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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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gigen Striche, deren dünne Bevölkerung den Einwanderern
wich oder sich unterwarf, während dagegen in dem ebenen
apulischen Küstenland, unter steten Fehden namentlich an der
Nordgrenze um Luceria und Arpi, doch im Ganzen die alte
einheimische Bevölkerung der Iapyger sich behauptete. Wann
diese Wanderungen stattfanden, lässt sich natürlich nicht be-
stimmen; vermuthlich aber doch um die Zeit wo die Könige
über Rom herrschten. Die Sage erzählt, dass die Sabiner,
gedrängt von den Umbrern, einen Lenz gelobten, das heisst
schwuren die in dem Kriegsjahre geborenen Söhne und Töch-
ter, nachdem sie erwachsen wären, auszusenden, um den Göt-
tern der Heimath auswärts neue Sitze zu gründen. Den einen
Schwarm führte der Stier des Mars; das wurden die Safiner
oder Samniten, die zuerst sich festsetzten auf den Bergen am
Sagrusfluss und in späterer Zeit von da aus die schöne Ebene
östlich vom Matesegebirg an den Quellen des Tifernus besetz-
ten, und im alten wie im neuen Gebiet ihre Dingstätte, dort
bei Agnone, hier bei Boiano gelegen, von dem Stier, der sie
leitete, Bovianum nannten. Einen zweiten Haufen führte der
Specht des Mars: das wurden die Picenter, das Spechtvolk,
das die heutige anconitanische Mark gewann; einen dritten
der Wolf (hirpus) in die Gegend von Benevent: das wurden
die Hirpiner. In ähnlicher Weise zweigten von dem gemein-
schaftlichen Stamm sich die übrigen kleinen Völkerschaften
ab: die Praetuttier, bei Teramo; die Vestiner, am Gran Sasso;
die Marruciner, bei Chieti; die Frentraner an der apulischen
Grenze; die Paeligner, am Majellagebirg; die Marser endlich
am Fucinersee, die mit den Volskern und den Latinern sich
berührten. In ihnen allen blieb das Gefühl der Verwandt-
schaft und der Herkunft aus dem Sabinerlande lebendig, wie
es denn in jenen Sagen deutlich sich ausspricht. Während
die Umbrer im ungleichen Kampf erlagen und die westlichen
Ausläufer des gleichen Stammes mit der latinischen oder hel-
lenischen Bevölkerung verschmolzen, gediehen die sabellischen
Stämme in der Abgeschlossenheit des fernen Gebirgslandes,
gleich entrückt dem Anstoss der Etrusker, der Latiner und
der Griechen. Städtisches Leben entwickelte bei ihnen sich
nicht oder nur in geringem Grad; für den Handelsverkehr
lagen sie zu fern und dem Bedürfniss der Vertheidigung ge-
nügten die Bergspitzen und die Schutzburgen, während die
Bauern wohnen blieben in den offenen Weilern oder auch
wo Wald und Quell oder Wiese einem Jeden gefiel. In den

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gigen Striche, deren dünne Bevölkerung den Einwanderern
wich oder sich unterwarf, während dagegen in dem ebenen
apulischen Küstenland, unter steten Fehden namentlich an der
Nordgrenze um Luceria und Arpi, doch im Ganzen die alte
einheimische Bevölkerung der Iapyger sich behauptete. Wann
diese Wanderungen stattfanden, läſst sich natürlich nicht be-
stimmen; vermuthlich aber doch um die Zeit wo die Könige
über Rom herrschten. Die Sage erzählt, daſs die Sabiner,
gedrängt von den Umbrern, einen Lenz gelobten, das heiſst
schwuren die in dem Kriegsjahre geborenen Söhne und Töch-
ter, nachdem sie erwachsen wären, auszusenden, um den Göt-
tern der Heimath auswärts neue Sitze zu gründen. Den einen
Schwarm führte der Stier des Mars; das wurden die Safiner
oder Samniten, die zuerst sich festsetzten auf den Bergen am
Sagrusfluſs und in späterer Zeit von da aus die schöne Ebene
östlich vom Matesegebirg an den Quellen des Tifernus besetz-
ten, und im alten wie im neuen Gebiet ihre Dingstätte, dort
bei Agnone, hier bei Boiano gelegen, von dem Stier, der sie
leitete, Bovianum nannten. Einen zweiten Haufen führte der
Specht des Mars: das wurden die Picenter, das Spechtvolk,
das die heutige anconitanische Mark gewann; einen dritten
der Wolf (hirpus) in die Gegend von Benevent: das wurden
die Hirpiner. In ähnlicher Weise zweigten von dem gemein-
schaftlichen Stamm sich die übrigen kleinen Völkerschaften
ab: die Praetuttier, bei Teramo; die Vestiner, am Gran Sasso;
die Marruciner, bei Chieti; die Frentraner an der apulischen
Grenze; die Paeligner, am Majellagebirg; die Marser endlich
am Fucinersee, die mit den Volskern und den Latinern sich
berührten. In ihnen allen blieb das Gefühl der Verwandt-
schaft und der Herkunft aus dem Sabinerlande lebendig, wie
es denn in jenen Sagen deutlich sich ausspricht. Während
die Umbrer im ungleichen Kampf erlagen und die westlichen
Ausläufer des gleichen Stammes mit der latinischen oder hel-
lenischen Bevölkerung verschmolzen, gediehen die sabellischen
Stämme in der Abgeschlossenheit des fernen Gebirgslandes,
gleich entrückt dem Anstoſs der Etrusker, der Latiner und
der Griechen. Städtisches Leben entwickelte bei ihnen sich
nicht oder nur in geringem Grad; für den Handelsverkehr
lagen sie zu fern und dem Bedürfniſs der Vertheidigung ge-
nügten die Bergspitzen und die Schutzburgen, während die
Bauern wohnen blieben in den offenen Weilern oder auch
wo Wald und Quell oder Wiese einem Jeden gefiel. In den

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[76/0090] ERSTES BUCH. KAPITEL VIII. gigen Striche, deren dünne Bevölkerung den Einwanderern wich oder sich unterwarf, während dagegen in dem ebenen apulischen Küstenland, unter steten Fehden namentlich an der Nordgrenze um Luceria und Arpi, doch im Ganzen die alte einheimische Bevölkerung der Iapyger sich behauptete. Wann diese Wanderungen stattfanden, läſst sich natürlich nicht be- stimmen; vermuthlich aber doch um die Zeit wo die Könige über Rom herrschten. Die Sage erzählt, daſs die Sabiner, gedrängt von den Umbrern, einen Lenz gelobten, das heiſst schwuren die in dem Kriegsjahre geborenen Söhne und Töch- ter, nachdem sie erwachsen wären, auszusenden, um den Göt- tern der Heimath auswärts neue Sitze zu gründen. Den einen Schwarm führte der Stier des Mars; das wurden die Safiner oder Samniten, die zuerst sich festsetzten auf den Bergen am Sagrusfluſs und in späterer Zeit von da aus die schöne Ebene östlich vom Matesegebirg an den Quellen des Tifernus besetz- ten, und im alten wie im neuen Gebiet ihre Dingstätte, dort bei Agnone, hier bei Boiano gelegen, von dem Stier, der sie leitete, Bovianum nannten. Einen zweiten Haufen führte der Specht des Mars: das wurden die Picenter, das Spechtvolk, das die heutige anconitanische Mark gewann; einen dritten der Wolf (hirpus) in die Gegend von Benevent: das wurden die Hirpiner. In ähnlicher Weise zweigten von dem gemein- schaftlichen Stamm sich die übrigen kleinen Völkerschaften ab: die Praetuttier, bei Teramo; die Vestiner, am Gran Sasso; die Marruciner, bei Chieti; die Frentraner an der apulischen Grenze; die Paeligner, am Majellagebirg; die Marser endlich am Fucinersee, die mit den Volskern und den Latinern sich berührten. In ihnen allen blieb das Gefühl der Verwandt- schaft und der Herkunft aus dem Sabinerlande lebendig, wie es denn in jenen Sagen deutlich sich ausspricht. Während die Umbrer im ungleichen Kampf erlagen und die westlichen Ausläufer des gleichen Stammes mit der latinischen oder hel- lenischen Bevölkerung verschmolzen, gediehen die sabellischen Stämme in der Abgeschlossenheit des fernen Gebirgslandes, gleich entrückt dem Anstoſs der Etrusker, der Latiner und der Griechen. Städtisches Leben entwickelte bei ihnen sich nicht oder nur in geringem Grad; für den Handelsverkehr lagen sie zu fern und dem Bedürfniſs der Vertheidigung ge- nügten die Bergspitzen und die Schutzburgen, während die Bauern wohnen blieben in den offenen Weilern oder auch wo Wald und Quell oder Wiese einem Jeden gefiel. In den

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/90>, abgerufen am 21.11.2024.