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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.
heisst es in einer bald nach dem Ende dieser Periode heraus-
gegebenen Schrift, geht durch die Bücher der römischen Kauf-
leute, und so war es ohne Zweifel überall. Wie das Zusammen-
wirken der rohen ökonomischen Zustände und der rücksichts-
losen Benutzung der politischen Uebermacht zu Gunsten der Pri-
vatinteressen eines jeden vermögenden Römers eine wucherliche
Zinswirthschaft allgemein machte, zeigt zum Beispiel die Behand-
lung der von Sulla der Provinz Asia 670 auferlegten Kriegssteuer,
die die römischen Capitalisten vorschossen: sie schwoll mit ge-
zahlten und nicht gezahlten Zinsen in vierzehn Jahren auf den
sechsfachen Betrag an. Die Gemeinden mussten ihre öffentlichen
Gebäude, ihre Kunstwerke und Kleinodien, die Aeltern ihre er-
wachsenen Kinder verkaufen, um dem römischen Gläubiger ge-
recht zu werden; es war nichts Seltenes, dass der Schuldner nicht
bloss der moralischen Tortur unterworfen, sondern geradezu auf
die Marterbank gelegt ward. Hiezu kam endlich der Grosshandel.
Italiens Ausfuhr und Einfuhr waren sehr beträchtlich. Jene be-
stand vornämlich in Wein und Oel, womit Italien neben Griechen-
land fast ausschliesslich -- die Weinproduction in der massalio-
tischen und turdetanischen Landschaft kann damals nur gering
gewesen sein -- das gesammte Mittelmeergebiet versorgte; itali-
scher Wein ging in bedeutenden Quantitäten nach den baleari-
schen Inseln und Keltiberien, nach Africa, das nur Acker- und
Weideland war, nach Narbo und in das innere Gallien. Bedeu-
tender noch war die Einfuhr nach Italien, wo damals aller Luxus
sich concentrirte und die meisten Luxusartikel, Speisen, Getränke,
Stoffe, Schmuck, Bücher, Hausgeräth, Kunstwerke über See ein-
geführt wurden. Vor allem aber der Sclavenhandel nahm in Folge
der stets steigenden Nachfrage der römischen Kaufleute einen
Aufschwung, dessen gleichen man im Mittelmeergebiet noch nicht
gekannt hatte und der mit dem Aufblühen der Piraterie im eng-
sten Zusammenhang steht. Obwohl zu diesem Ende alle Länder
und alle Nationen in Contribution gesetzt wurden, so waren doch
die Hauptfangplätze das innere Kleinasien und Syrien, der Haupt-
stapelplatz Delos (S. 70). In Italien concentrirte die überseeische
Einfuhr sich vorzugsweise in den beiden grossen Emporien am
tyrrhenischen Meer Ostia und Puteoli; dorthin zog sich die für
die Hauptstadt bestimmte Korneinfuhr, hieher vorwiegend der
Luxushandel mit dem Osten. Schon vor der Katastrophe, die
Delos im mithradatischen Kriege betraf (S. 275) und von der es
sich nicht wieder erholte, war Puteoli, das durch seinen guten
Hafen für Schiffe mit werthvoller Ladung sich empfahl und in-

DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.
heiſst es in einer bald nach dem Ende dieser Periode heraus-
gegebenen Schrift, geht durch die Bücher der römischen Kauf-
leute, und so war es ohne Zweifel überall. Wie das Zusammen-
wirken der rohen ökonomischen Zustände und der rücksichts-
losen Benutzung der politischen Uebermacht zu Gunsten der Pri-
vatinteressen eines jeden vermögenden Römers eine wucherliche
Zinswirthschaft allgemein machte, zeigt zum Beispiel die Behand-
lung der von Sulla der Provinz Asia 670 auferlegten Kriegssteuer,
die die römischen Capitalisten vorschossen: sie schwoll mit ge-
zahlten und nicht gezahlten Zinsen in vierzehn Jahren auf den
sechsfachen Betrag an. Die Gemeinden muſsten ihre öffentlichen
Gebäude, ihre Kunstwerke und Kleinodien, die Aeltern ihre er-
wachsenen Kinder verkaufen, um dem römischen Gläubiger ge-
recht zu werden; es war nichts Seltenes, daſs der Schuldner nicht
bloſs der moralischen Tortur unterworfen, sondern geradezu auf
die Marterbank gelegt ward. Hiezu kam endlich der Groſshandel.
Italiens Ausfuhr und Einfuhr waren sehr beträchtlich. Jene be-
stand vornämlich in Wein und Oel, womit Italien neben Griechen-
land fast ausschlieſslich — die Weinproduction in der massalio-
tischen und turdetanischen Landschaft kann damals nur gering
gewesen sein — das gesammte Mittelmeergebiet versorgte; itali-
scher Wein ging in bedeutenden Quantitäten nach den baleari-
schen Inseln und Keltiberien, nach Africa, das nur Acker- und
Weideland war, nach Narbo und in das innere Gallien. Bedeu-
tender noch war die Einfuhr nach Italien, wo damals aller Luxus
sich concentrirte und die meisten Luxusartikel, Speisen, Getränke,
Stoffe, Schmuck, Bücher, Hausgeräth, Kunstwerke über See ein-
geführt wurden. Vor allem aber der Sclavenhandel nahm in Folge
der stets steigenden Nachfrage der römischen Kaufleute einen
Aufschwung, dessen gleichen man im Mittelmeergebiet noch nicht
gekannt hatte und der mit dem Aufblühen der Piraterie im eng-
sten Zusammenhang steht. Obwohl zu diesem Ende alle Länder
und alle Nationen in Contribution gesetzt wurden, so waren doch
die Hauptfangplätze das innere Kleinasien und Syrien, der Haupt-
stapelplatz Delos (S. 70). In Italien concentrirte die überseeische
Einfuhr sich vorzugsweise in den beiden groſsen Emporien am
tyrrhenischen Meer Ostia und Puteoli; dorthin zog sich die für
die Hauptstadt bestimmte Korneinfuhr, hieher vorwiegend der
Luxushandel mit dem Osten. Schon vor der Katastrophe, die
Delos im mithradatischen Kriege betraf (S. 275) und von der es
sich nicht wieder erholte, war Puteoli, das durch seinen guten
Hafen für Schiffe mit werthvoller Ladung sich empfahl und in-

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[375/0385] DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE. heiſst es in einer bald nach dem Ende dieser Periode heraus- gegebenen Schrift, geht durch die Bücher der römischen Kauf- leute, und so war es ohne Zweifel überall. Wie das Zusammen- wirken der rohen ökonomischen Zustände und der rücksichts- losen Benutzung der politischen Uebermacht zu Gunsten der Pri- vatinteressen eines jeden vermögenden Römers eine wucherliche Zinswirthschaft allgemein machte, zeigt zum Beispiel die Behand- lung der von Sulla der Provinz Asia 670 auferlegten Kriegssteuer, die die römischen Capitalisten vorschossen: sie schwoll mit ge- zahlten und nicht gezahlten Zinsen in vierzehn Jahren auf den sechsfachen Betrag an. Die Gemeinden muſsten ihre öffentlichen Gebäude, ihre Kunstwerke und Kleinodien, die Aeltern ihre er- wachsenen Kinder verkaufen, um dem römischen Gläubiger ge- recht zu werden; es war nichts Seltenes, daſs der Schuldner nicht bloſs der moralischen Tortur unterworfen, sondern geradezu auf die Marterbank gelegt ward. Hiezu kam endlich der Groſshandel. Italiens Ausfuhr und Einfuhr waren sehr beträchtlich. Jene be- stand vornämlich in Wein und Oel, womit Italien neben Griechen- land fast ausschlieſslich — die Weinproduction in der massalio- tischen und turdetanischen Landschaft kann damals nur gering gewesen sein — das gesammte Mittelmeergebiet versorgte; itali- scher Wein ging in bedeutenden Quantitäten nach den baleari- schen Inseln und Keltiberien, nach Africa, das nur Acker- und Weideland war, nach Narbo und in das innere Gallien. Bedeu- tender noch war die Einfuhr nach Italien, wo damals aller Luxus sich concentrirte und die meisten Luxusartikel, Speisen, Getränke, Stoffe, Schmuck, Bücher, Hausgeräth, Kunstwerke über See ein- geführt wurden. Vor allem aber der Sclavenhandel nahm in Folge der stets steigenden Nachfrage der römischen Kaufleute einen Aufschwung, dessen gleichen man im Mittelmeergebiet noch nicht gekannt hatte und der mit dem Aufblühen der Piraterie im eng- sten Zusammenhang steht. Obwohl zu diesem Ende alle Länder und alle Nationen in Contribution gesetzt wurden, so waren doch die Hauptfangplätze das innere Kleinasien und Syrien, der Haupt- stapelplatz Delos (S. 70). In Italien concentrirte die überseeische Einfuhr sich vorzugsweise in den beiden groſsen Emporien am tyrrhenischen Meer Ostia und Puteoli; dorthin zog sich die für die Hauptstadt bestimmte Korneinfuhr, hieher vorwiegend der Luxushandel mit dem Osten. Schon vor der Katastrophe, die Delos im mithradatischen Kriege betraf (S. 275) und von der es sich nicht wieder erholte, war Puteoli, das durch seinen guten Hafen für Schiffe mit werthvoller Ladung sich empfahl und in-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/385>, abgerufen am 28.11.2024.