Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL X. hieran gelegen war, zeigt das erneuerte Verbot des Zusammen-schlagens der Ackerloose. Endlich und vor allem sah er in die- sen angesiedelten Soldaten gleichsam stehende Besatzungen, die mit ihrem Eigenthumsrecht zugleich seine neue Verfassung schir- men würden; wesshalb auch, wo nicht die ganze Mark eingezo- gen ward, wie z. B. in Pompeii, die Colonisten nicht mit der Stadtgemeinde verschmolzen, sondern die Altbürger und die Colonisten als zwei in demselben Mauerring vereinigte Bürger- schaften constituirt wurden. Im Uebrigen erfolgten diese Colo- nialgründungen auf dieselbe Rechtsgrundlage hin und in dersel- ben militärischen Form wie die bisherigen; dass sie nicht wie die älteren direct, sondern nur mittelbar auf einem Gesetz beruh- ten, insofern sie der Regent auf Grund der dessfälligen Clausel des valerischen Gesetzes constituirte, machte rechtlich keinen Unter- schied. Nur in sofern, als der Gegensatz des Soldaten und des Bürgers, der sonst eben durch die Colonisirung der Soldaten auf- gehoben ward, bei den sullanischen Colonien noch nach ihrer Ausführung lebendig bleiben sollte und blieb und als diese Colo- nisten gleichsam das stehende Heer des Senats bildeten, lässt es sich rechtfertigen, dass man sie im Gegensatz gegen die älteren als Militärcolonien bezeichnet. -- Dieser factischen Constituirung einer stehenden Armee des Senats verwandt ist die Massregel des Regenten aus den Sclaven der Geächteten über 10000 der jüng- sten und kräftigsten Männer auszuwählen und diese insgesammt freizusprechen. Diese neuen Cornelier, deren bürgerliche Existenz an die Rechtsbeständigkeit der Institutionen ihres Patrons ge- knüpft war, sollten eine Art von Leibwache für die Oligarchie sein und den städtischen Pöbel, auf den nun einmal in der Haupt- stadt in Ermangelung einer Besatzung zunächst alles ankam, ihr beherrschen helfen. Dies waren die ausserordentlichen Stützen, auf die zunächst VIERTES BUCH. KAPITEL X. hieran gelegen war, zeigt das erneuerte Verbot des Zusammen-schlagens der Ackerloose. Endlich und vor allem sah er in die- sen angesiedelten Soldaten gleichsam stehende Besatzungen, die mit ihrem Eigenthumsrecht zugleich seine neue Verfassung schir- men würden; weſshalb auch, wo nicht die ganze Mark eingezo- gen ward, wie z. B. in Pompeii, die Colonisten nicht mit der Stadtgemeinde verschmolzen, sondern die Altbürger und die Colonisten als zwei in demselben Mauerring vereinigte Bürger- schaften constituirt wurden. Im Uebrigen erfolgten diese Colo- nialgründungen auf dieselbe Rechtsgrundlage hin und in dersel- ben militärischen Form wie die bisherigen; daſs sie nicht wie die älteren direct, sondern nur mittelbar auf einem Gesetz beruh- ten, insofern sie der Regent auf Grund der deſsfälligen Clausel des valerischen Gesetzes constituirte, machte rechtlich keinen Unter- schied. Nur in sofern, als der Gegensatz des Soldaten und des Bürgers, der sonst eben durch die Colonisirung der Soldaten auf- gehoben ward, bei den sullanischen Colonien noch nach ihrer Ausführung lebendig bleiben sollte und blieb und als diese Colo- nisten gleichsam das stehende Heer des Senats bildeten, läſst es sich rechtfertigen, daſs man sie im Gegensatz gegen die älteren als Militärcolonien bezeichnet. — Dieser factischen Constituirung einer stehenden Armee des Senats verwandt ist die Maſsregel des Regenten aus den Sclaven der Geächteten über 10000 der jüng- sten und kräftigsten Männer auszuwählen und diese insgesammt freizusprechen. Diese neuen Cornelier, deren bürgerliche Existenz an die Rechtsbeständigkeit der Institutionen ihres Patrons ge- knüpft war, sollten eine Art von Leibwache für die Oligarchie sein und den städtischen Pöbel, auf den nun einmal in der Haupt- stadt in Ermangelung einer Besatzung zunächst alles ankam, ihr beherrschen helfen. 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Das<lb/> dauernde Fundament der ordentlichen Regierungsgewalt der Oli-<lb/> garchie muſste natürlich sein eine so gesteigerte und so concen-<lb/> trirte Gewalt des Senats, daſs er an jedem einzelnen Angriffs-<lb/> punct den nicht organisirten Gegnern überlegen gegenüberstand.<lb/> Das vierzig Jahre hindurch befolgte System der Transactionen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [332/0342]
VIERTES BUCH. KAPITEL X.
hieran gelegen war, zeigt das erneuerte Verbot des Zusammen-
schlagens der Ackerloose. Endlich und vor allem sah er in die-
sen angesiedelten Soldaten gleichsam stehende Besatzungen, die
mit ihrem Eigenthumsrecht zugleich seine neue Verfassung schir-
men würden; weſshalb auch, wo nicht die ganze Mark eingezo-
gen ward, wie z. B. in Pompeii, die Colonisten nicht mit der
Stadtgemeinde verschmolzen, sondern die Altbürger und die
Colonisten als zwei in demselben Mauerring vereinigte Bürger-
schaften constituirt wurden. Im Uebrigen erfolgten diese Colo-
nialgründungen auf dieselbe Rechtsgrundlage hin und in dersel-
ben militärischen Form wie die bisherigen; daſs sie nicht wie die
älteren direct, sondern nur mittelbar auf einem Gesetz beruh-
ten, insofern sie der Regent auf Grund der deſsfälligen Clausel des
valerischen Gesetzes constituirte, machte rechtlich keinen Unter-
schied. Nur in sofern, als der Gegensatz des Soldaten und des
Bürgers, der sonst eben durch die Colonisirung der Soldaten auf-
gehoben ward, bei den sullanischen Colonien noch nach ihrer
Ausführung lebendig bleiben sollte und blieb und als diese Colo-
nisten gleichsam das stehende Heer des Senats bildeten, läſst es
sich rechtfertigen, daſs man sie im Gegensatz gegen die älteren
als Militärcolonien bezeichnet. — Dieser factischen Constituirung
einer stehenden Armee des Senats verwandt ist die Maſsregel des
Regenten aus den Sclaven der Geächteten über 10000 der jüng-
sten und kräftigsten Männer auszuwählen und diese insgesammt
freizusprechen. Diese neuen Cornelier, deren bürgerliche Existenz
an die Rechtsbeständigkeit der Institutionen ihres Patrons ge-
knüpft war, sollten eine Art von Leibwache für die Oligarchie
sein und den städtischen Pöbel, auf den nun einmal in der Haupt-
stadt in Ermangelung einer Besatzung zunächst alles ankam, ihr
beherrschen helfen.
Dies waren die auſserordentlichen Stützen, auf die zunächst
der Regent die Oligarchie lehnte. Unzweifelhaft waren sie schwach
organisirt und ephemer; aber es waren die einzig möglichen
Schutzwehren, wenn man nicht zu Mitteln greifen wollte, wie die
förmliche Aufstellung eines stehenden Heeres in Rom und der-
gleichen Maſsregeln, die der Oligarchie noch weit eher ein Ende
gemacht haben würden, als die demagogischen Angriffe. Das
dauernde Fundament der ordentlichen Regierungsgewalt der Oli-
garchie muſste natürlich sein eine so gesteigerte und so concen-
trirte Gewalt des Senats, daſs er an jedem einzelnen Angriffs-
punct den nicht organisirten Gegnern überlegen gegenüberstand.
Das vierzig Jahre hindurch befolgte System der Transactionen
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