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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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MARIUS UND DRUSUS.
straften, wie schon erwähnt ward, die Ritter in ihren Gerichten.
Das Jahr darauf (656) machte ein von den beiden Consuln ein-
gebrachtes Gesetz die übliche siebzehntägige Frist zwischen Ein-
und Durchbringung eines Gesetzvorschlags obligatorisch und
verbot mehrere verschiedenartige Bestimmungen in einem Antrag
zusammenzufassen; wodurch die unvernünftige Ausdehnung der
legislatorischen Initiative wenigstens etwas beschränkt und of-
fenbare Ueberrumpelungen der Regierung durch neue Gesetze
abgewehrt wurden. Immer deutlicher zeigte es sich, dass die
gracchische Verfassung, die den Sturz ihres Urhebers überdauert
hatte, jetzt in ihren Grundfesten schwankte, seit die Menge und
die Geldaristokratie nicht mehr zusammengingen. Wie diese
Verfassung geruht hatte auf der Spaltung der Aristokratie, so
schien sie mit der Zwiespältigkeit der Opposition stürzen zu
müssen. Wenn jemals so schien jetzt die Zeit gekommen um
das unvollkommene Restaurationswerk von 633 zu vollenden,
um dem Tyrannen endlich auch seine Verfassung nachzusenden
und die regierende Oligarchie in den Alleinbesitz der politischen
Gewalt wieder einzusetzen.

Es kam alles an auf die Wiedergewinnung der Geschwor-
nenstellen. Die Verwaltung der Provinzen, auf der die Gewalt
des Senats vorwiegend, ja fast allein beruhte, war namentlich
durch die Commission wegen Erpressungen von den Geschwor-
nengerichten vollständig abhängig geworden, so dass der Statt-
halter die Provinz nicht mehr für den Senat, sondern für den
Capitalisten- und Kaufmannsstand zu verwalten schien. Wie
bereitwillig immer sie der Regierung entgegenkam, wenn es um
Massregeln gegen die Demokraten sich handelte, so unnachsicht-
lich ahndete die Geldaristokratie jeden Versuch sie in diesen ihren
wohlerworbenen Rechten zu beschränken. Es fehlte an solchen
Versuchen nicht ganz; die regierende Aristokratie fing wieder an
sich zu fühlen und eben ihre besten Männer hielten sich verpflich-
tet der entsetzlichen Misswirthschaft in den Provinzen wenigstens
für ihre Person entgegenzutreten. Am entschlossensten that dies
Quintus Mucius Scaevola, gleich seinem Vater Publius Oberpon-
tifex und im J. 659 Consul, der erste Jurist und einer der vor-
züglichsten Männer seiner Zeit. In seiner Praetur (um 656) sta-
tuirte er als Statthalter von Asia, der reichsten und gemisshan-
delsten unter allen Provinzen, in Gemeinschaft mit seinem äl-
teren, als Offizier, Jurist und Geschichtschreiber ausgezeichneten
Freunde, dem Consular Publius Rutilius Rufus ein ernstes und
abschreckendes Exempel. Ohne einen Unterschied zwischen Itali-

MARIUS UND DRUSUS.
straften, wie schon erwähnt ward, die Ritter in ihren Gerichten.
Das Jahr darauf (656) machte ein von den beiden Consuln ein-
gebrachtes Gesetz die übliche siebzehntägige Frist zwischen Ein-
und Durchbringung eines Gesetzvorschlags obligatorisch und
verbot mehrere verschiedenartige Bestimmungen in einem Antrag
zusammenzufassen; wodurch die unvernünftige Ausdehnung der
legislatorischen Initiative wenigstens etwas beschränkt und of-
fenbare Ueberrumpelungen der Regierung durch neue Gesetze
abgewehrt wurden. Immer deutlicher zeigte es sich, daſs die
gracchische Verfassung, die den Sturz ihres Urhebers überdauert
hatte, jetzt in ihren Grundfesten schwankte, seit die Menge und
die Geldaristokratie nicht mehr zusammengingen. Wie diese
Verfassung geruht hatte auf der Spaltung der Aristokratie, so
schien sie mit der Zwiespältigkeit der Opposition stürzen zu
müssen. Wenn jemals so schien jetzt die Zeit gekommen um
das unvollkommene Restaurationswerk von 633 zu vollenden,
um dem Tyrannen endlich auch seine Verfassung nachzusenden
und die regierende Oligarchie in den Alleinbesitz der politischen
Gewalt wieder einzusetzen.

Es kam alles an auf die Wiedergewinnung der Geschwor-
nenstellen. Die Verwaltung der Provinzen, auf der die Gewalt
des Senats vorwiegend, ja fast allein beruhte, war namentlich
durch die Commission wegen Erpressungen von den Geschwor-
nengerichten vollständig abhängig geworden, so daſs der Statt-
halter die Provinz nicht mehr für den Senat, sondern für den
Capitalisten- und Kaufmannsstand zu verwalten schien. Wie
bereitwillig immer sie der Regierung entgegenkam, wenn es um
Maſsregeln gegen die Demokraten sich handelte, so unnachsicht-
lich ahndete die Geldaristokratie jeden Versuch sie in diesen ihren
wohlerworbenen Rechten zu beschränken. Es fehlte an solchen
Versuchen nicht ganz; die regierende Aristokratie fing wieder an
sich zu fühlen und eben ihre besten Männer hielten sich verpflich-
tet der entsetzlichen Miſswirthschaft in den Provinzen wenigstens
für ihre Person entgegenzutreten. Am entschlossensten that dies
Quintus Mucius Scaevola, gleich seinem Vater Publius Oberpon-
tifex und im J. 659 Consul, der erste Jurist und einer der vor-
züglichsten Männer seiner Zeit. In seiner Praetur (um 656) sta-
tuirte er als Statthalter von Asia, der reichsten und gemiſshan-
delsten unter allen Provinzen, in Gemeinschaft mit seinem äl-
teren, als Offizier, Jurist und Geschichtschreiber ausgezeichneten
Freunde, dem Consular Publius Rutilius Rufus ein ernstes und
abschreckendes Exempel. Ohne einen Unterschied zwischen Itali-

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[201/0211] MARIUS UND DRUSUS. straften, wie schon erwähnt ward, die Ritter in ihren Gerichten. Das Jahr darauf (656) machte ein von den beiden Consuln ein- gebrachtes Gesetz die übliche siebzehntägige Frist zwischen Ein- und Durchbringung eines Gesetzvorschlags obligatorisch und verbot mehrere verschiedenartige Bestimmungen in einem Antrag zusammenzufassen; wodurch die unvernünftige Ausdehnung der legislatorischen Initiative wenigstens etwas beschränkt und of- fenbare Ueberrumpelungen der Regierung durch neue Gesetze abgewehrt wurden. Immer deutlicher zeigte es sich, daſs die gracchische Verfassung, die den Sturz ihres Urhebers überdauert hatte, jetzt in ihren Grundfesten schwankte, seit die Menge und die Geldaristokratie nicht mehr zusammengingen. Wie diese Verfassung geruht hatte auf der Spaltung der Aristokratie, so schien sie mit der Zwiespältigkeit der Opposition stürzen zu müssen. Wenn jemals so schien jetzt die Zeit gekommen um das unvollkommene Restaurationswerk von 633 zu vollenden, um dem Tyrannen endlich auch seine Verfassung nachzusenden und die regierende Oligarchie in den Alleinbesitz der politischen Gewalt wieder einzusetzen. Es kam alles an auf die Wiedergewinnung der Geschwor- nenstellen. Die Verwaltung der Provinzen, auf der die Gewalt des Senats vorwiegend, ja fast allein beruhte, war namentlich durch die Commission wegen Erpressungen von den Geschwor- nengerichten vollständig abhängig geworden, so daſs der Statt- halter die Provinz nicht mehr für den Senat, sondern für den Capitalisten- und Kaufmannsstand zu verwalten schien. Wie bereitwillig immer sie der Regierung entgegenkam, wenn es um Maſsregeln gegen die Demokraten sich handelte, so unnachsicht- lich ahndete die Geldaristokratie jeden Versuch sie in diesen ihren wohlerworbenen Rechten zu beschränken. Es fehlte an solchen Versuchen nicht ganz; die regierende Aristokratie fing wieder an sich zu fühlen und eben ihre besten Männer hielten sich verpflich- tet der entsetzlichen Miſswirthschaft in den Provinzen wenigstens für ihre Person entgegenzutreten. Am entschlossensten that dies Quintus Mucius Scaevola, gleich seinem Vater Publius Oberpon- tifex und im J. 659 Consul, der erste Jurist und einer der vor- züglichsten Männer seiner Zeit. In seiner Praetur (um 656) sta- tuirte er als Statthalter von Asia, der reichsten und gemiſshan- delsten unter allen Provinzen, in Gemeinschaft mit seinem äl- teren, als Offizier, Jurist und Geschichtschreiber ausgezeichneten Freunde, dem Consular Publius Rutilius Rufus ein ernstes und abschreckendes Exempel. Ohne einen Unterschied zwischen Itali-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/211>, abgerufen am 26.11.2024.