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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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EMPÖRUNG DER ITALIKER.
Nachgiebigkeit das Wort geredet zu haben. Dagegen brachte der
Tribun Marcus Plautius Silvanus, der am 10. Dec. desselben Jahres
sein Amt antrat, ein Gesetz durch, nach welchem die Hochver-
rathscommission den Capitalistengeschwornen entzogen und an-
deren aus der freien nicht ständisch qualificirten Wahl der Di-
stricte hervorgegangenen Geschwornen anvertraut ward; wovon
die Folge war, dass diese Commission aus einer Geissel der Mo-
derirten zu einer Geissel der Ultras ward und unter Andern ihr
eigener Urheber Quintus Varius, dem die öffentliche Stimme die
schlimmsten demokratischen Gräuelthaten, die Vergiftung des
Quintus Metellus und die Ermordung des Drusus, Schuld gab, von
ihr in die Verbannung geschickt ward. Wichtiger als diese seltsam
offenherzige politische Palinodie war die veränderte Richtung, die
man in der Politik gegen die Italiker einschlug. Genau dreihun-
dert Jahre waren verflossen, seit Rom zum letztenmal sich hatte
den Frieden dictiren lassen müssen; man konnte die bittere
Wahrheit sich nicht verhehlen, dass Rom jetzt wieder unterlegen
und der Friede nur möglich war auf die Bedingungen der Geg-
ner. Zwar mit den Gemeinden, die bereits in Waffen sich er-
hoben hatten um Rom zu unterwerfen und zu zerstören, war die
Fehde zu erbittert geworden, als dass man in Rom es über sich
gewonnen hätte ihnen die verlangten Zugeständnisse zu machen;
und hätte man es gethan, sie wären vielleicht jetzt von der andern
Seite zurückgewiesen worden. Indess wenn den bis jetzt noch
treugebliebenen Gemeinden die ursprünglichen Forderungen,
wenn auch unter gewissen Einschränkungen, gewährt wurden, so
ward damit theils der Schein freiwilliger Nachgiebigkeit gerettet,
theils die sonst unvermeidliche Consolidirung der Conföderation
verhindert und damit der Weg zu ihrer Ueberwindung gebahnt.
So thaten denn die Pforten des römischen Bürgerthums, die der
Bitte so lange verschlossen geblieben waren, jetzt plötzlich sich
auf, als die Schwerter daran pochten; jedoch auch jetzt nicht
voll und ganz, sondern selbst für die Aufgenommenen in wider-
williger und kränkender Weise. Ein von dem Consul Lucius Cae-
sar* durchgebrachtes Gesetz verlieh das römische Bürgerrecht den
Bürgern aller derjenigen italischen Bundesgemeinden, die bis da-

* Das julische Gesetz muss in den letzten Monaten des J. 664 erlassen
sein, da während der guten Jahreszeit Caesar im Felde stand; das plau-
tisch-papirische ist wahrscheinlich wie in der Regel die tribunicischen An-
träge unmittelbar nach dem Amtsantritt der Tribunen, also Dec. 664 oder
Jan. 665 durchgebracht worden.

EMPÖRUNG DER ITALIKER.
Nachgiebigkeit das Wort geredet zu haben. Dagegen brachte der
Tribun Marcus Plautius Silvanus, der am 10. Dec. desselben Jahres
sein Amt antrat, ein Gesetz durch, nach welchem die Hochver-
rathscommission den Capitalistengeschwornen entzogen und an-
deren aus der freien nicht ständisch qualificirten Wahl der Di-
stricte hervorgegangenen Geschwornen anvertraut ward; wovon
die Folge war, daſs diese Commission aus einer Geiſsel der Mo-
derirten zu einer Geiſsel der Ultras ward und unter Andern ihr
eigener Urheber Quintus Varius, dem die öffentliche Stimme die
schlimmsten demokratischen Gräuelthaten, die Vergiftung des
Quintus Metellus und die Ermordung des Drusus, Schuld gab, von
ihr in die Verbannung geschickt ward. Wichtiger als diese seltsam
offenherzige politische Palinodie war die veränderte Richtung, die
man in der Politik gegen die Italiker einschlug. Genau dreihun-
dert Jahre waren verflossen, seit Rom zum letztenmal sich hatte
den Frieden dictiren lassen müssen; man konnte die bittere
Wahrheit sich nicht verhehlen, daſs Rom jetzt wieder unterlegen
und der Friede nur möglich war auf die Bedingungen der Geg-
ner. Zwar mit den Gemeinden, die bereits in Waffen sich er-
hoben hatten um Rom zu unterwerfen und zu zerstören, war die
Fehde zu erbittert geworden, als daſs man in Rom es über sich
gewonnen hätte ihnen die verlangten Zugeständnisse zu machen;
und hätte man es gethan, sie wären vielleicht jetzt von der andern
Seite zurückgewiesen worden. Indeſs wenn den bis jetzt noch
treugebliebenen Gemeinden die ursprünglichen Forderungen,
wenn auch unter gewissen Einschränkungen, gewährt wurden, so
ward damit theils der Schein freiwilliger Nachgiebigkeit gerettet,
theils die sonst unvermeidliche Consolidirung der Conföderation
verhindert und damit der Weg zu ihrer Ueberwindung gebahnt.
So thaten denn die Pforten des römischen Bürgerthums, die der
Bitte so lange verschlossen geblieben waren, jetzt plötzlich sich
auf, als die Schwerter daran pochten; jedoch auch jetzt nicht
voll und ganz, sondern selbst für die Aufgenommenen in wider-
williger und kränkender Weise. Ein von dem Consul Lucius Cae-
sar* durchgebrachtes Gesetz verlieh das römische Bürgerrecht den
Bürgern aller derjenigen italischen Bundesgemeinden, die bis da-

* Das julische Gesetz muſs in den letzten Monaten des J. 664 erlassen
sein, da während der guten Jahreszeit Caesar im Felde stand; das plau-
tisch-papirische ist wahrscheinlich wie in der Regel die tribunicischen An-
träge unmittelbar nach dem Amtsantritt der Tribunen, also Dec. 664 oder
Jan. 665 durchgebracht worden.
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[229/0239] EMPÖRUNG DER ITALIKER. Nachgiebigkeit das Wort geredet zu haben. Dagegen brachte der Tribun Marcus Plautius Silvanus, der am 10. Dec. desselben Jahres sein Amt antrat, ein Gesetz durch, nach welchem die Hochver- rathscommission den Capitalistengeschwornen entzogen und an- deren aus der freien nicht ständisch qualificirten Wahl der Di- stricte hervorgegangenen Geschwornen anvertraut ward; wovon die Folge war, daſs diese Commission aus einer Geiſsel der Mo- derirten zu einer Geiſsel der Ultras ward und unter Andern ihr eigener Urheber Quintus Varius, dem die öffentliche Stimme die schlimmsten demokratischen Gräuelthaten, die Vergiftung des Quintus Metellus und die Ermordung des Drusus, Schuld gab, von ihr in die Verbannung geschickt ward. Wichtiger als diese seltsam offenherzige politische Palinodie war die veränderte Richtung, die man in der Politik gegen die Italiker einschlug. Genau dreihun- dert Jahre waren verflossen, seit Rom zum letztenmal sich hatte den Frieden dictiren lassen müssen; man konnte die bittere Wahrheit sich nicht verhehlen, daſs Rom jetzt wieder unterlegen und der Friede nur möglich war auf die Bedingungen der Geg- ner. Zwar mit den Gemeinden, die bereits in Waffen sich er- hoben hatten um Rom zu unterwerfen und zu zerstören, war die Fehde zu erbittert geworden, als daſs man in Rom es über sich gewonnen hätte ihnen die verlangten Zugeständnisse zu machen; und hätte man es gethan, sie wären vielleicht jetzt von der andern Seite zurückgewiesen worden. Indeſs wenn den bis jetzt noch treugebliebenen Gemeinden die ursprünglichen Forderungen, wenn auch unter gewissen Einschränkungen, gewährt wurden, so ward damit theils der Schein freiwilliger Nachgiebigkeit gerettet, theils die sonst unvermeidliche Consolidirung der Conföderation verhindert und damit der Weg zu ihrer Ueberwindung gebahnt. So thaten denn die Pforten des römischen Bürgerthums, die der Bitte so lange verschlossen geblieben waren, jetzt plötzlich sich auf, als die Schwerter daran pochten; jedoch auch jetzt nicht voll und ganz, sondern selbst für die Aufgenommenen in wider- williger und kränkender Weise. Ein von dem Consul Lucius Cae- sar * durchgebrachtes Gesetz verlieh das römische Bürgerrecht den Bürgern aller derjenigen italischen Bundesgemeinden, die bis da- * Das julische Gesetz muſs in den letzten Monaten des J. 664 erlassen sein, da während der guten Jahreszeit Caesar im Felde stand; das plau- tisch-papirische ist wahrscheinlich wie in der Regel die tribunicischen An- träge unmittelbar nach dem Amtsantritt der Tribunen, also Dec. 664 oder Jan. 665 durchgebracht worden.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/239>, abgerufen am 23.11.2024.