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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL X.
desto weniger wurde die Zahl der jährlich vom Volke zu wäh-
lenden höchsten Beamten beibehalten, da die im Ganzen herr-
schende Optimatenpartei besser ihre Rechnung dabei fand die
jährlich entstehende ansehnliche Lücke durch den Senat aus-
füllen zu lassen als die Zahl der ordentlichen Beamten zu ver-
mehren. Die Folge war natürlich, dass die gesetzlich auf ein Jahr
gewählten höchsten Beamten durchschnittlich jeder zwei Jahre
im Amte blieben und dass die wichtigsten und lucrativsten Stel-
len im Staate thatsächlich von Jahr zu Jahr aus einer durch
die Volkswahlen gebildeten Candidatenliste vom Senate be-
setzt wurden. Ueblich ward es dabei die während ihres ge-
setzlichen Amtsjahres regelmässig in Italien festgehaltenen höch-
sten Beamten, namentlich die beiden Gerichtsherren und die
Consuln, nach Ablauf desselben in irgend eine der disponiblen
Provinzen zu entsenden, da die Statthalterschaften als die bei
weitem einträglichsten unter den höchsten Aemtern von allen
Concurrenten gewünscht wurden und es billig schien keinen
ganz davon auszuschliessen. Diese Verhältnisse fand Sulla vor.
Er regulirte sie dahin, dass er die Zahl der jährlich zu ernen-
nenden höchsten Beamten von acht auf zehn und die Amts-
dauer von einem Jahre auf zwei erhöhte, so dass die Beamten das
erste Jahr den hauptstädtischen Geschäften -- die beiden Consuln
der Regierung und Verwaltung, die acht Prätoren der Civil- und
Criminaljustiz -- das zweite der Verwaltung der zehn Provinzen
widmeten *.
Es ward hiedurch vor allem an die Stelle des bis-

* Ueberliefert ist es nirgends, dass diese Einrichtung von Sulla her-
rührt, aber darum nicht minder gewiss. Dass seit Sulla die Prätoren wäh-
rend ihres Amtsjahrs in der Hauptstadt zu bleiben haben, ist bekannt; von
den Consuln ist wenigstens für das J. 711 dasselbe bezeugt (Dio 45, 20).
Umgekehrt finden wir seit Sulla in den Provinzen nur Proconsuln und Pro-
prätoren; schon in einer Schrift, die ein vor 680 gehaltenes Gespräch re-
ferirt (Cic. de n. d. 2, 3, 9), wird dies als der gesetzmässige Stand der
Dinge bezeichnet; ferner beweist der Eid, den Pompeius 684 schwor (Vell.
2, 31), dass nicht der Consul, sondern der Consular einen rechtlichen An-
spruch auf einen Statthalterposten hatte, und ebenso werden schon 687 die
Aemter der Proconsuln und Proprätoren als ordentliche bezeichnet (Dio
36, 33), was dem älteren Recht zuwiderläuft. Die Ausnahmen bestätigen
die Regel. Die Sendungen der Consuln Lucius Lucullus und Marcus Cotta
nach Asien im J. 680 erklären sich aus dem plötzlichen Tod des Statthal-
ters von Kilikien (Plutarch Luc. 6) und der Dringlichkeit der Umstände
(vgl. Sueton Caes. 4); die letztere wird ziemlich geradezu als ausseror-
dentliche bezeichnet (Plutarch a. a. O.). Die Sendung des Consuls Glabrio
687 beruht auf speciellem Volksschluss (Sallust hist. 5, 14 Kritz). Wenn
Gaius Piso bei Dio 36, 37 (20) als Consul Statthalter des jenseitigen Gal-

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desto weniger wurde die Zahl der jährlich vom Volke zu wäh-
lenden höchsten Beamten beibehalten, da die im Ganzen herr-
schende Optimatenpartei besser ihre Rechnung dabei fand die
jährlich entstehende ansehnliche Lücke durch den Senat aus-
füllen zu lassen als die Zahl der ordentlichen Beamten zu ver-
mehren. Die Folge war natürlich, daſs die gesetzlich auf ein Jahr
gewählten höchsten Beamten durchschnittlich jeder zwei Jahre
im Amte blieben und daſs die wichtigsten und lucrativsten Stel-
len im Staate thatsächlich von Jahr zu Jahr aus einer durch
die Volkswahlen gebildeten Candidatenliste vom Senate be-
setzt wurden. Ueblich ward es dabei die während ihres ge-
setzlichen Amtsjahres regelmäſsig in Italien festgehaltenen höch-
sten Beamten, namentlich die beiden Gerichtsherren und die
Consuln, nach Ablauf desselben in irgend eine der disponiblen
Provinzen zu entsenden, da die Statthalterschaften als die bei
weitem einträglichsten unter den höchsten Aemtern von allen
Concurrenten gewünscht wurden und es billig schien keinen
ganz davon auszuschlieſsen. Diese Verhältnisse fand Sulla vor.
Er regulirte sie dahin, daſs er die Zahl der jährlich zu ernen-
nenden höchsten Beamten von acht auf zehn und die Amts-
dauer von einem Jahre auf zwei erhöhte, so daſs die Beamten das
erste Jahr den hauptstädtischen Geschäften — die beiden Consuln
der Regierung und Verwaltung, die acht Prätoren der Civil- und
Criminaljustiz — das zweite der Verwaltung der zehn Provinzen
widmeten *.
Es ward hiedurch vor allem an die Stelle des bis-

* Ueberliefert ist es nirgends, daſs diese Einrichtung von Sulla her-
rührt, aber darum nicht minder gewiſs. Daſs seit Sulla die Prätoren wäh-
rend ihres Amtsjahrs in der Hauptstadt zu bleiben haben, ist bekannt; von
den Consuln ist wenigstens für das J. 711 dasselbe bezeugt (Dio 45, 20).
Umgekehrt finden wir seit Sulla in den Provinzen nur Proconsuln und Pro-
prätoren; schon in einer Schrift, die ein vor 680 gehaltenes Gespräch re-
ferirt (Cic. de n. d. 2, 3, 9), wird dies als der gesetzmäſsige Stand der
Dinge bezeichnet; ferner beweist der Eid, den Pompeius 684 schwor (Vell.
2, 31), daſs nicht der Consul, sondern der Consular einen rechtlichen An-
spruch auf einen Statthalterposten hatte, und ebenso werden schon 687 die
Aemter der Proconsuln und Proprätoren als ordentliche bezeichnet (Dio
36, 33), was dem älteren Recht zuwiderläuft. Die Ausnahmen bestätigen
die Regel. Die Sendungen der Consuln Lucius Lucullus und Marcus Cotta
nach Asien im J. 680 erklären sich aus dem plötzlichen Tod des Statthal-
ters von Kilikien (Plutarch Luc. 6) und der Dringlichkeit der Umstände
(vgl. Sueton Caes. 4); die letztere wird ziemlich geradezu als auſseror-
dentliche bezeichnet (Plutarch a. a. O.). Die Sendung des Consuls Glabrio
687 beruht auf speciellem Volksschluſs (Sallust hist. 5, 14 Kritz). Wenn
Gaius Piso bei Dio 36, 37 (20) als Consul Statthalter des jenseitigen Gal-
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[338/0348] VIERTES BUCH. KAPITEL X. desto weniger wurde die Zahl der jährlich vom Volke zu wäh- lenden höchsten Beamten beibehalten, da die im Ganzen herr- schende Optimatenpartei besser ihre Rechnung dabei fand die jährlich entstehende ansehnliche Lücke durch den Senat aus- füllen zu lassen als die Zahl der ordentlichen Beamten zu ver- mehren. Die Folge war natürlich, daſs die gesetzlich auf ein Jahr gewählten höchsten Beamten durchschnittlich jeder zwei Jahre im Amte blieben und daſs die wichtigsten und lucrativsten Stel- len im Staate thatsächlich von Jahr zu Jahr aus einer durch die Volkswahlen gebildeten Candidatenliste vom Senate be- setzt wurden. Ueblich ward es dabei die während ihres ge- setzlichen Amtsjahres regelmäſsig in Italien festgehaltenen höch- sten Beamten, namentlich die beiden Gerichtsherren und die Consuln, nach Ablauf desselben in irgend eine der disponiblen Provinzen zu entsenden, da die Statthalterschaften als die bei weitem einträglichsten unter den höchsten Aemtern von allen Concurrenten gewünscht wurden und es billig schien keinen ganz davon auszuschlieſsen. Diese Verhältnisse fand Sulla vor. Er regulirte sie dahin, daſs er die Zahl der jährlich zu ernen- nenden höchsten Beamten von acht auf zehn und die Amts- dauer von einem Jahre auf zwei erhöhte, so daſs die Beamten das erste Jahr den hauptstädtischen Geschäften — die beiden Consuln der Regierung und Verwaltung, die acht Prätoren der Civil- und Criminaljustiz — das zweite der Verwaltung der zehn Provinzen widmeten *. Es ward hiedurch vor allem an die Stelle des bis- * Ueberliefert ist es nirgends, daſs diese Einrichtung von Sulla her- rührt, aber darum nicht minder gewiſs. Daſs seit Sulla die Prätoren wäh- rend ihres Amtsjahrs in der Hauptstadt zu bleiben haben, ist bekannt; von den Consuln ist wenigstens für das J. 711 dasselbe bezeugt (Dio 45, 20). Umgekehrt finden wir seit Sulla in den Provinzen nur Proconsuln und Pro- prätoren; schon in einer Schrift, die ein vor 680 gehaltenes Gespräch re- ferirt (Cic. de n. d. 2, 3, 9), wird dies als der gesetzmäſsige Stand der Dinge bezeichnet; ferner beweist der Eid, den Pompeius 684 schwor (Vell. 2, 31), daſs nicht der Consul, sondern der Consular einen rechtlichen An- spruch auf einen Statthalterposten hatte, und ebenso werden schon 687 die Aemter der Proconsuln und Proprätoren als ordentliche bezeichnet (Dio 36, 33), was dem älteren Recht zuwiderläuft. Die Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Sendungen der Consuln Lucius Lucullus und Marcus Cotta nach Asien im J. 680 erklären sich aus dem plötzlichen Tod des Statthal- ters von Kilikien (Plutarch Luc. 6) und der Dringlichkeit der Umstände (vgl. Sueton Caes. 4); die letztere wird ziemlich geradezu als auſseror- dentliche bezeichnet (Plutarch a. a. O.). Die Sendung des Consuls Glabrio 687 beruht auf speciellem Volksschluſs (Sallust hist. 5, 14 Kritz). Wenn Gaius Piso bei Dio 36, 37 (20) als Consul Statthalter des jenseitigen Gal-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/348>, abgerufen am 18.12.2024.