Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE SULLANISCHE VERFASSUNG. nen Vermögen gegen eine Aversionalsumme zur Realisirung zuverkaufen; es kam noch hinzu, dass der Regent theils sich selbst nicht vergass, theils besonders seine Gemahlin Metella und andere ihm nahe stehende vornehme und geringe Personen, selbst Frei- gelassene und Kneipgenossen, bald ohne Concurrenz kaufen liess, bald ihnen den Kaufschilling ganz oder theilweise erliess -- so soll z. B. einer seiner Freigelassenen ein Vermögen von 6 Mill. (429000 Thlr.) für 2000 Sesterzen (143 Thlr.) erstanden haben und einer seiner Unteroffiziere durch derartige Speculationen zu einem Vermögen von 10 Mill. Sesterzen (715000 Thlr.) gelangt sein. Der Unwille war gross und gerecht; schon während Sullas Regentschaft fragte ein Advokat, ob der Adel den Bürgerkrieg nur geführt habe um seine Freigelassenen und Knechte zu rei- chen Leuten zu machen. Trotz dieser Schleuderei indess betrug der Gesammterlös aus den confiscirten Gütern doch nicht weniger als 350 Mill. Sest. (24 Mill. Thlr.), was von dem ungeheuren Umfang dieser hauptsächlich auf den reichsten Theil der Bürger- schaft fallenden Einziehungen einen ungefähren Begriff giebt. Es war durchaus ein fürchterliches Strafgericht. Es gab keinen Pro- zess, keine Begnadigung mehr; bleischwer lastete der dumpfe Schrecken auf dem Lande und das freie Wort war auf dem Markte der Haupt- wie der Landstadt verstummt. Das oligarchische Schreckensregiment trug wohl einen andern Stempel als das re- volutionäre; wenn Marius seine persönliche Rachsucht im Blute seiner Feinde zu löschen getrachtet hatte, so schien Sulla den Terrorismus zur Einführung der neuen Gewaltherrschaft noth- wendig zu erachten und die Metzelei fast gleichgültig zu betrei- ben und betreiben zu lassen. Aber nur um so entsetzlicher er- schien der Terrorismus, da er von der conservativen Seite her und gewissermassen ohne Leidenschaft auftrat; nur um so un- rettbarer schien das Gemeinwesen verloren, weil der Wahnsinn und der Frevel auf beiden Seiten gleich waren. In der Ordnung der Verhältnisse Italiens und der Haupt- DIE SULLANISCHE VERFASSUNG. nen Vermögen gegen eine Aversionalsumme zur Realisirung zuverkaufen; es kam noch hinzu, daſs der Regent theils sich selbst nicht vergaſs, theils besonders seine Gemahlin Metella und andere ihm nahe stehende vornehme und geringe Personen, selbst Frei- gelassene und Kneipgenossen, bald ohne Concurrenz kaufen lieſs, bald ihnen den Kaufschilling ganz oder theilweise erlieſs — so soll z. B. einer seiner Freigelassenen ein Vermögen von 6 Mill. (429000 Thlr.) für 2000 Sesterzen (143 Thlr.) erstanden haben und einer seiner Unteroffiziere durch derartige Speculationen zu einem Vermögen von 10 Mill. Sesterzen (715000 Thlr.) gelangt sein. Der Unwille war groſs und gerecht; schon während Sullas Regentschaft fragte ein Advokat, ob der Adel den Bürgerkrieg nur geführt habe um seine Freigelassenen und Knechte zu rei- chen Leuten zu machen. Trotz dieser Schleuderei indeſs betrug der Gesammterlös aus den confiscirten Gütern doch nicht weniger als 350 Mill. Sest. (24 Mill. Thlr.), was von dem ungeheuren Umfang dieser hauptsächlich auf den reichsten Theil der Bürger- schaft fallenden Einziehungen einen ungefähren Begriff giebt. Es war durchaus ein fürchterliches Strafgericht. Es gab keinen Pro- zeſs, keine Begnadigung mehr; bleischwer lastete der dumpfe Schrecken auf dem Lande und das freie Wort war auf dem Markte der Haupt- wie der Landstadt verstummt. Das oligarchische Schreckensregiment trug wohl einen andern Stempel als das re- volutionäre; wenn Marius seine persönliche Rachsucht im Blute seiner Feinde zu löschen getrachtet hatte, so schien Sulla den Terrorismus zur Einführung der neuen Gewaltherrschaft noth- wendig zu erachten und die Metzelei fast gleichgültig zu betrei- ben und betreiben zu lassen. Aber nur um so entsetzlicher er- schien der Terrorismus, da er von der conservativen Seite her und gewissermaſsen ohne Leidenschaft auftrat; nur um so un- rettbarer schien das Gemeinwesen verloren, weil der Wahnsinn und der Frevel auf beiden Seiten gleich waren. 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DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
nen Vermögen gegen eine Aversionalsumme zur Realisirung zu
verkaufen; es kam noch hinzu, daſs der Regent theils sich selbst
nicht vergaſs, theils besonders seine Gemahlin Metella und andere
ihm nahe stehende vornehme und geringe Personen, selbst Frei-
gelassene und Kneipgenossen, bald ohne Concurrenz kaufen lieſs,
bald ihnen den Kaufschilling ganz oder theilweise erlieſs — so
soll z. B. einer seiner Freigelassenen ein Vermögen von 6 Mill.
(429000 Thlr.) für 2000 Sesterzen (143 Thlr.) erstanden haben
und einer seiner Unteroffiziere durch derartige Speculationen zu
einem Vermögen von 10 Mill. Sesterzen (715000 Thlr.) gelangt
sein. Der Unwille war groſs und gerecht; schon während Sullas
Regentschaft fragte ein Advokat, ob der Adel den Bürgerkrieg
nur geführt habe um seine Freigelassenen und Knechte zu rei-
chen Leuten zu machen. Trotz dieser Schleuderei indeſs betrug
der Gesammterlös aus den confiscirten Gütern doch nicht weniger
als 350 Mill. Sest. (24 Mill. Thlr.), was von dem ungeheuren
Umfang dieser hauptsächlich auf den reichsten Theil der Bürger-
schaft fallenden Einziehungen einen ungefähren Begriff giebt. Es
war durchaus ein fürchterliches Strafgericht. Es gab keinen Pro-
zeſs, keine Begnadigung mehr; bleischwer lastete der dumpfe
Schrecken auf dem Lande und das freie Wort war auf dem Markte
der Haupt- wie der Landstadt verstummt. Das oligarchische
Schreckensregiment trug wohl einen andern Stempel als das re-
volutionäre; wenn Marius seine persönliche Rachsucht im Blute
seiner Feinde zu löschen getrachtet hatte, so schien Sulla den
Terrorismus zur Einführung der neuen Gewaltherrschaft noth-
wendig zu erachten und die Metzelei fast gleichgültig zu betrei-
ben und betreiben zu lassen. Aber nur um so entsetzlicher er-
schien der Terrorismus, da er von der conservativen Seite her
und gewissermaſsen ohne Leidenschaft auftrat; nur um so un-
rettbarer schien das Gemeinwesen verloren, weil der Wahnsinn
und der Frevel auf beiden Seiten gleich waren.
In der Ordnung der Verhältnisse Italiens und der Haupt-
stadt hielt Sulla, obwohl er sonst im Allgemeinen alle während
der Revolution vorgenommenen nicht bloſs die laufenden Ge-
schäfte erledigenden Staatshandlungen als nichtig erklärte, doch
fest an dem von ihr aufgestellten Grundsatz, daſs jeder Bürger
einer italischen Gemeinde damit von selbst auch Bürger von
Rom sei; die Unterschiede zwischen Bürgern und italischen Bun-
desgenossen, zwischen Altbürgern bessern und Neubürgern be-
schränkteren Rechts waren und blieben beseitigt. Nur den Frei-
gelassenen ward das unbeschränkte Stimmrecht abermals ent-
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