provinzialstellen, die bald Ehrenämter nur noch hiessen, die als Mittel zu schnellem Reichthum betrachtet ward; und was das Amt war für die Grossen, war für den gemeinen Mann der Kriegsdienst. Die Veteranen aus dem zweiten makedonischen und dem kleinasiatischen Krieg waren durchgängig als wohlhabende Leute heimgekehrt. Dies war die Ursache, wesshalb zum dritten makedonischen Krieg so zahlreiche Freiwillige sich meldeten; und als Lucius Paullus ihnen dann nicht hinreichend nach Willen lebte, fehlte wenig daran, dass ihm nicht mittelst Volksbeschluss wesentlich durch seine eigenen Soldaten die Ehre des Triumphs entzogen wurde. Selbst solche Dinge, die nach römischer Ansicht für Geld zu leisten schimpflich war, wie namentlich der Rechtsbeistand, wurden käuflich, indem der Sachwalter anfing ,Geschenke' zu nehmen; was dann freilich durch Volksschluss untersagt ward. Nur die Rechtswissenschaft hielt sich rein von solcher Schande; auch ohne Gesetz blieben die Rechtsverständigen bei ihrer ehr- baren Sitte den guten Rath umsonst zu geben. Aber es war 41*
VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE. bildenden Elementen in den scenischen und musischen Spielenlag, gab man von vorn herein dadurch Preis, daſs man diese Lustbarkeiten vorwiegend für den gemeinen Mann bestimmte und es der Absicht der Geber geradezu entgegen war den Genuſs einem ausgewählten Kreis zu bereiten. Wie das Publikum be- schaffen war, zeigt der Auftritt bei den Triumphalspielen 587, wo die ersten griechischen Flötenbläser, da sie mit ihren Melo- dien miſsfielen, vom Regisseur angewiesen wurden lieber sich unter einander zu prügeln, worauf denn der Jubel kein Ende nehmen wollte. — Unter solchen Verhältnissen muſste freilich und vor allen Dingen in der Hauptstadt Geld und nichts als Geld die Losung werden für Hoch und Niedrig. Schon lange that in Griechenland Niemand etwas umsonst, wie die Grie- chen selbst eingestanden; seit dem zweiten makedonischen Krieg fingen die vornehmen Römer an auch in dieser Hin- sicht zu hellenisiren und es wird schon als etwas Besonderes angemerkt, daſs Paullus, der Sieger von Pydna, kein Geld nahm. Man vermied es geradezu zu stehlen; aber alle krum- men Wege zu schnellem Reichthum schienen erlaubt: Zins- und Kornwucher, Lieferantenbetrug, Geldheirathen, Verun- treuung der Beute. Ja das Stimmrecht schon ward einzeln feil, wenn gleich im Ganzen die Wählerschaft noch zu achtbar war, als daſs directe Wahlbestechung systematisch hätte be- trieben werden können. Vor allem aber war es die Verwal- tung der Provinzialstellen, die bald Ehrenämter nur noch hieſsen, die als Mittel zu schnellem Reichthum betrachtet ward; und was das Amt war für die Groſsen, war für den gemeinen Mann der Kriegsdienst. Die Veteranen aus dem zweiten makedonischen und dem kleinasiatischen Krieg waren durchgängig als wohlhabende Leute heimgekehrt. Dies war die Ursache, weſshalb zum dritten makedonischen Krieg so zahlreiche Freiwillige sich meldeten; und als Lucius Paullus ihnen dann nicht hinreichend nach Willen lebte, fehlte wenig daran, daſs ihm nicht mittelst Volksbeschluſs wesentlich durch seine eigenen Soldaten die Ehre des Triumphs entzogen wurde. Selbst solche Dinge, die nach römischer Ansicht für Geld zu leisten schimpflich war, wie namentlich der Rechtsbeistand, wurden käuflich, indem der Sachwalter anfing ‚Geschenke‘ zu nehmen; was dann freilich durch Volksschluſs untersagt ward. Nur die Rechtswissenschaft hielt sich rein von solcher Schande; auch ohne Gesetz blieben die Rechtsverständigen bei ihrer ehr- baren Sitte den guten Rath umsonst zu geben. Aber es war 41*
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VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE.
bildenden Elementen in den scenischen und musischen Spielen
lag, gab man von vorn herein dadurch Preis, daſs man diese
Lustbarkeiten vorwiegend für den gemeinen Mann bestimmte und
es der Absicht der Geber geradezu entgegen war den Genuſs
einem ausgewählten Kreis zu bereiten. Wie das Publikum be-
schaffen war, zeigt der Auftritt bei den Triumphalspielen 587,
wo die ersten griechischen Flötenbläser, da sie mit ihren Melo-
dien miſsfielen, vom Regisseur angewiesen wurden lieber sich
unter einander zu prügeln, worauf denn der Jubel kein Ende
nehmen wollte. — Unter solchen Verhältnissen muſste freilich
und vor allen Dingen in der Hauptstadt Geld und nichts als
Geld die Losung werden für Hoch und Niedrig. Schon lange
that in Griechenland Niemand etwas umsonst, wie die Grie-
chen selbst eingestanden; seit dem zweiten makedonischen
Krieg fingen die vornehmen Römer an auch in dieser Hin-
sicht zu hellenisiren und es wird schon als etwas Besonderes
angemerkt, daſs Paullus, der Sieger von Pydna, kein Geld
nahm. Man vermied es geradezu zu stehlen; aber alle krum-
men Wege zu schnellem Reichthum schienen erlaubt: Zins-
und Kornwucher, Lieferantenbetrug, Geldheirathen, Verun-
treuung der Beute. Ja das Stimmrecht schon ward einzeln
feil, wenn gleich im Ganzen die Wählerschaft noch zu achtbar
war, als daſs directe Wahlbestechung systematisch hätte be-
trieben werden können. Vor allem aber war es die Verwal-
tung der Provinzialstellen, die bald Ehrenämter nur noch
hieſsen, die als Mittel zu schnellem Reichthum betrachtet
ward; und was das Amt war für die Groſsen, war für den
gemeinen Mann der Kriegsdienst. Die Veteranen aus dem
zweiten makedonischen und dem kleinasiatischen Krieg waren
durchgängig als wohlhabende Leute heimgekehrt. Dies war
die Ursache, weſshalb zum dritten makedonischen Krieg so
zahlreiche Freiwillige sich meldeten; und als Lucius Paullus
ihnen dann nicht hinreichend nach Willen lebte, fehlte wenig
daran, daſs ihm nicht mittelst Volksbeschluſs wesentlich durch
seine eigenen Soldaten die Ehre des Triumphs entzogen wurde.
Selbst solche Dinge, die nach römischer Ansicht für Geld zu
leisten schimpflich war, wie namentlich der Rechtsbeistand,
wurden käuflich, indem der Sachwalter anfing ‚Geschenke‘ zu
nehmen; was dann freilich durch Volksschluſs untersagt ward.
Nur die Rechtswissenschaft hielt sich rein von solcher Schande;
auch ohne Gesetz blieben die Rechtsverständigen bei ihrer ehr-
baren Sitte den guten Rath umsonst zu geben. Aber es war
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Zitationshilfe: | Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/657>, abgerufen am 16.02.2025. |