Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. ren, die überseeischen Gebiete in unmittelbare Abhängigkeit vonRom zu bringen, theils und vor allem an dem mächtigen Einfluss der römischen Banquiers und Grosshändler, denen nach der Ver- nichtung der reichen Geld- und Handelsstadt die Erbschaft der- selben zufallen musste. Die Majorität beschloss bei der ersten pas- senden Gelegenheit -- eine solche abzuwarten forderte die Rück- sicht auf die öffentliche Meinung -- den Krieg mit Karthago oder vielmehr die Zerstörung der Stadt durchzusetzen. -- Eine Veranlas- sung blieb nicht lange aus. Die erbitternden Rechtsverletzungen von Seiten Massinissas und der Römer brachten in Karthago die Patriotenpartei an das Regiment, welche ähnlich der achäischen zwar nicht daran dachte gegen die römische Suprematie sich aufzulehnen, aber wenigstens die den Karthagern vertragsmässig zustehenden Rechte gegen Massinissa wenn nöthig mit den Waf- fen zu vertheidigen entschlossen war. Geführt von Hamilkar dem Samniten und Karthalo verbannte sie vierzig der entschie- densten Anhänger Massinissas aus der Stadt und liess das Volk schwören ihnen unter keiner Bedingung je die Rückkehr zu ge- statten; zugleich bildete sie zur Abwehr gegen die von Massi- nissa zu erwartenden Angriffe aus den freien Numidiern ein star- kes Heer unter Arkobarzanes, dem Enkel des Syphax (um 600). Massinissa indess war klug genug jetzt nicht zu rüsten, sondern sich wegen des streitigen Gebiets am Bagradas unbe- dingt dem Schiedsspruch der Römer zu unterwerfen; und so konnte man römischer Seits mit einigem Schein behaupten, dass die karthagischen Rüstungen gegen die Römer gerichtet sein müssten, und auf sofortige Entlassung des Heeres und Vernich- tung der Flottenvorräthe dringen. Der karthagische Rath wollte einwilligen, allein die Menge verhinderte die Ausführung des Be- schlusses und die römischen Boten, die diesen Bescheid nach Karthago überbracht hatten, schwebten in Lebensgefahr. Massi- nissa sandte seinen Sohn Gulussa nach Rom um über die fort- dauernden Vorbereitungen Karthagos für den Land- und den Seekrieg zu berichten und die Kriegserklärung zu beschleunigen; nachdem noch einmal eine Gesandtschaft von zehn Männern es bestätigt hatte, dass in Karthago in der That gerüstet werde (602), verwarf der Senat zwar die unbedingte Kriegserklärung, die Cato begehrte, beschloss aber in geheimer Sitzung, dass der Krieg er- klärt sein solle, wenn die Karthager sich nicht dazu verstehen wür- den ihr Heer zu entlassen und ihr Flottenmaterial zu verbrennen. Inzwischen hatte in Africa der Kampf bereits begonnen. Massi- nissa sandte die von den Karthagern verbannten Leute unter DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. ren, die überseeischen Gebiete in unmittelbare Abhängigkeit vonRom zu bringen, theils und vor allem an dem mächtigen Einfluſs der römischen Banquiers und Groſshändler, denen nach der Ver- nichtung der reichen Geld- und Handelsstadt die Erbschaft der- selben zufallen muſste. Die Majorität beschloſs bei der ersten pas- senden Gelegenheit — eine solche abzuwarten forderte die Rück- sicht auf die öffentliche Meinung — den Krieg mit Karthago oder vielmehr die Zerstörung der Stadt durchzusetzen. — Eine Veranlas- sung blieb nicht lange aus. Die erbitternden Rechtsverletzungen von Seiten Massinissas und der Römer brachten in Karthago die Patriotenpartei an das Regiment, welche ähnlich der achäischen zwar nicht daran dachte gegen die römische Suprematie sich aufzulehnen, aber wenigstens die den Karthagern vertragsmäſsig zustehenden Rechte gegen Massinissa wenn nöthig mit den Waf- fen zu vertheidigen entschlossen war. Geführt von Hamilkar dem Samniten und Karthalo verbannte sie vierzig der entschie- densten Anhänger Massinissas aus der Stadt und lieſs das Volk schwören ihnen unter keiner Bedingung je die Rückkehr zu ge- statten; zugleich bildete sie zur Abwehr gegen die von Massi- nissa zu erwartenden Angriffe aus den freien Numidiern ein star- kes Heer unter Arkobarzanes, dem Enkel des Syphax (um 600). Massinissa indeſs war klug genug jetzt nicht zu rüsten, sondern sich wegen des streitigen Gebiets am Bagradas unbe- dingt dem Schiedsspruch der Römer zu unterwerfen; und so konnte man römischer Seits mit einigem Schein behaupten, daſs die karthagischen Rüstungen gegen die Römer gerichtet sein müſsten, und auf sofortige Entlassung des Heeres und Vernich- tung der Flottenvorräthe dringen. Der karthagische Rath wollte einwilligen, allein die Menge verhinderte die Ausführung des Be- schlusses und die römischen Boten, die diesen Bescheid nach Karthago überbracht hatten, schwebten in Lebensgefahr. Massi- nissa sandte seinen Sohn Gulussa nach Rom um über die fort- dauernden Vorbereitungen Karthagos für den Land- und den Seekrieg zu berichten und die Kriegserklärung zu beschleunigen; nachdem noch einmal eine Gesandtschaft von zehn Männern es bestätigt hatte, daſs in Karthago in der That gerüstet werde (602), verwarf der Senat zwar die unbedingte Kriegserklärung, die Cato begehrte, beschloſs aber in geheimer Sitzung, daſs der Krieg er- klärt sein solle, wenn die Karthager sich nicht dazu verstehen wür- den ihr Heer zu entlassen und ihr Flottenmaterial zu verbrennen. Inzwischen hatte in Africa der Kampf bereits begonnen. 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DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
ren, die überseeischen Gebiete in unmittelbare Abhängigkeit von
Rom zu bringen, theils und vor allem an dem mächtigen Einfluſs
der römischen Banquiers und Groſshändler, denen nach der Ver-
nichtung der reichen Geld- und Handelsstadt die Erbschaft der-
selben zufallen muſste. Die Majorität beschloſs bei der ersten pas-
senden Gelegenheit — eine solche abzuwarten forderte die Rück-
sicht auf die öffentliche Meinung — den Krieg mit Karthago oder
vielmehr die Zerstörung der Stadt durchzusetzen. — Eine Veranlas-
sung blieb nicht lange aus. Die erbitternden Rechtsverletzungen
von Seiten Massinissas und der Römer brachten in Karthago die
Patriotenpartei an das Regiment, welche ähnlich der achäischen
zwar nicht daran dachte gegen die römische Suprematie sich
aufzulehnen, aber wenigstens die den Karthagern vertragsmäſsig
zustehenden Rechte gegen Massinissa wenn nöthig mit den Waf-
fen zu vertheidigen entschlossen war. Geführt von Hamilkar
dem Samniten und Karthalo verbannte sie vierzig der entschie-
densten Anhänger Massinissas aus der Stadt und lieſs das Volk
schwören ihnen unter keiner Bedingung je die Rückkehr zu ge-
statten; zugleich bildete sie zur Abwehr gegen die von Massi-
nissa zu erwartenden Angriffe aus den freien Numidiern ein star-
kes Heer unter Arkobarzanes, dem Enkel des Syphax (um
600). Massinissa indeſs war klug genug jetzt nicht zu rüsten,
sondern sich wegen des streitigen Gebiets am Bagradas unbe-
dingt dem Schiedsspruch der Römer zu unterwerfen; und so
konnte man römischer Seits mit einigem Schein behaupten, daſs
die karthagischen Rüstungen gegen die Römer gerichtet sein
müſsten, und auf sofortige Entlassung des Heeres und Vernich-
tung der Flottenvorräthe dringen. Der karthagische Rath wollte
einwilligen, allein die Menge verhinderte die Ausführung des Be-
schlusses und die römischen Boten, die diesen Bescheid nach
Karthago überbracht hatten, schwebten in Lebensgefahr. Massi-
nissa sandte seinen Sohn Gulussa nach Rom um über die fort-
dauernden Vorbereitungen Karthagos für den Land- und den
Seekrieg zu berichten und die Kriegserklärung zu beschleunigen;
nachdem noch einmal eine Gesandtschaft von zehn Männern es
bestätigt hatte, daſs in Karthago in der That gerüstet werde (602),
verwarf der Senat zwar die unbedingte Kriegserklärung, die Cato
begehrte, beschloſs aber in geheimer Sitzung, daſs der Krieg er-
klärt sein solle, wenn die Karthager sich nicht dazu verstehen wür-
den ihr Heer zu entlassen und ihr Flottenmaterial zu verbrennen.
Inzwischen hatte in Africa der Kampf bereits begonnen. Massi-
nissa sandte die von den Karthagern verbannten Leute unter
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