besten organisirte Land; das Zehntensystem und die Mittelsmän- ner warendaselbst unbekannt, die Bevölkerung zahlreich und die Landschaft reich an Korn und Vieh.
In einem weit unleidlicheren Mittelzustand zwischen formel- ler Souveränetät und thatsächlicher Unterthänigkeit befanden sich die africanischen, griechischen und asiatischen Staaten, welche durch die Kriege der Römer gegen Makedonien und Syrien und deren Consequenzen in den Kreis der römischen Hegemonie ge- zogen worden waren. Der freie Staat bezahlt den Preis seiner Selbstständigkeit nicht zu theuer, indem er die Leiden des Krie- ges auf sich nimmt; der Staat, der die Selbstständigkeit einge- büsst hat, mag wenigstens einigen Ersatz darin finden, dass der Schutzherr ihm Ruhe schafft vor seinen Nachbarn. Allein diese Clientelstaaten Roms hatten weder Selbstständigkeit noch Frie- den. In Africa bestand zwischen Karthago und Numidien that- sächlich ein ewiger Grenzkrieg. In Aegypten war zwar der Suc- cessionsstreit der beiden Brüder Ptolemaeos Philometor und Pto- lemaeos des Dicken durch römischen Schiedsspruch geschlichtet; allein nichtsdestoweniger führten die neuen Herren von Aegypten und von Kyrene Krieg um den Besitz von Kypros. In Asien waren nicht bloss die meisten Königreiche, Bithynien, Kappadokien, Sy- rien, gleichfalls durch Erbfolgestreitigkeiten und dadurch hervor- gerufene Interventionen der Nachbarstaaten innerlich zerrissen, sondern es wurden auch vielfache und schwere Kriege geführt zwi- schen den Attaliden und den Galatern, zwischen den Attaliden und den bithynischen Königen, ja zwischen Rhodos und Kreta. Ebenso glimmten im eigentlichen Hellas die dort landüblichen zwerghaf- ten Fehden und selbst das sonst so ruhige makedonische Land verzehrte sich in dem inneren Hader seiner neuen demokrati- schen Verfassungen. Es war die Schuld der Herrscher wie der Beherrschten, dass die letzte Lebenskraft und der letzte Wohl- stand der Nationen in diesen ziellosen Fehden vergeudet ward. Die Clientelstaaten hätten einsehen müssen, dass der Staat, der nicht gegen jeden, überhaupt nicht Krieg führen kann und dass, da der Besitzstand und die Machtstellung all dieser Staaten that- sächlich unter römischer Garantie stand, ihnen bei jeder Diffe- renz nur die Wahl blieb entweder mit den Nachbarn in Güte sich zu vergleichen oder die Römer zum Schiedsspruch aufzufordern. Wenn die achäische Tagsatzung von Rhodiern und Kretern um Bundeshülfe gemahnt ward und ernstlich über deren Absendung berathschlagte (601), so war dies einfach eine politische Posse; der Satz, den der Führer der römischgesinnten Partei da-
2*
DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
besten organisirte Land; das Zehntensystem und die Mittelsmän- ner warendaselbst unbekannt, die Bevölkerung zahlreich und die Landschaft reich an Korn und Vieh.
In einem weit unleidlicheren Mittelzustand zwischen formel- ler Souveränetät und thatsächlicher Unterthänigkeit befanden sich die africanischen, griechischen und asiatischen Staaten, welche durch die Kriege der Römer gegen Makedonien und Syrien und deren Consequenzen in den Kreis der römischen Hegemonie ge- zogen worden waren. Der freie Staat bezahlt den Preis seiner Selbstständigkeit nicht zu theuer, indem er die Leiden des Krie- ges auf sich nimmt; der Staat, der die Selbstständigkeit einge- büſst hat, mag wenigstens einigen Ersatz darin finden, daſs der Schutzherr ihm Ruhe schafft vor seinen Nachbarn. Allein diese Clientelstaaten Roms hatten weder Selbstständigkeit noch Frie- den. In Africa bestand zwischen Karthago und Numidien that- sächlich ein ewiger Grenzkrieg. In Aegypten war zwar der Suc- cessionsstreit der beiden Brüder Ptolemaeos Philometor und Pto- lemaeos des Dicken durch römischen Schiedsspruch geschlichtet; allein nichtsdestoweniger führten die neuen Herren von Aegypten und von Kyrene Krieg um den Besitz von Kypros. In Asien waren nicht bloſs die meisten Königreiche, Bithynien, Kappadokien, Sy- rien, gleichfalls durch Erbfolgestreitigkeiten und dadurch hervor- gerufene Interventionen der Nachbarstaaten innerlich zerrissen, sondern es wurden auch vielfache und schwere Kriege geführt zwi- schen den Attaliden und den Galatern, zwischen den Attaliden und den bithynischen Königen, ja zwischen Rhodos und Kreta. Ebenso glimmten im eigentlichen Hellas die dort landüblichen zwerghaf- ten Fehden und selbst das sonst so ruhige makedonische Land verzehrte sich in dem inneren Hader seiner neuen demokrati- schen Verfassungen. Es war die Schuld der Herrscher wie der Beherrschten, daſs die letzte Lebenskraft und der letzte Wohl- stand der Nationen in diesen ziellosen Fehden vergeudet ward. Die Clientelstaaten hätten einsehen müssen, daſs der Staat, der nicht gegen jeden, überhaupt nicht Krieg führen kann und daſs, da der Besitzstand und die Machtstellung all dieser Staaten that- sächlich unter römischer Garantie stand, ihnen bei jeder Diffe- renz nur die Wahl blieb entweder mit den Nachbarn in Güte sich zu vergleichen oder die Römer zum Schiedsspruch aufzufordern. Wenn die achäische Tagsatzung von Rhodiern und Kretern um Bundeshülfe gemahnt ward und ernstlich über deren Absendung berathschlagte (601), so war dies einfach eine politische Posse; der Satz, den der Führer der römischgesinnten Partei da-
2*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0029"n="19"/><fwplace="top"type="header">DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.</fw><lb/>
besten organisirte Land; das Zehntensystem und die Mittelsmän-<lb/>
ner warendaselbst unbekannt, die Bevölkerung zahlreich und die<lb/>
Landschaft reich an Korn und Vieh.</p><lb/><p>In einem weit unleidlicheren Mittelzustand zwischen formel-<lb/>
ler Souveränetät und thatsächlicher Unterthänigkeit befanden sich<lb/>
die africanischen, griechischen und asiatischen Staaten, welche<lb/>
durch die Kriege der Römer gegen Makedonien und Syrien und<lb/>
deren Consequenzen in den Kreis der römischen Hegemonie ge-<lb/>
zogen worden waren. Der freie Staat bezahlt den Preis seiner<lb/>
Selbstständigkeit nicht zu theuer, indem er die Leiden des Krie-<lb/>
ges auf sich nimmt; der Staat, der die Selbstständigkeit einge-<lb/>
büſst hat, mag wenigstens einigen Ersatz darin finden, daſs der<lb/>
Schutzherr ihm Ruhe schafft vor seinen Nachbarn. Allein diese<lb/>
Clientelstaaten Roms hatten weder Selbstständigkeit noch Frie-<lb/>
den. In Africa bestand zwischen Karthago und Numidien that-<lb/>
sächlich ein ewiger Grenzkrieg. In Aegypten war zwar der Suc-<lb/>
cessionsstreit der beiden Brüder Ptolemaeos Philometor und Pto-<lb/>
lemaeos des Dicken durch römischen Schiedsspruch geschlichtet;<lb/>
allein nichtsdestoweniger führten die neuen Herren von Aegypten<lb/>
und von Kyrene Krieg um den Besitz von Kypros. In Asien waren<lb/>
nicht bloſs die meisten Königreiche, Bithynien, Kappadokien, Sy-<lb/>
rien, gleichfalls durch Erbfolgestreitigkeiten und dadurch hervor-<lb/>
gerufene Interventionen der Nachbarstaaten innerlich zerrissen,<lb/>
sondern es wurden auch vielfache und schwere Kriege geführt zwi-<lb/>
schen den Attaliden und den Galatern, zwischen den Attaliden und<lb/>
den bithynischen Königen, ja zwischen Rhodos und Kreta. Ebenso<lb/>
glimmten im eigentlichen Hellas die dort landüblichen zwerghaf-<lb/>
ten Fehden und selbst das sonst so ruhige makedonische Land<lb/>
verzehrte sich in dem inneren Hader seiner neuen demokrati-<lb/>
schen Verfassungen. Es war die Schuld der Herrscher wie der<lb/>
Beherrschten, daſs die letzte Lebenskraft und der letzte Wohl-<lb/>
stand der Nationen in diesen ziellosen Fehden vergeudet ward.<lb/>
Die Clientelstaaten hätten einsehen müssen, daſs der Staat, der<lb/>
nicht gegen jeden, überhaupt nicht Krieg führen kann und daſs,<lb/>
da der Besitzstand und die Machtstellung all dieser Staaten that-<lb/>
sächlich unter römischer Garantie stand, ihnen bei jeder Diffe-<lb/>
renz nur die Wahl blieb entweder mit den Nachbarn in Güte sich<lb/>
zu vergleichen oder die Römer zum Schiedsspruch aufzufordern.<lb/>
Wenn die achäische Tagsatzung von Rhodiern und Kretern um<lb/>
Bundeshülfe gemahnt ward und ernstlich über deren Absendung<lb/>
berathschlagte (601), so war dies einfach eine politische Posse;<lb/>
der Satz, den der Führer der römischgesinnten Partei da-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[19/0029]
DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
besten organisirte Land; das Zehntensystem und die Mittelsmän-
ner warendaselbst unbekannt, die Bevölkerung zahlreich und die
Landschaft reich an Korn und Vieh.
In einem weit unleidlicheren Mittelzustand zwischen formel-
ler Souveränetät und thatsächlicher Unterthänigkeit befanden sich
die africanischen, griechischen und asiatischen Staaten, welche
durch die Kriege der Römer gegen Makedonien und Syrien und
deren Consequenzen in den Kreis der römischen Hegemonie ge-
zogen worden waren. Der freie Staat bezahlt den Preis seiner
Selbstständigkeit nicht zu theuer, indem er die Leiden des Krie-
ges auf sich nimmt; der Staat, der die Selbstständigkeit einge-
büſst hat, mag wenigstens einigen Ersatz darin finden, daſs der
Schutzherr ihm Ruhe schafft vor seinen Nachbarn. Allein diese
Clientelstaaten Roms hatten weder Selbstständigkeit noch Frie-
den. In Africa bestand zwischen Karthago und Numidien that-
sächlich ein ewiger Grenzkrieg. In Aegypten war zwar der Suc-
cessionsstreit der beiden Brüder Ptolemaeos Philometor und Pto-
lemaeos des Dicken durch römischen Schiedsspruch geschlichtet;
allein nichtsdestoweniger führten die neuen Herren von Aegypten
und von Kyrene Krieg um den Besitz von Kypros. In Asien waren
nicht bloſs die meisten Königreiche, Bithynien, Kappadokien, Sy-
rien, gleichfalls durch Erbfolgestreitigkeiten und dadurch hervor-
gerufene Interventionen der Nachbarstaaten innerlich zerrissen,
sondern es wurden auch vielfache und schwere Kriege geführt zwi-
schen den Attaliden und den Galatern, zwischen den Attaliden und
den bithynischen Königen, ja zwischen Rhodos und Kreta. Ebenso
glimmten im eigentlichen Hellas die dort landüblichen zwerghaf-
ten Fehden und selbst das sonst so ruhige makedonische Land
verzehrte sich in dem inneren Hader seiner neuen demokrati-
schen Verfassungen. Es war die Schuld der Herrscher wie der
Beherrschten, daſs die letzte Lebenskraft und der letzte Wohl-
stand der Nationen in diesen ziellosen Fehden vergeudet ward.
Die Clientelstaaten hätten einsehen müssen, daſs der Staat, der
nicht gegen jeden, überhaupt nicht Krieg führen kann und daſs,
da der Besitzstand und die Machtstellung all dieser Staaten that-
sächlich unter römischer Garantie stand, ihnen bei jeder Diffe-
renz nur die Wahl blieb entweder mit den Nachbarn in Güte sich
zu vergleichen oder die Römer zum Schiedsspruch aufzufordern.
Wenn die achäische Tagsatzung von Rhodiern und Kretern um
Bundeshülfe gemahnt ward und ernstlich über deren Absendung
berathschlagte (601), so war dies einfach eine politische Posse;
der Satz, den der Führer der römischgesinnten Partei da-
2*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/29>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.