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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL VII.
In den ehemaligen latinischen Colonien, in der dichtbewohn-
ten Polandschaft eröffneten sich reiche und jetzt zuverlässige
Hülfsquellen; mit diesen und mit denen der Bürgerschaft selbst
konnte man daran gehen den jetzt isolirten Brand zu bewältigen.
Die beiden bisherigen Oberbefehlshaber gingen nach Rom zurück,
Caesar als erwählter Censor, Marius, weil man seine Kriegführung
als unsicher und langsam tadelte und den sechsundsechzigjähri-
gen Mann für altersschwach erklärte. Es ist sehr wahrscheinlich,
dass dieser Vorwurf unbegründet war; Marius bewies, indem er
täglich in Rom auf dem Turnplatz erschien, wenigstens seine
körperliche Frische und auch als Oberfeldherr scheint er in dem
letzten Feldzug im Ganzen seine alte Tüchtigkeit bewährt zu ha-
ben; aber glänzende Erfolge, mit denen allein er nach seiner po-
litischen Katastrophe sich hätte in der öffentlichen Meinung re-
habilitiren können, hatte er nicht erfochten und so ward der ge-
feierte Degen zu seinem bittern Kummer wie als Staatsmann so
auch als Offizier bankerott erklärt und ohne Umstände zu dem
alten Eisen geworfen. An Marius Stelle trat bei der marsischen
Armee der Consul Lucius Porcius Cato, der mit Auszeichnung in
Etrurien gefochten hatte, an Caesars bei der campanischen der Unter-
feldherr Lucius Sulla, dem man einige der wesentlichsten Erfolge
des vorigen Feldzugs verdankte; Gnaeus Strabo behielt, jetzt als
Consul, sein mit so grossem Erfolg geführtes Commando im pi-
cenischen Gebiet. -- So begann der zweite Feldzug 665, den
gleich im Anfang des Jahres die Insurgenten eröffneten durch den
kühnen Versuch einen marsischen Heerhaufen von 15000 Mann
der in Norditalien gährenden Insurrection zu Hülfe nach Etrurien
zu senden. Allein Strabo, durch dessen Bereich er zu passiren
hatte, verlegte ihm den Weg und schlug ihn vollständig; nur
wenige gelangten zurück in die weit entfernte Heimath. Als dann
die Jahreszeit den römischen Heeren gestattete die Offensive zu
ergreifen, betrat Cato das marsische Gebiet und drang unter glück-
lichen Gefechten in demselben vor, allein er fiel in der Gegend
des Fucinersees bei einem Sturm auf das feindliche Lager, wo-
durch die ausschliessliche Oberleitung der Operationen in Mittel-
italien auf Strabo überging. Dieser beschäftigte sich theils mit
der fortgesetzten Belagerung von Asculum, theils mit der Unter-
werfung der marsischen, sabellischen und apulischen Landschaf-
ten. Zum Entsatz seiner bedrängten Heimathstadt erschien vor
Asculum Judacilius mit der picentischen Abtheilung und griff die
belagernde Armee an, während gleichzeitig die ausfallende Be-
satzung sich auf die römischen Linien warf. Es sollen an diesem

VIERTES BUCH. KAPITEL VII.
In den ehemaligen latinischen Colonien, in der dichtbewohn-
ten Polandschaft eröffneten sich reiche und jetzt zuverlässige
Hülfsquellen; mit diesen und mit denen der Bürgerschaft selbst
konnte man daran gehen den jetzt isolirten Brand zu bewältigen.
Die beiden bisherigen Oberbefehlshaber gingen nach Rom zurück,
Caesar als erwählter Censor, Marius, weil man seine Kriegführung
als unsicher und langsam tadelte und den sechsundsechzigjähri-
gen Mann für altersschwach erklärte. Es ist sehr wahrscheinlich,
daſs dieser Vorwurf unbegründet war; Marius bewies, indem er
täglich in Rom auf dem Turnplatz erschien, wenigstens seine
körperliche Frische und auch als Oberfeldherr scheint er in dem
letzten Feldzug im Ganzen seine alte Tüchtigkeit bewährt zu ha-
ben; aber glänzende Erfolge, mit denen allein er nach seiner po-
litischen Katastrophe sich hätte in der öffentlichen Meinung re-
habilitiren können, hatte er nicht erfochten und so ward der ge-
feierte Degen zu seinem bittern Kummer wie als Staatsmann so
auch als Offizier bankerott erklärt und ohne Umstände zu dem
alten Eisen geworfen. An Marius Stelle trat bei der marsischen
Armee der Consul Lucius Porcius Cato, der mit Auszeichnung in
Etrurien gefochten hatte, an Caesars bei der campanischen der Unter-
feldherr Lucius Sulla, dem man einige der wesentlichsten Erfolge
des vorigen Feldzugs verdankte; Gnaeus Strabo behielt, jetzt als
Consul, sein mit so groſsem Erfolg geführtes Commando im pi-
cenischen Gebiet. — So begann der zweite Feldzug 665, den
gleich im Anfang des Jahres die Insurgenten eröffneten durch den
kühnen Versuch einen marsischen Heerhaufen von 15000 Mann
der in Norditalien gährenden Insurrection zu Hülfe nach Etrurien
zu senden. Allein Strabo, durch dessen Bereich er zu passiren
hatte, verlegte ihm den Weg und schlug ihn vollständig; nur
wenige gelangten zurück in die weit entfernte Heimath. Als dann
die Jahreszeit den römischen Heeren gestattete die Offensive zu
ergreifen, betrat Cato das marsische Gebiet und drang unter glück-
lichen Gefechten in demselben vor, allein er fiel in der Gegend
des Fucinersees bei einem Sturm auf das feindliche Lager, wo-
durch die ausschlieſsliche Oberleitung der Operationen in Mittel-
italien auf Strabo überging. Dieser beschäftigte sich theils mit
der fortgesetzten Belagerung von Asculum, theils mit der Unter-
werfung der marsischen, sabellischen und apulischen Landschaf-
ten. Zum Entsatz seiner bedrängten Heimathstadt erschien vor
Asculum Judacilius mit der picentischen Abtheilung und griff die
belagernde Armee an, während gleichzeitig die ausfallende Be-
satzung sich auf die römischen Linien warf. Es sollen an diesem

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[232/0242] VIERTES BUCH. KAPITEL VII. In den ehemaligen latinischen Colonien, in der dichtbewohn- ten Polandschaft eröffneten sich reiche und jetzt zuverlässige Hülfsquellen; mit diesen und mit denen der Bürgerschaft selbst konnte man daran gehen den jetzt isolirten Brand zu bewältigen. Die beiden bisherigen Oberbefehlshaber gingen nach Rom zurück, Caesar als erwählter Censor, Marius, weil man seine Kriegführung als unsicher und langsam tadelte und den sechsundsechzigjähri- gen Mann für altersschwach erklärte. Es ist sehr wahrscheinlich, daſs dieser Vorwurf unbegründet war; Marius bewies, indem er täglich in Rom auf dem Turnplatz erschien, wenigstens seine körperliche Frische und auch als Oberfeldherr scheint er in dem letzten Feldzug im Ganzen seine alte Tüchtigkeit bewährt zu ha- ben; aber glänzende Erfolge, mit denen allein er nach seiner po- litischen Katastrophe sich hätte in der öffentlichen Meinung re- habilitiren können, hatte er nicht erfochten und so ward der ge- feierte Degen zu seinem bittern Kummer wie als Staatsmann so auch als Offizier bankerott erklärt und ohne Umstände zu dem alten Eisen geworfen. An Marius Stelle trat bei der marsischen Armee der Consul Lucius Porcius Cato, der mit Auszeichnung in Etrurien gefochten hatte, an Caesars bei der campanischen der Unter- feldherr Lucius Sulla, dem man einige der wesentlichsten Erfolge des vorigen Feldzugs verdankte; Gnaeus Strabo behielt, jetzt als Consul, sein mit so groſsem Erfolg geführtes Commando im pi- cenischen Gebiet. — So begann der zweite Feldzug 665, den gleich im Anfang des Jahres die Insurgenten eröffneten durch den kühnen Versuch einen marsischen Heerhaufen von 15000 Mann der in Norditalien gährenden Insurrection zu Hülfe nach Etrurien zu senden. Allein Strabo, durch dessen Bereich er zu passiren hatte, verlegte ihm den Weg und schlug ihn vollständig; nur wenige gelangten zurück in die weit entfernte Heimath. Als dann die Jahreszeit den römischen Heeren gestattete die Offensive zu ergreifen, betrat Cato das marsische Gebiet und drang unter glück- lichen Gefechten in demselben vor, allein er fiel in der Gegend des Fucinersees bei einem Sturm auf das feindliche Lager, wo- durch die ausschlieſsliche Oberleitung der Operationen in Mittel- italien auf Strabo überging. Dieser beschäftigte sich theils mit der fortgesetzten Belagerung von Asculum, theils mit der Unter- werfung der marsischen, sabellischen und apulischen Landschaf- ten. Zum Entsatz seiner bedrängten Heimathstadt erschien vor Asculum Judacilius mit der picentischen Abtheilung und griff die belagernde Armee an, während gleichzeitig die ausfallende Be- satzung sich auf die römischen Linien warf. Es sollen an diesem

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/242>, abgerufen am 23.11.2024.