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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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EMPÖRUNG DER ITALIKER.
schätzbaren Anhalt, während die militärische daran anknüpfen
konnte, dass jede Bundesstadt ihr eigenes Heerwesen und er-
probte Soldaten besass. Andrerseits war man in Rom auf nichts
ernstlich gefasst. Man vernahm wohl davon, dass unruhige Be-
wegungen in Italien stattfänden und die bundesgenössischen Ge-
meinden mit einander in einem auffallenden Verkehr ständen;
aber statt schleunigst die Bürger unter die Waffen zu rufen, be-
gnügte das regierende Collegium sich damit in herkömmlicher
Art die Beamten zur Wachsamkeit zu ermahnen und Spione aus-
zusenden um etwas Genaueres zu erfahren. Die Hauptstadt war
so völlig unvertheidigt, dass ein entschlossener marsischer Offi-
zier Quintus Pompaedius Silo, einer von den vertrautesten Freun-
den des Drusus, den Plan entworfen haben soll sich an der Spitze
einer Schaar zuverlässiger mit Schwertern unter den Gewändern
bewaffneter Männer in dieselbe einzuschleichen und durch einen
Handstreich derselben sich zu bemächtigen. Ein Aufstand berei-
tete sich vor; Verträge wurden geschlossen, die Rüstungen still
und thätig betrieben, bis endlich wie gewöhnlich die Insurrection
noch etwas früher, als die leitenden Männer beabsichtigt hatten,
durch einen Zufall zum Ausbruch kam. Der römische Praetor
mit proconsularischer Gewalt Gaius Servilius, durch seine Kund-
schafter davon benachrichtigt, dass die Stadt Asculum (Ascoli)
in den Abruzzen an die Nachbargemeinden Geisseln sende, begab
sich mit seinem Legaten Fonteius und wenigem Gefolge dorthin
und richtete an die eben zur Feier der grossen Spiele im Theater
versammelte Menge eine donnernde Drohrede. Der Anblick der
nur zu bekannten Beile, die Verkündigung der nur zu ernst ge-
meinten Drohungen warf den Funken in den seit Jahrhunderten
aufgehäuften Zunder des erbitterten Hasses; die römischen Be-
amten wurden im Theater selbst von der Menge zerrissen und
sofort, gleich als gelte es durch einen furchtbaren Frevel jede
Brücke der Versöhnung abzubrechen, die Thore auf Befehl der
Obrigkeit geschlossen, die sämmtlichen in Asculum verweilenden
Römer niedergemacht und ihre Habe geplündert. Wie die Flamme
durch die Steppe lief die Empörung durch die Halbinsel. Voran
ging das tapfere und zahlreiche Volk der Marser in Verbindung
mit den kleinen aber kernigen Eidgenossenschaften in den Abruz-
zen, den Paelignern, Marrucinern, Frentanern und Vestinern; der
schon genannte tapfere und kluge Quintus Silo war hier die
Seele der Bewegung. Von den Marsern wurde zuerst den Rö-
mern förmlich abgesagt, wonach späterhin dem Krieg der Name
des marsischen blieb. Dem gegebenen Beispiel folgten zahl-

EMPÖRUNG DER ITALIKER.
schätzbaren Anhalt, während die militärische daran anknüpfen
konnte, daſs jede Bundesstadt ihr eigenes Heerwesen und er-
probte Soldaten besaſs. Andrerseits war man in Rom auf nichts
ernstlich gefaſst. Man vernahm wohl davon, daſs unruhige Be-
wegungen in Italien stattfänden und die bundesgenössischen Ge-
meinden mit einander in einem auffallenden Verkehr ständen;
aber statt schleunigst die Bürger unter die Waffen zu rufen, be-
gnügte das regierende Collegium sich damit in herkömmlicher
Art die Beamten zur Wachsamkeit zu ermahnen und Spione aus-
zusenden um etwas Genaueres zu erfahren. Die Hauptstadt war
so völlig unvertheidigt, daſs ein entschlossener marsischer Offi-
zier Quintus Pompaedius Silo, einer von den vertrautesten Freun-
den des Drusus, den Plan entworfen haben soll sich an der Spitze
einer Schaar zuverlässiger mit Schwertern unter den Gewändern
bewaffneter Männer in dieselbe einzuschleichen und durch einen
Handstreich derselben sich zu bemächtigen. Ein Aufstand berei-
tete sich vor; Verträge wurden geschlossen, die Rüstungen still
und thätig betrieben, bis endlich wie gewöhnlich die Insurrection
noch etwas früher, als die leitenden Männer beabsichtigt hatten,
durch einen Zufall zum Ausbruch kam. Der römische Praetor
mit proconsularischer Gewalt Gaius Servilius, durch seine Kund-
schafter davon benachrichtigt, daſs die Stadt Asculum (Ascoli)
in den Abruzzen an die Nachbargemeinden Geiſseln sende, begab
sich mit seinem Legaten Fonteius und wenigem Gefolge dorthin
und richtete an die eben zur Feier der groſsen Spiele im Theater
versammelte Menge eine donnernde Drohrede. Der Anblick der
nur zu bekannten Beile, die Verkündigung der nur zu ernst ge-
meinten Drohungen warf den Funken in den seit Jahrhunderten
aufgehäuften Zunder des erbitterten Hasses; die römischen Be-
amten wurden im Theater selbst von der Menge zerrissen und
sofort, gleich als gelte es durch einen furchtbaren Frevel jede
Brücke der Versöhnung abzubrechen, die Thore auf Befehl der
Obrigkeit geschlossen, die sämmtlichen in Asculum verweilenden
Römer niedergemacht und ihre Habe geplündert. Wie die Flamme
durch die Steppe lief die Empörung durch die Halbinsel. Voran
ging das tapfere und zahlreiche Volk der Marser in Verbindung
mit den kleinen aber kernigen Eidgenossenschaften in den Abruz-
zen, den Paelignern, Marrucinern, Frentanern und Vestinern; der
schon genannte tapfere und kluge Quintus Silo war hier die
Seele der Bewegung. Von den Marsern wurde zuerst den Rö-
mern förmlich abgesagt, wonach späterhin dem Krieg der Name
des marsischen blieb. Dem gegebenen Beispiel folgten zahl-

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[217/0227] EMPÖRUNG DER ITALIKER. schätzbaren Anhalt, während die militärische daran anknüpfen konnte, daſs jede Bundesstadt ihr eigenes Heerwesen und er- probte Soldaten besaſs. Andrerseits war man in Rom auf nichts ernstlich gefaſst. Man vernahm wohl davon, daſs unruhige Be- wegungen in Italien stattfänden und die bundesgenössischen Ge- meinden mit einander in einem auffallenden Verkehr ständen; aber statt schleunigst die Bürger unter die Waffen zu rufen, be- gnügte das regierende Collegium sich damit in herkömmlicher Art die Beamten zur Wachsamkeit zu ermahnen und Spione aus- zusenden um etwas Genaueres zu erfahren. Die Hauptstadt war so völlig unvertheidigt, daſs ein entschlossener marsischer Offi- zier Quintus Pompaedius Silo, einer von den vertrautesten Freun- den des Drusus, den Plan entworfen haben soll sich an der Spitze einer Schaar zuverlässiger mit Schwertern unter den Gewändern bewaffneter Männer in dieselbe einzuschleichen und durch einen Handstreich derselben sich zu bemächtigen. Ein Aufstand berei- tete sich vor; Verträge wurden geschlossen, die Rüstungen still und thätig betrieben, bis endlich wie gewöhnlich die Insurrection noch etwas früher, als die leitenden Männer beabsichtigt hatten, durch einen Zufall zum Ausbruch kam. Der römische Praetor mit proconsularischer Gewalt Gaius Servilius, durch seine Kund- schafter davon benachrichtigt, daſs die Stadt Asculum (Ascoli) in den Abruzzen an die Nachbargemeinden Geiſseln sende, begab sich mit seinem Legaten Fonteius und wenigem Gefolge dorthin und richtete an die eben zur Feier der groſsen Spiele im Theater versammelte Menge eine donnernde Drohrede. Der Anblick der nur zu bekannten Beile, die Verkündigung der nur zu ernst ge- meinten Drohungen warf den Funken in den seit Jahrhunderten aufgehäuften Zunder des erbitterten Hasses; die römischen Be- amten wurden im Theater selbst von der Menge zerrissen und sofort, gleich als gelte es durch einen furchtbaren Frevel jede Brücke der Versöhnung abzubrechen, die Thore auf Befehl der Obrigkeit geschlossen, die sämmtlichen in Asculum verweilenden Römer niedergemacht und ihre Habe geplündert. Wie die Flamme durch die Steppe lief die Empörung durch die Halbinsel. Voran ging das tapfere und zahlreiche Volk der Marser in Verbindung mit den kleinen aber kernigen Eidgenossenschaften in den Abruz- zen, den Paelignern, Marrucinern, Frentanern und Vestinern; der schon genannte tapfere und kluge Quintus Silo war hier die Seele der Bewegung. Von den Marsern wurde zuerst den Rö- mern förmlich abgesagt, wonach späterhin dem Krieg der Name des marsischen blieb. Dem gegebenen Beispiel folgten zahl-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/227>, abgerufen am 25.11.2024.