Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL VIII. ihm Waffenstillstand halten werde, so lange er gegen den asiati-schen König focht. Aber der rasche General, der mit all diesen Verlegenheiten zu ringen hatte, war nicht gewohnt vor Erledigung der nächsten Aufgabe um die ferneren Gefahren sich zu beküm- mern. So wie er gelandet war, rückte er von den epeirotischen Häfen bis nach Boeotien vor, schlug hier am tilphossischen Berge die Feldherren der Feinde Archelaos und Aristion und bemäch- tigte sich nach diesem Siege fast ohne Widerstand des gesamm- ten griechischen Festlandes mit Ausnahme der Festungen Athen und des Peiraeeus, in die Aristion und Archelaos sich geworfen hatten und die durch einen Handstreich zu nehmen misslang. Eine römische Abtheilung unter Lucius Hortensius besetzte Thessalien; eine andere unter Munatius stellte vor Chalkis sich auf, um das unter Neoptolemos auf Euboea stehende feindliche Corps abzuwehren; Sulla selbst bezog ein Lager bei Eleusis und Megara, von wo aus er Griechenland und den Peloponnes be- herrschte und die Belagerung der Stadt und des Hafens von Athen betrieb. Die hellenischen Städte, wie immer von der näch- sten Furcht regiert, unterwarfen sich den Römern auf jede Be- dingung und waren froh, wenn sie mit Lieferungen von Vor- räthen und Mannschaft und mit Geldbussen schwerere Strafen abkaufen durften. Minder rasch gingen die Belagerungen in At- tika von Statten. Archelaos leitete die Vertheidigung ebenso kräf- tig wie besonnen. Sulla sah sich genöthigt in aller Form das schwere Belagerungszeug zu rüsten, wozu die Bäume der Aka- demie und des Lykeion das Holz liefern mussten; Archelaos be- waffnete seine Schiffsmannschaft, schlug also verstärkt die An- griffe der Römer mit überlegener Macht ab und machte häufige und nicht selten glückliche Ausfälle. Zwar ward die zum Ent- satz herbeirückende pontische Armee des Dromichaetes unter den Mauern Athens nach hartem Kampf, bei dem namentlich Sullas tapferer Unterfeldherr Lucius Licinius Murena sich her- vorthat, von den Römern geschlagen; aber die Belagerung schritt darum nicht rascher vor. Von Makedonien aus, wo die Kappa- dokier inzwischen sich definitiv festgesetzt hatten, kam reichliche und regelmässige Zufuhr zur See, die Sulla nicht im Stande war der Hafenfestung abzuschneiden; in Athen gingen zwar die Vor- räthe auf die Neige, doch konnte bei der Nähe der beiden Fe- stungen Archelaos mehrfache Versuche machen Getreidetrans- porte nach Athen zu werfen, die nicht alle misslangen. So ver- floss in peinlicher Resultatlosigkeit der Winter. Wie die Jahres- zeit es erlaubte, warf Sulla sich mit Ungestüm auf den Peiraeeus; VIERTES BUCH. KAPITEL VIII. ihm Waffenstillstand halten werde, so lange er gegen den asiati-schen König focht. Aber der rasche General, der mit all diesen Verlegenheiten zu ringen hatte, war nicht gewohnt vor Erledigung der nächsten Aufgabe um die ferneren Gefahren sich zu beküm- mern. So wie er gelandet war, rückte er von den epeirotischen Häfen bis nach Boeotien vor, schlug hier am tilphossischen Berge die Feldherren der Feinde Archelaos und Aristion und bemäch- tigte sich nach diesem Siege fast ohne Widerstand des gesamm- ten griechischen Festlandes mit Ausnahme der Festungen Athen und des Peiraeeus, in die Aristion und Archelaos sich geworfen hatten und die durch einen Handstreich zu nehmen miſslang. Eine römische Abtheilung unter Lucius Hortensius besetzte Thessalien; eine andere unter Munatius stellte vor Chalkis sich auf, um das unter Neoptolemos auf Euboea stehende feindliche Corps abzuwehren; Sulla selbst bezog ein Lager bei Eleusis und Megara, von wo aus er Griechenland und den Peloponnes be- herrschte und die Belagerung der Stadt und des Hafens von Athen betrieb. Die hellenischen Städte, wie immer von der näch- sten Furcht regiert, unterwarfen sich den Römern auf jede Be- dingung und waren froh, wenn sie mit Lieferungen von Vor- räthen und Mannschaft und mit Geldbuſsen schwerere Strafen abkaufen durften. Minder rasch gingen die Belagerungen in At- tika von Statten. Archelaos leitete die Vertheidigung ebenso kräf- tig wie besonnen. Sulla sah sich genöthigt in aller Form das schwere Belagerungszeug zu rüsten, wozu die Bäume der Aka- demie und des Lykeion das Holz liefern muſsten; Archelaos be- waffnete seine Schiffsmannschaft, schlug also verstärkt die An- griffe der Römer mit überlegener Macht ab und machte häufige und nicht selten glückliche Ausfälle. Zwar ward die zum Ent- satz herbeirückende pontische Armee des Dromichaetes unter den Mauern Athens nach hartem Kampf, bei dem namentlich Sullas tapferer Unterfeldherr Lucius Licinius Murena sich her- vorthat, von den Römern geschlagen; aber die Belagerung schritt darum nicht rascher vor. Von Makedonien aus, wo die Kappa- dokier inzwischen sich definitiv festgesetzt hatten, kam reichliche und regelmäſsige Zufuhr zur See, die Sulla nicht im Stande war der Hafenfestung abzuschneiden; in Athen gingen zwar die Vor- räthe auf die Neige, doch konnte bei der Nähe der beiden Fe- stungen Archelaos mehrfache Versuche machen Getreidetrans- porte nach Athen zu werfen, die nicht alle miſslangen. So ver- floſs in peinlicher Resultatlosigkeit der Winter. Wie die Jahres- zeit es erlaubte, warf Sulla sich mit Ungestüm auf den Peiraeeus; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0288" n="278"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL VIII.</fw><lb/> ihm Waffenstillstand halten werde, so lange er gegen den asiati-<lb/> schen König focht. Aber der rasche General, der mit all diesen<lb/> Verlegenheiten zu ringen hatte, war nicht gewohnt vor Erledigung<lb/> der nächsten Aufgabe um die ferneren Gefahren sich zu beküm-<lb/> mern. So wie er gelandet war, rückte er von den epeirotischen<lb/> Häfen bis nach Boeotien vor, schlug hier am tilphossischen Berge<lb/> die Feldherren der Feinde Archelaos und Aristion und bemäch-<lb/> tigte sich nach diesem Siege fast ohne Widerstand des gesamm-<lb/> ten griechischen Festlandes mit Ausnahme der Festungen Athen<lb/> und des Peiraeeus, in die Aristion und Archelaos sich geworfen<lb/> hatten und die durch einen Handstreich zu nehmen miſslang.<lb/> Eine römische Abtheilung unter Lucius Hortensius besetzte<lb/> Thessalien; eine andere unter Munatius stellte vor Chalkis sich<lb/> auf, um das unter Neoptolemos auf Euboea stehende feindliche<lb/> Corps abzuwehren; Sulla selbst bezog ein Lager bei Eleusis und<lb/> Megara, von wo aus er Griechenland und den Peloponnes be-<lb/> herrschte und die Belagerung der Stadt und des Hafens von<lb/> Athen betrieb. Die hellenischen Städte, wie immer von der näch-<lb/> sten Furcht regiert, unterwarfen sich den Römern auf jede Be-<lb/> dingung und waren froh, wenn sie mit Lieferungen von Vor-<lb/> räthen und Mannschaft und mit Geldbuſsen schwerere Strafen<lb/> abkaufen durften. Minder rasch gingen die Belagerungen in At-<lb/> tika von Statten. Archelaos leitete die Vertheidigung ebenso kräf-<lb/> tig wie besonnen. Sulla sah sich genöthigt in aller Form das<lb/> schwere Belagerungszeug zu rüsten, wozu die Bäume der Aka-<lb/> demie und des Lykeion das Holz liefern muſsten; Archelaos be-<lb/> waffnete seine Schiffsmannschaft, schlug also verstärkt die An-<lb/> griffe der Römer mit überlegener Macht ab und machte häufige<lb/> und nicht selten glückliche Ausfälle. 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VIERTES BUCH. KAPITEL VIII.
ihm Waffenstillstand halten werde, so lange er gegen den asiati-
schen König focht. Aber der rasche General, der mit all diesen
Verlegenheiten zu ringen hatte, war nicht gewohnt vor Erledigung
der nächsten Aufgabe um die ferneren Gefahren sich zu beküm-
mern. So wie er gelandet war, rückte er von den epeirotischen
Häfen bis nach Boeotien vor, schlug hier am tilphossischen Berge
die Feldherren der Feinde Archelaos und Aristion und bemäch-
tigte sich nach diesem Siege fast ohne Widerstand des gesamm-
ten griechischen Festlandes mit Ausnahme der Festungen Athen
und des Peiraeeus, in die Aristion und Archelaos sich geworfen
hatten und die durch einen Handstreich zu nehmen miſslang.
Eine römische Abtheilung unter Lucius Hortensius besetzte
Thessalien; eine andere unter Munatius stellte vor Chalkis sich
auf, um das unter Neoptolemos auf Euboea stehende feindliche
Corps abzuwehren; Sulla selbst bezog ein Lager bei Eleusis und
Megara, von wo aus er Griechenland und den Peloponnes be-
herrschte und die Belagerung der Stadt und des Hafens von
Athen betrieb. Die hellenischen Städte, wie immer von der näch-
sten Furcht regiert, unterwarfen sich den Römern auf jede Be-
dingung und waren froh, wenn sie mit Lieferungen von Vor-
räthen und Mannschaft und mit Geldbuſsen schwerere Strafen
abkaufen durften. Minder rasch gingen die Belagerungen in At-
tika von Statten. Archelaos leitete die Vertheidigung ebenso kräf-
tig wie besonnen. Sulla sah sich genöthigt in aller Form das
schwere Belagerungszeug zu rüsten, wozu die Bäume der Aka-
demie und des Lykeion das Holz liefern muſsten; Archelaos be-
waffnete seine Schiffsmannschaft, schlug also verstärkt die An-
griffe der Römer mit überlegener Macht ab und machte häufige
und nicht selten glückliche Ausfälle. Zwar ward die zum Ent-
satz herbeirückende pontische Armee des Dromichaetes unter
den Mauern Athens nach hartem Kampf, bei dem namentlich
Sullas tapferer Unterfeldherr Lucius Licinius Murena sich her-
vorthat, von den Römern geschlagen; aber die Belagerung schritt
darum nicht rascher vor. Von Makedonien aus, wo die Kappa-
dokier inzwischen sich definitiv festgesetzt hatten, kam reichliche
und regelmäſsige Zufuhr zur See, die Sulla nicht im Stande war
der Hafenfestung abzuschneiden; in Athen gingen zwar die Vor-
räthe auf die Neige, doch konnte bei der Nähe der beiden Fe-
stungen Archelaos mehrfache Versuche machen Getreidetrans-
porte nach Athen zu werfen, die nicht alle miſslangen. So ver-
floſs in peinlicher Resultatlosigkeit der Winter. Wie die Jahres-
zeit es erlaubte, warf Sulla sich mit Ungestüm auf den Peiraeeus;
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