Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL III. tragen, doch ungemein viel dazu beigetragen hat der Ritterschaftden Stempel eines Standes und zwar eines privilegirten zwischen der senatorischen Klasse und dem gemeinen Volk stehenden auf- zudrücken. -- Dieser Stand der Ritter, das heisst wesentlich der vermögenden Kaufleute hatte vielfältig unsanfte Berührungen mit dem regierenden Senat. Es war eine natürliche Antipathie zwi- schen den vornehmen Adlichen und den Männern, denen mit dem Gelde der Rang gekommen war. Die regierenden Herren, vor allem die besseren von ihnen, standen den Speculationen eben so fern wie die politischen Fragen und die Coteriefehden den Männern der materiellen Interessen gleichgültig waren. In den Provinzen namentlich hatten zwar die Provinzialen weit mehr Grund sich über die Parteilichkeit der römischen Beamten zu beschweren als die römischen Capitalisten; dennoch waren auch diese mit den Beamten schon öfter hart zusammengesto- ssen, wenn die letzteren sich nicht dazu herbeilassen wollten den Begehrlichkeiten und Unrechtfertigkeiten der Geldmänner auf Ko- sten der Unterthanen so unbedingt die Hand zu leihen wie es von ihnen begehrt ward. Trotz der Eintracht gegen einen gemein- schaftlichen Feind, wie Tiberius Gracchus gewesen war, klaffte zwischen der Adels- und der Geldaristokratie ein tiefgehender Riss; geschickter als sein Bruder erweiterte ihn Gracchus, bis das Bündniss gesprengt war und er die Kaufmannschaft auf seine Seite zog. Die Partei der materiellen Interessen fällt von Rechtswegen dem Meistbietenden zu; Gracchus warb sie um den Preis der asiatischen Gefälle und der Geschwornen- gerichte. -- Die in den Aemtern bestehende Finanzverwaltung gewährte bei den indirecten Steuern und der Domanialnutzung durch das System der Mittelsmänner dem römischen Capita- listenstand schon auf Kosten der Contribuablen die ausgedehn- testen Vortheile. Die directen Abgaben indess bestanden entwe- der, wie in den meisten Aemtern, in festen von den Gemeinden zu entrichtenden Geldsummen, oder, wie in Sicilien und Sardi- nien, in einem Bodenzehnten, dessen Erhebung für jede einzelne Gemeinde in den Provinzen selbst verpachtet ward. Das erstere System schloss die Dazwischenkunft römischer Capitalisten ganz aus; das zweite gestattete wenigstens den vermögenderen Provin- zialen und namentlich den zehntpflichtigen Gemeinden selbst den Zehnten ihrer Districte zu pachten und dadurch die gefährli- chen römischen Mittelsmänner sich fern zu halten. Als sechs Jahre zuvor die Provinz Asia an die Römer gefallen war, hatte der Senat sie im Wesentlichen nach dem ersten System einrichten las- VIERTES BUCH. KAPITEL III. tragen, doch ungemein viel dazu beigetragen hat der Ritterschaftden Stempel eines Standes und zwar eines privilegirten zwischen der senatorischen Klasse und dem gemeinen Volk stehenden auf- zudrücken. — Dieser Stand der Ritter, das heiſst wesentlich der vermögenden Kaufleute hatte vielfältig unsanfte Berührungen mit dem regierenden Senat. Es war eine natürliche Antipathie zwi- schen den vornehmen Adlichen und den Männern, denen mit dem Gelde der Rang gekommen war. Die regierenden Herren, vor allem die besseren von ihnen, standen den Speculationen eben so fern wie die politischen Fragen und die Coteriefehden den Männern der materiellen Interessen gleichgültig waren. In den Provinzen namentlich hatten zwar die Provinzialen weit mehr Grund sich über die Parteilichkeit der römischen Beamten zu beschweren als die römischen Capitalisten; dennoch waren auch diese mit den Beamten schon öfter hart zusammengesto- ſsen, wenn die letzteren sich nicht dazu herbeilassen wollten den Begehrlichkeiten und Unrechtfertigkeiten der Geldmänner auf Ko- sten der Unterthanen so unbedingt die Hand zu leihen wie es von ihnen begehrt ward. Trotz der Eintracht gegen einen gemein- schaftlichen Feind, wie Tiberius Gracchus gewesen war, klaffte zwischen der Adels- und der Geldaristokratie ein tiefgehender Riſs; geschickter als sein Bruder erweiterte ihn Gracchus, bis das Bündniſs gesprengt war und er die Kaufmannschaft auf seine Seite zog. Die Partei der materiellen Interessen fällt von Rechtswegen dem Meistbietenden zu; Gracchus warb sie um den Preis der asiatischen Gefälle und der Geschwornen- gerichte. — Die in den Aemtern bestehende Finanzverwaltung gewährte bei den indirecten Steuern und der Domanialnutzung durch das System der Mittelsmänner dem römischen Capita- listenstand schon auf Kosten der Contribuablen die ausgedehn- testen Vortheile. Die directen Abgaben indeſs bestanden entwe- der, wie in den meisten Aemtern, in festen von den Gemeinden zu entrichtenden Geldsummen, oder, wie in Sicilien und Sardi- nien, in einem Bodenzehnten, dessen Erhebung für jede einzelne Gemeinde in den Provinzen selbst verpachtet ward. Das erstere System schloſs die Dazwischenkunft römischer Capitalisten ganz aus; das zweite gestattete wenigstens den vermögenderen Provin- zialen und namentlich den zehntpflichtigen Gemeinden selbst den Zehnten ihrer Districte zu pachten und dadurch die gefährli- chen römischen Mittelsmänner sich fern zu halten. Als sechs Jahre zuvor die Provinz Asia an die Römer gefallen war, hatte der Senat sie im Wesentlichen nach dem ersten System einrichten las- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0114" n="104"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL III.</fw><lb/> tragen, doch ungemein viel dazu beigetragen hat der Ritterschaft<lb/> den Stempel eines Standes und zwar eines privilegirten zwischen<lb/> der senatorischen Klasse und dem gemeinen Volk stehenden auf-<lb/> zudrücken. — Dieser Stand der Ritter, das heiſst wesentlich der<lb/> vermögenden Kaufleute hatte vielfältig unsanfte Berührungen mit<lb/> dem regierenden Senat. Es war eine natürliche Antipathie zwi-<lb/> schen den vornehmen Adlichen und den Männern, denen mit<lb/> dem Gelde der Rang gekommen war. Die regierenden Herren,<lb/> vor allem die besseren von ihnen, standen den Speculationen<lb/> eben so fern wie die politischen Fragen und die Coteriefehden<lb/> den Männern der materiellen Interessen gleichgültig waren. In<lb/> den Provinzen namentlich hatten zwar die Provinzialen weit<lb/> mehr Grund sich über die Parteilichkeit der römischen Beamten<lb/> zu beschweren als die römischen Capitalisten; dennoch waren<lb/> auch diese mit den Beamten schon öfter hart zusammengesto-<lb/> ſsen, wenn die letzteren sich nicht dazu herbeilassen wollten den<lb/> Begehrlichkeiten und Unrechtfertigkeiten der Geldmänner auf Ko-<lb/> sten der Unterthanen so unbedingt die Hand zu leihen wie es von<lb/> ihnen begehrt ward. Trotz der Eintracht gegen einen gemein-<lb/> schaftlichen Feind, wie Tiberius Gracchus gewesen war, klaffte<lb/> zwischen der Adels- und der Geldaristokratie ein tiefgehender<lb/> Riſs; geschickter als sein Bruder erweiterte ihn Gracchus, bis<lb/> das Bündniſs gesprengt war und er die Kaufmannschaft auf<lb/> seine Seite zog. Die Partei der materiellen Interessen fällt<lb/> von Rechtswegen dem Meistbietenden zu; Gracchus warb sie<lb/> um den Preis der asiatischen Gefälle und der Geschwornen-<lb/> gerichte. — Die in den Aemtern bestehende Finanzverwaltung<lb/> gewährte bei den indirecten Steuern und der Domanialnutzung<lb/> durch das System der Mittelsmänner dem römischen Capita-<lb/> listenstand schon auf Kosten der Contribuablen die ausgedehn-<lb/> testen Vortheile. 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VIERTES BUCH. KAPITEL III.
tragen, doch ungemein viel dazu beigetragen hat der Ritterschaft
den Stempel eines Standes und zwar eines privilegirten zwischen
der senatorischen Klasse und dem gemeinen Volk stehenden auf-
zudrücken. — Dieser Stand der Ritter, das heiſst wesentlich der
vermögenden Kaufleute hatte vielfältig unsanfte Berührungen mit
dem regierenden Senat. Es war eine natürliche Antipathie zwi-
schen den vornehmen Adlichen und den Männern, denen mit
dem Gelde der Rang gekommen war. Die regierenden Herren,
vor allem die besseren von ihnen, standen den Speculationen
eben so fern wie die politischen Fragen und die Coteriefehden
den Männern der materiellen Interessen gleichgültig waren. In
den Provinzen namentlich hatten zwar die Provinzialen weit
mehr Grund sich über die Parteilichkeit der römischen Beamten
zu beschweren als die römischen Capitalisten; dennoch waren
auch diese mit den Beamten schon öfter hart zusammengesto-
ſsen, wenn die letzteren sich nicht dazu herbeilassen wollten den
Begehrlichkeiten und Unrechtfertigkeiten der Geldmänner auf Ko-
sten der Unterthanen so unbedingt die Hand zu leihen wie es von
ihnen begehrt ward. Trotz der Eintracht gegen einen gemein-
schaftlichen Feind, wie Tiberius Gracchus gewesen war, klaffte
zwischen der Adels- und der Geldaristokratie ein tiefgehender
Riſs; geschickter als sein Bruder erweiterte ihn Gracchus, bis
das Bündniſs gesprengt war und er die Kaufmannschaft auf
seine Seite zog. Die Partei der materiellen Interessen fällt
von Rechtswegen dem Meistbietenden zu; Gracchus warb sie
um den Preis der asiatischen Gefälle und der Geschwornen-
gerichte. — Die in den Aemtern bestehende Finanzverwaltung
gewährte bei den indirecten Steuern und der Domanialnutzung
durch das System der Mittelsmänner dem römischen Capita-
listenstand schon auf Kosten der Contribuablen die ausgedehn-
testen Vortheile. Die directen Abgaben indeſs bestanden entwe-
der, wie in den meisten Aemtern, in festen von den Gemeinden
zu entrichtenden Geldsummen, oder, wie in Sicilien und Sardi-
nien, in einem Bodenzehnten, dessen Erhebung für jede einzelne
Gemeinde in den Provinzen selbst verpachtet ward. Das erstere
System schloſs die Dazwischenkunft römischer Capitalisten ganz
aus; das zweite gestattete wenigstens den vermögenderen Provin-
zialen und namentlich den zehntpflichtigen Gemeinden selbst
den Zehnten ihrer Districte zu pachten und dadurch die gefährli-
chen römischen Mittelsmänner sich fern zu halten. Als sechs
Jahre zuvor die Provinz Asia an die Römer gefallen war, hatte der
Senat sie im Wesentlichen nach dem ersten System einrichten las-
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