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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.
Stand im J. 663 erreichte. Dass der fürchterliche Insurrections-
und Revolutionssturm in Verbindung mit den fünf Jahre hin-
durch ausbleibenden kleinasiatischen Gefällen den Schatz rasch
leerte, ist begreiflich. Vielleicht zeichnet nichts so klar den
Unterschied der Zeiten, als dass im hannibalischen Krieg erst im
zehnten Kriegsjahre, als die Bürgerschaft den Steuern fast erlag,
der Sparschatz angegriffen, dagegen der Bundesgenossenkrieg
gleich von Haus aus auf den Kassenbestand fundirt ward und, als
schon nach zwei Feldzügen derselbe bis auf den letzten Pfennig
ausgegeben war, man lieber die öffentlichen Plätze in der Haupt-
stadt versteigerte (S. 236) und die Tempelschätze angriff (S. 310),
als eine Steuer auf die Bürger ausschrieb. Indess der Sturm,
so arg er war, ging vorüber; Sulla stellte, freilich unter unge-
heuren namentlich den Unterthanen und den italischen Revolu-
tionären aufgebürdeten ökonomischen Opfern, die Ordnung in
den Finanzen wieder her und sicherte, indem er die Getreide-
spenden aufhob, die asiatischen Abgaben aber wenn auch gemin-
dert doch beibehielt, dem Gemeinwesen wenigstens in dem Sinn
einen befriedigenden ökonomischen Zustand, als die ordentlichen
Ausgaben weit unter den ordentlichen Einnahmen blieben.

Von der Privatökonomie ist schon vielfach die Rede gewesen
und es tritt hier überall kaum ein neues Moment hervor; die
früher dargelegten Vorzüge und Nachtheile der socialen Verhält-
nisse Italiens (I, 617-626) erscheinen nicht verändert, sondern
nur schärfer entwickelt. In der Bodenwirthschaft sahen wir be-
reits früher die steigende römische Capitalmacht den mittleren
und kleinen Grundbesitz in Italien sowohl wie in den Provinzen
allmählich verzehren, wie die Sonne die Regentropfen aufzehrt.
Die Regierung sah nicht bloss zu ohne zu wehren, sondern för-
derte noch die schädliche Bodentheilung durch einzelne Mass-
regeln (S. 74), vor allem durch das zu Gunsten der grossen ita-
lischen Grundbesitzer und Kaufleute ausgesprochene Verbot der
transalpinischen Wein- und Oelproduction. Zwar wirkten sowohl
die Opposition als die in ihre Reformideen eingehende Minorität
der Conservativen energisch dem Uebel entgegen; indem die
beiden Gracchen die Auftheilung fast des gesammten Doma-
niallandes durchsetzten, gaben sie dem Staat 80000 neue ita-
lische Bauern; indem Sulla 120000 Colonisten in Italien ansie-
delte, ergänzte er wenigstens einen Theil der von der Revolution
und von ihm selbst in die Reihen der italischen Bauerschaft ge-
rissenen Lücken; allein dem durch stetigen Abfluss sich leerenden
Gefäss ist nicht durch Einschöpfen auch beträchtlicher Massen,

DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.
Stand im J. 663 erreichte. Daſs der fürchterliche Insurrections-
und Revolutionssturm in Verbindung mit den fünf Jahre hin-
durch ausbleibenden kleinasiatischen Gefällen den Schatz rasch
leerte, ist begreiflich. Vielleicht zeichnet nichts so klar den
Unterschied der Zeiten, als daſs im hannibalischen Krieg erst im
zehnten Kriegsjahre, als die Bürgerschaft den Steuern fast erlag,
der Sparschatz angegriffen, dagegen der Bundesgenossenkrieg
gleich von Haus aus auf den Kassenbestand fundirt ward und, als
schon nach zwei Feldzügen derselbe bis auf den letzten Pfennig
ausgegeben war, man lieber die öffentlichen Plätze in der Haupt-
stadt versteigerte (S. 236) und die Tempelschätze angriff (S. 310),
als eine Steuer auf die Bürger ausschrieb. Indeſs der Sturm,
so arg er war, ging vorüber; Sulla stellte, freilich unter unge-
heuren namentlich den Unterthanen und den italischen Revolu-
tionären aufgebürdeten ökonomischen Opfern, die Ordnung in
den Finanzen wieder her und sicherte, indem er die Getreide-
spenden aufhob, die asiatischen Abgaben aber wenn auch gemin-
dert doch beibehielt, dem Gemeinwesen wenigstens in dem Sinn
einen befriedigenden ökonomischen Zustand, als die ordentlichen
Ausgaben weit unter den ordentlichen Einnahmen blieben.

Von der Privatökonomie ist schon vielfach die Rede gewesen
und es tritt hier überall kaum ein neues Moment hervor; die
früher dargelegten Vorzüge und Nachtheile der socialen Verhält-
nisse Italiens (I, 617-626) erscheinen nicht verändert, sondern
nur schärfer entwickelt. In der Bodenwirthschaft sahen wir be-
reits früher die steigende römische Capitalmacht den mittleren
und kleinen Grundbesitz in Italien sowohl wie in den Provinzen
allmählich verzehren, wie die Sonne die Regentropfen aufzehrt.
Die Regierung sah nicht bloſs zu ohne zu wehren, sondern för-
derte noch die schädliche Bodentheilung durch einzelne Maſs-
regeln (S. 74), vor allem durch das zu Gunsten der groſsen ita-
lischen Grundbesitzer und Kaufleute ausgesprochene Verbot der
transalpinischen Wein- und Oelproduction. Zwar wirkten sowohl
die Opposition als die in ihre Reformideen eingehende Minorität
der Conservativen energisch dem Uebel entgegen; indem die
beiden Gracchen die Auftheilung fast des gesammten Doma-
niallandes durchsetzten, gaben sie dem Staat 80000 neue ita-
lische Bauern; indem Sulla 120000 Colonisten in Italien ansie-
delte, ergänzte er wenigstens einen Theil der von der Revolution
und von ihm selbst in die Reihen der italischen Bauerschaft ge-
rissenen Lücken; allein dem durch stetigen Abfluſs sich leerenden
Gefäſs ist nicht durch Einschöpfen auch beträchtlicher Massen,

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[373/0383] DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE. Stand im J. 663 erreichte. Daſs der fürchterliche Insurrections- und Revolutionssturm in Verbindung mit den fünf Jahre hin- durch ausbleibenden kleinasiatischen Gefällen den Schatz rasch leerte, ist begreiflich. Vielleicht zeichnet nichts so klar den Unterschied der Zeiten, als daſs im hannibalischen Krieg erst im zehnten Kriegsjahre, als die Bürgerschaft den Steuern fast erlag, der Sparschatz angegriffen, dagegen der Bundesgenossenkrieg gleich von Haus aus auf den Kassenbestand fundirt ward und, als schon nach zwei Feldzügen derselbe bis auf den letzten Pfennig ausgegeben war, man lieber die öffentlichen Plätze in der Haupt- stadt versteigerte (S. 236) und die Tempelschätze angriff (S. 310), als eine Steuer auf die Bürger ausschrieb. Indeſs der Sturm, so arg er war, ging vorüber; Sulla stellte, freilich unter unge- heuren namentlich den Unterthanen und den italischen Revolu- tionären aufgebürdeten ökonomischen Opfern, die Ordnung in den Finanzen wieder her und sicherte, indem er die Getreide- spenden aufhob, die asiatischen Abgaben aber wenn auch gemin- dert doch beibehielt, dem Gemeinwesen wenigstens in dem Sinn einen befriedigenden ökonomischen Zustand, als die ordentlichen Ausgaben weit unter den ordentlichen Einnahmen blieben. Von der Privatökonomie ist schon vielfach die Rede gewesen und es tritt hier überall kaum ein neues Moment hervor; die früher dargelegten Vorzüge und Nachtheile der socialen Verhält- nisse Italiens (I, 617-626) erscheinen nicht verändert, sondern nur schärfer entwickelt. In der Bodenwirthschaft sahen wir be- reits früher die steigende römische Capitalmacht den mittleren und kleinen Grundbesitz in Italien sowohl wie in den Provinzen allmählich verzehren, wie die Sonne die Regentropfen aufzehrt. Die Regierung sah nicht bloſs zu ohne zu wehren, sondern för- derte noch die schädliche Bodentheilung durch einzelne Maſs- regeln (S. 74), vor allem durch das zu Gunsten der groſsen ita- lischen Grundbesitzer und Kaufleute ausgesprochene Verbot der transalpinischen Wein- und Oelproduction. Zwar wirkten sowohl die Opposition als die in ihre Reformideen eingehende Minorität der Conservativen energisch dem Uebel entgegen; indem die beiden Gracchen die Auftheilung fast des gesammten Doma- niallandes durchsetzten, gaben sie dem Staat 80000 neue ita- lische Bauern; indem Sulla 120000 Colonisten in Italien ansie- delte, ergänzte er wenigstens einen Theil der von der Revolution und von ihm selbst in die Reihen der italischen Bauerschaft ge- rissenen Lücken; allein dem durch stetigen Abfluſs sich leerenden Gefäſs ist nicht durch Einschöpfen auch beträchtlicher Massen,

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/383>, abgerufen am 28.11.2024.