Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. Männer Retogenes schlug sich mit wenigen Begleitern durch diefeindlichen Linien durch und seine rührende Bitte die Stamm- genossen nicht hülflos untergehen zu lassen war wenigstens in einer der Arevakerstädte, in Lutia von grosser Wirkung. Bevor aber die Bürger von Lutia sich entschlossen hatten, erschien Scipio, benachrichtigt von den römisch Gesinnten in der Stadt, mit Uebermacht vor ihren Mauern und zwang die Behörden ihm die Führer der Bewegung, vierhundert der trefflichsten Jüng- linge auszuliefern, denen auf Befehl des römischen Feldherrn sämmtlich die Hände abgehauen wurden. Die Numantiner, also der letzten Hoffnung beraubt, sandten an Scipio um über die Unterwerfung zu verhandeln und riefen den tapfern Mann an der Tapferen zu schonen; allein als die rückkehrenden Boten mel- deten, dass Scipio unbedingte Ergebung verlange, wurden sie von der wüthenden Menge zerrissen und eine neue Frist verfloss, bis Hunger und Seuchen ihr Werk vollendet hatten. Endlich kam in das römische Hauptquartier eine zweite Botschaft, dass die Stadt jetzt bereit sei auf Gnade und Ungnade sich zu unter- werfen; als demnach die Bürgerschaft angewiesen wurde am fol- genden Tag vor den Thoren zu erscheinen, bat sie um einige Tage Frist, um denjenigen Bürgern, die den Untergang der Frei- heit nicht zu überleben beschlossen hätten, Zeit zum Sterben zu gestatten. Sie ward ihnen gewährt und nicht Wenige benutzten sie. Endlich erschien der elende Rest vor den Thoren. Scipio las funfzig der Ansehnlichsten aus um sie in seinem Triumphe auf- zuführen; die übrigen wurden in die Sclaverei verkauft, die Stadt dem Boden gleichgemacht, ihr Gebiet unter die Nachbarstädte vertheilt. Das geschah im Herbst 621, funfzehn Monate nach- dem Scipio den Oberbefehl übernommen hatte. -- Mit Numan- tias Fall war die hie und da noch sich regende Opposition gegen Rom in der Wurzel getroffen; militärische Spaziergänge und Geldbussen reichten aus um die römische Oberherrschaft im gan- zen diesseitigen Spanien zur Anerkennung zu bringen. Auch im jenseitigen ward durch die Ueberwindung der Lu- Röm. Gesch. II. 2
DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. Männer Retogenes schlug sich mit wenigen Begleitern durch diefeindlichen Linien durch und seine rührende Bitte die Stamm- genossen nicht hülflos untergehen zu lassen war wenigstens in einer der Arevakerstädte, in Lutia von groſser Wirkung. Bevor aber die Bürger von Lutia sich entschlossen hatten, erschien Scipio, benachrichtigt von den römisch Gesinnten in der Stadt, mit Uebermacht vor ihren Mauern und zwang die Behörden ihm die Führer der Bewegung, vierhundert der trefflichsten Jüng- linge auszuliefern, denen auf Befehl des römischen Feldherrn sämmtlich die Hände abgehauen wurden. Die Numantiner, also der letzten Hoffnung beraubt, sandten an Scipio um über die Unterwerfung zu verhandeln und riefen den tapfern Mann an der Tapferen zu schonen; allein als die rückkehrenden Boten mel- deten, daſs Scipio unbedingte Ergebung verlange, wurden sie von der wüthenden Menge zerrissen und eine neue Frist verfloſs, bis Hunger und Seuchen ihr Werk vollendet hatten. Endlich kam in das römische Hauptquartier eine zweite Botschaft, daſs die Stadt jetzt bereit sei auf Gnade und Ungnade sich zu unter- werfen; als demnach die Bürgerschaft angewiesen wurde am fol- genden Tag vor den Thoren zu erscheinen, bat sie um einige Tage Frist, um denjenigen Bürgern, die den Untergang der Frei- heit nicht zu überleben beschlossen hätten, Zeit zum Sterben zu gestatten. Sie ward ihnen gewährt und nicht Wenige benutzten sie. Endlich erschien der elende Rest vor den Thoren. Scipio las funfzig der Ansehnlichsten aus um sie in seinem Triumphe auf- zuführen; die übrigen wurden in die Sclaverei verkauft, die Stadt dem Boden gleichgemacht, ihr Gebiet unter die Nachbarstädte vertheilt. Das geschah im Herbst 621, funfzehn Monate nach- dem Scipio den Oberbefehl übernommen hatte. — Mit Numan- tias Fall war die hie und da noch sich regende Opposition gegen Rom in der Wurzel getroffen; militärische Spaziergänge und Geldbuſsen reichten aus um die römische Oberherrschaft im gan- zen diesseitigen Spanien zur Anerkennung zu bringen. Auch im jenseitigen ward durch die Ueberwindung der Lu- Röm. Gesch. II. 2
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DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
Männer Retogenes schlug sich mit wenigen Begleitern durch die
feindlichen Linien durch und seine rührende Bitte die Stamm-
genossen nicht hülflos untergehen zu lassen war wenigstens in
einer der Arevakerstädte, in Lutia von groſser Wirkung. Bevor
aber die Bürger von Lutia sich entschlossen hatten, erschien
Scipio, benachrichtigt von den römisch Gesinnten in der Stadt,
mit Uebermacht vor ihren Mauern und zwang die Behörden ihm
die Führer der Bewegung, vierhundert der trefflichsten Jüng-
linge auszuliefern, denen auf Befehl des römischen Feldherrn
sämmtlich die Hände abgehauen wurden. Die Numantiner, also
der letzten Hoffnung beraubt, sandten an Scipio um über die
Unterwerfung zu verhandeln und riefen den tapfern Mann an der
Tapferen zu schonen; allein als die rückkehrenden Boten mel-
deten, daſs Scipio unbedingte Ergebung verlange, wurden sie
von der wüthenden Menge zerrissen und eine neue Frist verfloſs,
bis Hunger und Seuchen ihr Werk vollendet hatten. Endlich
kam in das römische Hauptquartier eine zweite Botschaft, daſs
die Stadt jetzt bereit sei auf Gnade und Ungnade sich zu unter-
werfen; als demnach die Bürgerschaft angewiesen wurde am fol-
genden Tag vor den Thoren zu erscheinen, bat sie um einige
Tage Frist, um denjenigen Bürgern, die den Untergang der Frei-
heit nicht zu überleben beschlossen hätten, Zeit zum Sterben zu
gestatten. Sie ward ihnen gewährt und nicht Wenige benutzten
sie. Endlich erschien der elende Rest vor den Thoren. Scipio las
funfzig der Ansehnlichsten aus um sie in seinem Triumphe auf-
zuführen; die übrigen wurden in die Sclaverei verkauft, die Stadt
dem Boden gleichgemacht, ihr Gebiet unter die Nachbarstädte
vertheilt. Das geschah im Herbst 621, funfzehn Monate nach-
dem Scipio den Oberbefehl übernommen hatte. — Mit Numan-
tias Fall war die hie und da noch sich regende Opposition gegen
Rom in der Wurzel getroffen; militärische Spaziergänge und
Geldbuſsen reichten aus um die römische Oberherrschaft im gan-
zen diesseitigen Spanien zur Anerkennung zu bringen.
Auch im jenseitigen ward durch die Ueberwindung der Lu-
sitaner die römische Herrschaft befestigt und ausgedehnt. Der
Consul Decimus Junius Brutus, der an Caepios Stelle trat, sie-
delte die kriegsgefangenen Lusitaner an in der Nähe von Sagunt
und gab ihrer neuen Stadt Valentia (Valencia) gleich Carteia la-
tinische Verfassung (616); er durchzog ferner (616-618) in
verschiedenen Richtungen die iberische Westküste und gelangte
zuerst von den Römern an das Gestade des atlantischen Meers.
Die von ihren Bewohnern, Männern und Frauen, hartnäckig
Röm. Gesch. II. 2
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