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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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EMPÖRUNG DER ITALIKER.
Heerlager auseinandergetreten. Zwar fehlte, wie wir sahen, noch
gar viel an einer allgemeinen Schilderhebung der italischen Bun-
desgenossenschaft; dennoch hatte die Insurrection eine viel-
leicht die Hoffnungen der Führer selbst übertreffende Ausdeh-
nung gewonnen und die Insurgenten konnten ohne Uebermuth
daran denken der römischen Regierung ein billiges Abkommen
anzubieten. Sie sandten Boten nach Rom und machten sich an-
heischig gegen Aufnahme in den Bürgerverband die Waffen nie-
derzulegen; es war vergebens. Der Gemeinsinn, der so lange in
Rom vermisst worden war, schien plötzlich wiedergekehrt zu sein,
nun es sich darum handelte einem gerechten und jetzt auch mit
ansehnlicher Macht unterstützten Begehren mit starrer Bornirt-
heit in den Weg zu treten. Die nächste Folge der italischen In-
surrection war ähnlich wie nach den Niederlagen, die die Regie-
rungspolitik in Africa und Gallien erlitten hatte (S. 139. 171),
die Eröffnung eines Prozesskrieges, mittelst dessen die Richterari-
stokratie Rache nahm an denjenigen Männern der Regierung,
in denen man mit Recht oder Unrecht die nächste Ursache die-
ser Missgeschicke sah. Auf den Antrag des Tribuns Quintus Va-
rius ward trotz des Widerstandes der Optimaten und der tribu-
nicischen Intercession eine besondere Hochverrathscommission,
natürlich aus dem mit offener Gewalt für diesen Antrag kämpfen-
den Ritterstand, niedergesetzt zur Untersuchung der auch in
Rom weitverzweigten Verschwörung des Drusus und seiner Ge-
nossen, aus der die Insurrection hervorgegangen war und die
jetzt, da halb Italien in Waffen stand, der gesammten erbitterten
und erschreckten Bürgerschaft als unzweifelhafter Hochverrath
erschien. Die Urtheile dieser Commission räumten stark auf
in den Reihen der senatorischen Vermittlungspartei; unter an-
dern namhaften Männern ward Drusus genauer Freund, der
junge talentvolle Gaius Cotta in die Verbannung gesandt und mit
Mühe entging der greise Marcus Scaurus dem gleichen Schicksal.
Der Verdacht gegen die den Reformen des Drusus geneigten Sena-
toren ging so weit, dass bald nachher der Consul Lupus aus dem
Lager an den Senat berichtete über die Verbindungen, die zwischen
den Optimaten in seinem Lager und dem Feinde beständig unter-
halten würden; ein Verdacht, der sich freilich bald durch das
Aufgreifen marsischer Spione als unbegründet auswies. Insofern
konnte der König Mithradates nicht mit Unrecht sagen, dass
der Hader der Factionen ärger als der Bundesgenossenkrieg selbst
den römischen Staat zerrütte. Zunächst indess stellte der Aus-
bruch der Insurrection und der Terrorismus, den die Hochver-

EMPÖRUNG DER ITALIKER.
Heerlager auseinandergetreten. Zwar fehlte, wie wir sahen, noch
gar viel an einer allgemeinen Schilderhebung der italischen Bun-
desgenossenschaft; dennoch hatte die Insurrection eine viel-
leicht die Hoffnungen der Führer selbst übertreffende Ausdeh-
nung gewonnen und die Insurgenten konnten ohne Uebermuth
daran denken der römischen Regierung ein billiges Abkommen
anzubieten. Sie sandten Boten nach Rom und machten sich an-
heischig gegen Aufnahme in den Bürgerverband die Waffen nie-
derzulegen; es war vergebens. Der Gemeinsinn, der so lange in
Rom vermiſst worden war, schien plötzlich wiedergekehrt zu sein,
nun es sich darum handelte einem gerechten und jetzt auch mit
ansehnlicher Macht unterstützten Begehren mit starrer Bornirt-
heit in den Weg zu treten. Die nächste Folge der italischen In-
surrection war ähnlich wie nach den Niederlagen, die die Regie-
rungspolitik in Africa und Gallien erlitten hatte (S. 139. 171),
die Eröffnung eines Prozeſskrieges, mittelst dessen die Richterari-
stokratie Rache nahm an denjenigen Männern der Regierung,
in denen man mit Recht oder Unrecht die nächste Ursache die-
ser Miſsgeschicke sah. Auf den Antrag des Tribuns Quintus Va-
rius ward trotz des Widerstandes der Optimaten und der tribu-
nicischen Intercession eine besondere Hochverrathscommission,
natürlich aus dem mit offener Gewalt für diesen Antrag kämpfen-
den Ritterstand, niedergesetzt zur Untersuchung der auch in
Rom weitverzweigten Verschwörung des Drusus und seiner Ge-
nossen, aus der die Insurrection hervorgegangen war und die
jetzt, da halb Italien in Waffen stand, der gesammten erbitterten
und erschreckten Bürgerschaft als unzweifelhafter Hochverrath
erschien. Die Urtheile dieser Commission räumten stark auf
in den Reihen der senatorischen Vermittlungspartei; unter an-
dern namhaften Männern ward Drusus genauer Freund, der
junge talentvolle Gaius Cotta in die Verbannung gesandt und mit
Mühe entging der greise Marcus Scaurus dem gleichen Schicksal.
Der Verdacht gegen die den Reformen des Drusus geneigten Sena-
toren ging so weit, daſs bald nachher der Consul Lupus aus dem
Lager an den Senat berichtete über die Verbindungen, die zwischen
den Optimaten in seinem Lager und dem Feinde beständig unter-
halten würden; ein Verdacht, der sich freilich bald durch das
Aufgreifen marsischer Spione als unbegründet auswies. Insofern
konnte der König Mithradates nicht mit Unrecht sagen, daſs
der Hader der Factionen ärger als der Bundesgenossenkrieg selbst
den römischen Staat zerrütte. Zunächst indeſs stellte der Aus-
bruch der Insurrection und der Terrorismus, den die Hochver-

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[219/0229] EMPÖRUNG DER ITALIKER. Heerlager auseinandergetreten. Zwar fehlte, wie wir sahen, noch gar viel an einer allgemeinen Schilderhebung der italischen Bun- desgenossenschaft; dennoch hatte die Insurrection eine viel- leicht die Hoffnungen der Führer selbst übertreffende Ausdeh- nung gewonnen und die Insurgenten konnten ohne Uebermuth daran denken der römischen Regierung ein billiges Abkommen anzubieten. Sie sandten Boten nach Rom und machten sich an- heischig gegen Aufnahme in den Bürgerverband die Waffen nie- derzulegen; es war vergebens. Der Gemeinsinn, der so lange in Rom vermiſst worden war, schien plötzlich wiedergekehrt zu sein, nun es sich darum handelte einem gerechten und jetzt auch mit ansehnlicher Macht unterstützten Begehren mit starrer Bornirt- heit in den Weg zu treten. Die nächste Folge der italischen In- surrection war ähnlich wie nach den Niederlagen, die die Regie- rungspolitik in Africa und Gallien erlitten hatte (S. 139. 171), die Eröffnung eines Prozeſskrieges, mittelst dessen die Richterari- stokratie Rache nahm an denjenigen Männern der Regierung, in denen man mit Recht oder Unrecht die nächste Ursache die- ser Miſsgeschicke sah. Auf den Antrag des Tribuns Quintus Va- rius ward trotz des Widerstandes der Optimaten und der tribu- nicischen Intercession eine besondere Hochverrathscommission, natürlich aus dem mit offener Gewalt für diesen Antrag kämpfen- den Ritterstand, niedergesetzt zur Untersuchung der auch in Rom weitverzweigten Verschwörung des Drusus und seiner Ge- nossen, aus der die Insurrection hervorgegangen war und die jetzt, da halb Italien in Waffen stand, der gesammten erbitterten und erschreckten Bürgerschaft als unzweifelhafter Hochverrath erschien. Die Urtheile dieser Commission räumten stark auf in den Reihen der senatorischen Vermittlungspartei; unter an- dern namhaften Männern ward Drusus genauer Freund, der junge talentvolle Gaius Cotta in die Verbannung gesandt und mit Mühe entging der greise Marcus Scaurus dem gleichen Schicksal. Der Verdacht gegen die den Reformen des Drusus geneigten Sena- toren ging so weit, daſs bald nachher der Consul Lupus aus dem Lager an den Senat berichtete über die Verbindungen, die zwischen den Optimaten in seinem Lager und dem Feinde beständig unter- halten würden; ein Verdacht, der sich freilich bald durch das Aufgreifen marsischer Spione als unbegründet auswies. Insofern konnte der König Mithradates nicht mit Unrecht sagen, daſs der Hader der Factionen ärger als der Bundesgenossenkrieg selbst den römischen Staat zerrütte. Zunächst indeſs stellte der Aus- bruch der Insurrection und der Terrorismus, den die Hochver-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/229>, abgerufen am 24.11.2024.