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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ERSTES BUCH. KAPITEL VI.
eine Einrichtung, nach der kein Ausländer römischen Grund-
besitz erwerben durfte ohne factisch nach Rom überzusiedeln
und dort unter die Insassen, also unter die Kriegspflichtigen
einzutreten. Nach der Grösse der Grundstücke wurde die
kriegspflichtige Mannschaft eingetheilt in fünf ,Ladungen'
(classes, kleseis oder klaseis; wie basis altlateinisch bas-
sis
), von denen indess nur die Pflichtigen der ersten Ladung
oder die Vollhufener in vollständiger Rüstung erscheinen
mussten und insofern vorzugsweise als die zum Kriegsdienst
Berufenen (classici) galten, während von den vier folgenden
Reihen der kleineren Grundbesitzer, den Besitzern von Drei
Vierteln, Hälften, Vierteln und Achteln einer ganzen Bauer-
stelle, zwar auch die Erfüllung der Dienstpflicht, nicht aber
die volle Armirung verlangt ward. Nach der damaligen Ver-
theilung des Bodens waren fast die Hälfte der Bauerstellen
Vollhufen, während die Dreiviertel-, Halb- und Viertelhufener
jede knapp, die Achtelhufner reichlich ein Achtel der Ansäs-
sigen ausmachten; wesshalb festgesetzt ward, dass für das
Fussvolk auf achtzig Vollhufner je zwanzig der drei folgenden
und achtundzwanzig der letzten Reihe ausgehoben werden
sollten. Während hier auf den politischen Unterschied keine
Rücksicht genommen ward, verfuhr man dagegen bei der Bil-
dung der Reiterei so, dass die bestehende Bürgercavallerie
beibehalten, daneben aber eine doppelt so starke Truppe hin-
zugefügt ward, die ganz oder doch grösstentheils aus Nicht-
bürgern bestand. Der Grund dieser Abweichung ist wohl
darin zu suchen, dass man damals die Infanterieabtheilungen
für jeden Feldzug neu formirte und nach der Heimkehr entliess,
dagegen in den Abtheilungen der Cavallerie Rosse wie Män-
ner aus militärischen Rücksichten auch im Frieden zusammen-
gehalten wurden und regelmässige Uebungen hielten, die als
Festlichkeiten der römischen Ritterschaft bis in die späteste
Zeit fortbestanden. So ist es gekommen, dass das erste Drittel
der Rittercenturien auch in dieser sonst principiell den Unter-
schied zwischen Bürgern und Nichtbürgern nicht berücksich-
tigenden Verfassung ausschliesslich den Bürgern verblieb; nicht
politische, sondern militärische Gründe haben diese Anomalie
hervorgerufen. Zur Reiterei nahm man die vermögendsten
und ansehnlichsten Grundbesitzer unter Bürgern und Nicht-
bürgern, und es scheint schon früh, vielleicht von Anfang an
ein gewisses Ackermass als zum Reiterdienst verpflichtend ge-
golten zu haben; doch bestanden daneben eine Anzahl Frei-

ERSTES BUCH. KAPITEL VI.
eine Einrichtung, nach der kein Ausländer römischen Grund-
besitz erwerben durfte ohne factisch nach Rom überzusiedeln
und dort unter die Insassen, also unter die Kriegspflichtigen
einzutreten. Nach der Gröſse der Grundstücke wurde die
kriegspflichtige Mannschaft eingetheilt in fünf ‚Ladungen‘
(classes, ϰλήσεις oder ϰλάσεις; wie βάσις altlateinisch bas-
sis
), von denen indeſs nur die Pflichtigen der ersten Ladung
oder die Vollhufener in vollständiger Rüstung erscheinen
muſsten und insofern vorzugsweise als die zum Kriegsdienst
Berufenen (classici) galten, während von den vier folgenden
Reihen der kleineren Grundbesitzer, den Besitzern von Drei
Vierteln, Hälften, Vierteln und Achteln einer ganzen Bauer-
stelle, zwar auch die Erfüllung der Dienstpflicht, nicht aber
die volle Armirung verlangt ward. Nach der damaligen Ver-
theilung des Bodens waren fast die Hälfte der Bauerstellen
Vollhufen, während die Dreiviertel-, Halb- und Viertelhufener
jede knapp, die Achtelhufner reichlich ein Achtel der Ansäs-
sigen ausmachten; weſshalb festgesetzt ward, daſs für das
Fuſsvolk auf achtzig Vollhufner je zwanzig der drei folgenden
und achtundzwanzig der letzten Reihe ausgehoben werden
sollten. Während hier auf den politischen Unterschied keine
Rücksicht genommen ward, verfuhr man dagegen bei der Bil-
dung der Reiterei so, daſs die bestehende Bürgercavallerie
beibehalten, daneben aber eine doppelt so starke Truppe hin-
zugefügt ward, die ganz oder doch gröſstentheils aus Nicht-
bürgern bestand. Der Grund dieser Abweichung ist wohl
darin zu suchen, daſs man damals die Infanterieabtheilungen
für jeden Feldzug neu formirte und nach der Heimkehr entlieſs,
dagegen in den Abtheilungen der Cavallerie Rosse wie Män-
ner aus militärischen Rücksichten auch im Frieden zusammen-
gehalten wurden und regelmäſsige Uebungen hielten, die als
Festlichkeiten der römischen Ritterschaft bis in die späteste
Zeit fortbestanden. So ist es gekommen, daſs das erste Drittel
der Rittercenturien auch in dieser sonst principiell den Unter-
schied zwischen Bürgern und Nichtbürgern nicht berücksich-
tigenden Verfassung ausschlieſslich den Bürgern verblieb; nicht
politische, sondern militärische Gründe haben diese Anomalie
hervorgerufen. Zur Reiterei nahm man die vermögendsten
und ansehnlichsten Grundbesitzer unter Bürgern und Nicht-
bürgern, und es scheint schon früh, vielleicht von Anfang an
ein gewisses Ackermaſs als zum Reiterdienst verpflichtend ge-
golten zu haben; doch bestanden daneben eine Anzahl Frei-

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[68/0082] ERSTES BUCH. KAPITEL VI. eine Einrichtung, nach der kein Ausländer römischen Grund- besitz erwerben durfte ohne factisch nach Rom überzusiedeln und dort unter die Insassen, also unter die Kriegspflichtigen einzutreten. Nach der Gröſse der Grundstücke wurde die kriegspflichtige Mannschaft eingetheilt in fünf ‚Ladungen‘ (classes, ϰλήσεις oder ϰλάσεις; wie βάσις altlateinisch bas- sis), von denen indeſs nur die Pflichtigen der ersten Ladung oder die Vollhufener in vollständiger Rüstung erscheinen muſsten und insofern vorzugsweise als die zum Kriegsdienst Berufenen (classici) galten, während von den vier folgenden Reihen der kleineren Grundbesitzer, den Besitzern von Drei Vierteln, Hälften, Vierteln und Achteln einer ganzen Bauer- stelle, zwar auch die Erfüllung der Dienstpflicht, nicht aber die volle Armirung verlangt ward. Nach der damaligen Ver- theilung des Bodens waren fast die Hälfte der Bauerstellen Vollhufen, während die Dreiviertel-, Halb- und Viertelhufener jede knapp, die Achtelhufner reichlich ein Achtel der Ansäs- sigen ausmachten; weſshalb festgesetzt ward, daſs für das Fuſsvolk auf achtzig Vollhufner je zwanzig der drei folgenden und achtundzwanzig der letzten Reihe ausgehoben werden sollten. Während hier auf den politischen Unterschied keine Rücksicht genommen ward, verfuhr man dagegen bei der Bil- dung der Reiterei so, daſs die bestehende Bürgercavallerie beibehalten, daneben aber eine doppelt so starke Truppe hin- zugefügt ward, die ganz oder doch gröſstentheils aus Nicht- bürgern bestand. Der Grund dieser Abweichung ist wohl darin zu suchen, daſs man damals die Infanterieabtheilungen für jeden Feldzug neu formirte und nach der Heimkehr entlieſs, dagegen in den Abtheilungen der Cavallerie Rosse wie Män- ner aus militärischen Rücksichten auch im Frieden zusammen- gehalten wurden und regelmäſsige Uebungen hielten, die als Festlichkeiten der römischen Ritterschaft bis in die späteste Zeit fortbestanden. So ist es gekommen, daſs das erste Drittel der Rittercenturien auch in dieser sonst principiell den Unter- schied zwischen Bürgern und Nichtbürgern nicht berücksich- tigenden Verfassung ausschlieſslich den Bürgern verblieb; nicht politische, sondern militärische Gründe haben diese Anomalie hervorgerufen. Zur Reiterei nahm man die vermögendsten und ansehnlichsten Grundbesitzer unter Bürgern und Nicht- bürgern, und es scheint schon früh, vielleicht von Anfang an ein gewisses Ackermaſs als zum Reiterdienst verpflichtend ge- golten zu haben; doch bestanden daneben eine Anzahl Frei-

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/82>, abgerufen am 21.11.2024.