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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
dass verhältnissmässig unerwartet viel erreicht und mehr nicht zu
erreichen sei, schloss auf diese Bedingungen die Präliminarien
und den Waffenstillstand ab und zog die Truppen aus den Plätzen
heraus, die die Asiaten noch in Europa inne hatten. Von Tigra-
nes, der streng genommen gleichfalls mit in den Frieden hätte
eingeschlossen werden sollen, schwieg man auf beiden Seiten, da
an den endlosen Weiterungen, die seine Beiziehung machen
musste, keinem der contrahirenden Theile gelegen war. Allein
Mithradates verwarf den Frieden und begehrte wenigstens, dass
die Römer auf die Auslieferung der Kriegsschiffe verzichten und
ihm Paphlagonien einräumen möchten; indem er zugleich geltend
machte, dass Fimbria ihm weit günstigere Bedingungen zu ge-
währen bereit sei. Sulla, beleidigt durch dies Gleichstellen seiner
Anerbietungen mit denen eines amtlosen Abenteurers und bei
dem äussersten Mass der Nachgiebigkeit bereits angelangt, brach
die Unterhandlungen ab. Er hatte die Zwischenzeit benutzt um
Makedonien wieder zu ordnen und die Dardaner, Sinter, Maeder
zu züchtigen, wobei er zugleich seinem Heer Beute verschaffte
und sich Asien näherte, wohin er auf jeden Fall zu gehen ent-
schlossen war, um mit Fimbria abzurechnen. Schon standen
seine Legionen in Thrakien; sofort gab er an Heer und Flotte
Befehl sich in Bewegung zu setzen nach dem Hellespont. Da end-
lich gelang es Archelaos seinem eigensinnigen Herrn die wider-
strebende Einwilligung zu dem Tractat zu entreissen; wofür er
später am königlichen Hofe als der Urheber des nachtheiligen
Friedens scheel angesehen, ja des Verraths bezüchtigt ward, so
dass er einige Zeit nachher sich genöthigt sah das Land zu räu-
men und zu den Römern sich zu flüchten, die bereitwillig ihn
aufnahmen und ihn mit Ehren überhäuften. Auch das römische
Heer murrte; dass die gehoffte asiatische Kriegsbeute ihm ent-
ging, mochte dazu freilich mehr beitragen als der an sich wohl
gerechtfertigte Unwille, dass man den Barbarenfürsten, der acht-
zigtausend ihrer Landsleute ermordet und über Italien und Asien
unsägliches Elend gebracht hatte, mit dem grössten Theil der in
Asien zusammengeplünderten Schätze ungestraft abziehen liess
in seine Heimath. Sulla selbst mag es schmerzlich empfunden
haben, dass die politischen Verwicklungen seine militärisch so
einfache Aufgabe in peinlichster Weise durchkreuzten und ihn
zwangen nach solchen Siegen sich mit einem solchen Frieden zu
begnügen. Indess zeigt sich die Selbstverleugnung und die Ein-
sicht, mit der er diesen ganzen Krieg geführt hat, nur aufs Neue
in diesem Friedensschluss; denn der Krieg gegen einen Fürsten,

DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
daſs verhältniſsmäſsig unerwartet viel erreicht und mehr nicht zu
erreichen sei, schloſs auf diese Bedingungen die Präliminarien
und den Waffenstillstand ab und zog die Truppen aus den Plätzen
heraus, die die Asiaten noch in Europa inne hatten. Von Tigra-
nes, der streng genommen gleichfalls mit in den Frieden hätte
eingeschlossen werden sollen, schwieg man auf beiden Seiten, da
an den endlosen Weiterungen, die seine Beiziehung machen
muſste, keinem der contrahirenden Theile gelegen war. Allein
Mithradates verwarf den Frieden und begehrte wenigstens, daſs
die Römer auf die Auslieferung der Kriegsschiffe verzichten und
ihm Paphlagonien einräumen möchten; indem er zugleich geltend
machte, daſs Fimbria ihm weit günstigere Bedingungen zu ge-
währen bereit sei. Sulla, beleidigt durch dies Gleichstellen seiner
Anerbietungen mit denen eines amtlosen Abenteurers und bei
dem äuſsersten Maſs der Nachgiebigkeit bereits angelangt, brach
die Unterhandlungen ab. Er hatte die Zwischenzeit benutzt um
Makedonien wieder zu ordnen und die Dardaner, Sinter, Maeder
zu züchtigen, wobei er zugleich seinem Heer Beute verschaffte
und sich Asien näherte, wohin er auf jeden Fall zu gehen ent-
schlossen war, um mit Fimbria abzurechnen. Schon standen
seine Legionen in Thrakien; sofort gab er an Heer und Flotte
Befehl sich in Bewegung zu setzen nach dem Hellespont. Da end-
lich gelang es Archelaos seinem eigensinnigen Herrn die wider-
strebende Einwilligung zu dem Tractat zu entreiſsen; wofür er
später am königlichen Hofe als der Urheber des nachtheiligen
Friedens scheel angesehen, ja des Verraths bezüchtigt ward, so
daſs er einige Zeit nachher sich genöthigt sah das Land zu räu-
men und zu den Römern sich zu flüchten, die bereitwillig ihn
aufnahmen und ihn mit Ehren überhäuften. Auch das römische
Heer murrte; daſs die gehoffte asiatische Kriegsbeute ihm ent-
ging, mochte dazu freilich mehr beitragen als der an sich wohl
gerechtfertigte Unwille, daſs man den Barbarenfürsten, der acht-
zigtausend ihrer Landsleute ermordet und über Italien und Asien
unsägliches Elend gebracht hatte, mit dem gröſsten Theil der in
Asien zusammengeplünderten Schätze ungestraft abziehen lieſs
in seine Heimath. Sulla selbst mag es schmerzlich empfunden
haben, daſs die politischen Verwicklungen seine militärisch so
einfache Aufgabe in peinlichster Weise durchkreuzten und ihn
zwangen nach solchen Siegen sich mit einem solchen Frieden zu
begnügen. Indeſs zeigt sich die Selbstverleugnung und die Ein-
sicht, mit der er diesen ganzen Krieg geführt hat, nur aufs Neue
in diesem Friedensschluſs; denn der Krieg gegen einen Fürsten,

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[287/0297] DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES. daſs verhältniſsmäſsig unerwartet viel erreicht und mehr nicht zu erreichen sei, schloſs auf diese Bedingungen die Präliminarien und den Waffenstillstand ab und zog die Truppen aus den Plätzen heraus, die die Asiaten noch in Europa inne hatten. Von Tigra- nes, der streng genommen gleichfalls mit in den Frieden hätte eingeschlossen werden sollen, schwieg man auf beiden Seiten, da an den endlosen Weiterungen, die seine Beiziehung machen muſste, keinem der contrahirenden Theile gelegen war. Allein Mithradates verwarf den Frieden und begehrte wenigstens, daſs die Römer auf die Auslieferung der Kriegsschiffe verzichten und ihm Paphlagonien einräumen möchten; indem er zugleich geltend machte, daſs Fimbria ihm weit günstigere Bedingungen zu ge- währen bereit sei. Sulla, beleidigt durch dies Gleichstellen seiner Anerbietungen mit denen eines amtlosen Abenteurers und bei dem äuſsersten Maſs der Nachgiebigkeit bereits angelangt, brach die Unterhandlungen ab. Er hatte die Zwischenzeit benutzt um Makedonien wieder zu ordnen und die Dardaner, Sinter, Maeder zu züchtigen, wobei er zugleich seinem Heer Beute verschaffte und sich Asien näherte, wohin er auf jeden Fall zu gehen ent- schlossen war, um mit Fimbria abzurechnen. Schon standen seine Legionen in Thrakien; sofort gab er an Heer und Flotte Befehl sich in Bewegung zu setzen nach dem Hellespont. Da end- lich gelang es Archelaos seinem eigensinnigen Herrn die wider- strebende Einwilligung zu dem Tractat zu entreiſsen; wofür er später am königlichen Hofe als der Urheber des nachtheiligen Friedens scheel angesehen, ja des Verraths bezüchtigt ward, so daſs er einige Zeit nachher sich genöthigt sah das Land zu räu- men und zu den Römern sich zu flüchten, die bereitwillig ihn aufnahmen und ihn mit Ehren überhäuften. Auch das römische Heer murrte; daſs die gehoffte asiatische Kriegsbeute ihm ent- ging, mochte dazu freilich mehr beitragen als der an sich wohl gerechtfertigte Unwille, daſs man den Barbarenfürsten, der acht- zigtausend ihrer Landsleute ermordet und über Italien und Asien unsägliches Elend gebracht hatte, mit dem gröſsten Theil der in Asien zusammengeplünderten Schätze ungestraft abziehen lieſs in seine Heimath. Sulla selbst mag es schmerzlich empfunden haben, daſs die politischen Verwicklungen seine militärisch so einfache Aufgabe in peinlichster Weise durchkreuzten und ihn zwangen nach solchen Siegen sich mit einem solchen Frieden zu begnügen. Indeſs zeigt sich die Selbstverleugnung und die Ein- sicht, mit der er diesen ganzen Krieg geführt hat, nur aufs Neue in diesem Friedensschluſs; denn der Krieg gegen einen Fürsten,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/297>, abgerufen am 21.11.2024.