Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. lus als römische Provinz geordnet und die früher davon abge-trennten altrömischen Besitzungen in Epeiros, die ionischen In- seln und die Häfen Apollonia und Epidamnos (I, 370. 564), welche bisher in Gemeinschaft mit dem cisalpinischen Gallien in der Regel durch die in Italien den Oberbefehl führenden Beam- ten verwaltet worden waren, wurden von jetzt an wieder mit Ma- kedonien vereinigt, so dass dasselbe wahrscheinlich schon um diese Zeit im Nordosten bis jenseit Skodra reichte, wo Illyrien begann. Ebenso fiel die Schutzherrlichkeit, die Rom über das eigentliche Griechenland in Anspruch nahm, von selbst dem neuen Statthalter von Makedonien zu. So empfing Makedonien ungefähr die Grenzen wieder, wie es sie in seiner blühendsten Zeit gehabt; aber es war nicht mehr ein einiges Reich, sondern eine einige Provinz, mit communaler und selbst wie es scheint landschaftlicher Organisation, jedoch unter einem italischen Vogt und Schatzmeister, deren Namen fortan auf den Landesmünzen neben dem der Landschaft erscheinen. Als Steuer blieb die alte mässige Abgabe, wie Paullus sie geordnet hatte (I, 586), eine Summe von 100 Talenten (150000 Thlr.), die in festen Beträ- ge auf die einzelnen Gemeinden umgelegt war. Dass das Land sei[n]er alten ruhmreichen Dynastie nicht vergass, zeigt die Wie- derholung des Versuchs durch Aufstellung eines falschen Präten- denten einen Aufstand zu erregen. Wenige Jahre nach der Be- siegung des falschen Philippos pflanzte ein anderer Perseussohn Alexander am Nestos (Karasu) die Fahne der Insurrection auf und hatte in kurzer Zeit 16000 Mann vereinigt; allein der Quä- stor Lucius Tremellius ward des Aufstandes ohne Mühe Herr und verfolgte den fliehenden Alexander bis nach Dardanien (612) Dies ist die letzte Regung des stolzen makedonischen Nationalsinns, der zwei Jahrhunderte zuvor in Hellas und Asien so gro[s]se Dinge vollbracht hatte; seitdem ist von den Makedo- niern kaum etwas Anderes zu berichten, als dass sie fortfuhren von dem Jahre der definitiven Provinzialorganisation der Landschaft (608) anhebend ihre thatenlosen Jahre zu zäh- len. -- Die Römer waren es, die zunächst zu militärischen Zwecken die grosse egnatische Chaussee anlegten, welche schon zu Polybis Zeit von den beiden Haupthäfen an der Westküste Apollonia und Dyrrhachion quer durch das Binnenland nach Thessalonike, später noch weiter bis an den Hebros (Maritza) lief* und die Vertheidigung der Nord- und Ostgrenzen, wenn * Als Handelsstrasse zwischen dem adriatischen und schwarzen Meer
DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. lus als römische Provinz geordnet und die früher davon abge-trennten altrömischen Besitzungen in Epeiros, die ionischen In- seln und die Häfen Apollonia und Epidamnos (I, 370. 564), welche bisher in Gemeinschaft mit dem cisalpinischen Gallien in der Regel durch die in Italien den Oberbefehl führenden Beam- ten verwaltet worden waren, wurden von jetzt an wieder mit Ma- kedonien vereinigt, so daſs dasselbe wahrscheinlich schon um diese Zeit im Nordosten bis jenseit Skodra reichte, wo Illyrien begann. Ebenso fiel die Schutzherrlichkeit, die Rom über das eigentliche Griechenland in Anspruch nahm, von selbst dem neuen Statthalter von Makedonien zu. So empfing Makedonien ungefähr die Grenzen wieder, wie es sie in seiner blühendsten Zeit gehabt; aber es war nicht mehr ein einiges Reich, sondern eine einige Provinz, mit communaler und selbst wie es scheint landschaftlicher Organisation, jedoch unter einem italischen Vogt und Schatzmeister, deren Namen fortan auf den Landesmünzen neben dem der Landschaft erscheinen. Als Steuer blieb die alte mäſsige Abgabe, wie Paullus sie geordnet hatte (I, 586), eine Summe von 100 Talenten (150000 Thlr.), die in festen Beträ- ge auf die einzelnen Gemeinden umgelegt war. Daſs das Land sei[n]er alten ruhmreichen Dynastie nicht vergaſs, zeigt die Wie- derholung des Versuchs durch Aufstellung eines falschen Präten- denten einen Aufstand zu erregen. Wenige Jahre nach der Be- siegung des falschen Philippos pflanzte ein anderer Perseussohn Alexander am Nestos (Karasu) die Fahne der Insurrection auf und hatte in kurzer Zeit 16000 Mann vereinigt; allein der Quä- stor Lucius Tremellius ward des Aufstandes ohne Mühe Herr und verfolgte den fliehenden Alexander bis nach Dardanien (612) Dies ist die letzte Regung des stolzen makedonischen Nationalsinns, der zwei Jahrhunderte zuvor in Hellas und Asien so gro[ſ]se Dinge vollbracht hatte; seitdem ist von den Makedo- niern kaum etwas Anderes zu berichten, als daſs sie fortfuhren von dem Jahre der definitiven Provinzialorganisation der Landschaft (608) anhebend ihre thatenlosen Jahre zu zäh- len. — Die Römer waren es, die zunächst zu militärischen Zwecken die groſse egnatische Chaussee anlegten, welche schon zu Polybis Zeit von den beiden Haupthäfen an der Westküste Apollonia und Dyrrhachion quer durch das Binnenland nach Thessalonike, später noch weiter bis an den Hebros (Maritza) lief* und die Vertheidigung der Nord- und Ostgrenzen, wenn * Als Handelsstraſse zwischen dem adriatischen und schwarzen Meer
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0049" n="39"/><fw place="top" type="header">DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.</fw><lb/> lus als römische Provinz geordnet und die früher davon abge-<lb/> trennten altrömischen Besitzungen in Epeiros, die ionischen In-<lb/> seln und die Häfen Apollonia und Epidamnos (I, 370. 564),<lb/> welche bisher in Gemeinschaft mit dem cisalpinischen Gallien in<lb/> der Regel durch die in Italien den Oberbefehl führenden Beam-<lb/> ten verwaltet worden waren, wurden von jetzt an wieder mit Ma-<lb/> kedonien vereinigt, so daſs dasselbe wahrscheinlich schon um<lb/> diese Zeit im Nordosten bis jenseit Skodra reichte, wo Illyrien<lb/> begann. Ebenso fiel die Schutzherrlichkeit, die Rom über das<lb/> eigentliche Griechenland in Anspruch nahm, von selbst dem<lb/> neuen Statthalter von Makedonien zu. So empfing Makedonien<lb/> ungefähr die Grenzen wieder, wie es sie in seiner blühendsten<lb/> Zeit gehabt; aber es war nicht mehr ein einiges Reich, sondern<lb/> eine einige Provinz, mit communaler und selbst wie es scheint<lb/> landschaftlicher Organisation, jedoch unter einem italischen Vogt<lb/> und Schatzmeister, deren Namen fortan auf den Landesmünzen<lb/> neben dem der Landschaft erscheinen. Als Steuer blieb die alte<lb/> mäſsige Abgabe, wie Paullus sie geordnet hatte (I, 586), eine<lb/> Summe von 100 Talenten (150000 Thlr.), die in festen Beträ-<lb/> ge auf die einzelnen Gemeinden umgelegt war. Daſs das Land<lb/> sei<supplied>n</supplied>er alten ruhmreichen Dynastie nicht vergaſs, zeigt die Wie-<lb/> derholung des Versuchs durch Aufstellung eines falschen Präten-<lb/> denten einen Aufstand zu erregen. Wenige Jahre nach der Be-<lb/> siegung des falschen Philippos pflanzte ein anderer Perseussohn<lb/> Alexander am Nestos (Karasu) die Fahne der Insurrection auf<lb/> und hatte in kurzer Zeit 16000 Mann vereinigt; allein der Quä-<lb/> stor Lucius Tremellius ward des Aufstandes ohne Mühe Herr<lb/> und verfolgte den fliehenden Alexander bis nach Dardanien<lb/> (612) Dies ist die letzte Regung des stolzen makedonischen<lb/> Nationalsinns, der zwei Jahrhunderte zuvor in Hellas und Asien<lb/> so gro<supplied>ſ</supplied>se Dinge vollbracht hatte; seitdem ist von den Makedo-<lb/> niern kaum etwas Anderes zu berichten, als daſs sie fortfuhren<lb/> von dem Jahre der definitiven Provinzialorganisation der<lb/> Landschaft (608) anhebend ihre thatenlosen Jahre zu zäh-<lb/> len. — Die Römer waren es, die zunächst zu militärischen<lb/> Zwecken die groſse egnatische Chaussee anlegten, welche schon<lb/> zu Polybis Zeit von den beiden Haupthäfen an der Westküste<lb/> Apollonia und Dyrrhachion quer durch das Binnenland nach<lb/> Thessalonike, später noch weiter bis an den Hebros (Maritza)<lb/> lief<note xml:id="note-0049" next="#note-0050" place="foot" n="*">Als Handelsstraſse zwischen dem adriatischen und schwarzen Meer</note> und die Vertheidigung der Nord- und Ostgrenzen, wenn<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0049]
DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
lus als römische Provinz geordnet und die früher davon abge-
trennten altrömischen Besitzungen in Epeiros, die ionischen In-
seln und die Häfen Apollonia und Epidamnos (I, 370. 564),
welche bisher in Gemeinschaft mit dem cisalpinischen Gallien in
der Regel durch die in Italien den Oberbefehl führenden Beam-
ten verwaltet worden waren, wurden von jetzt an wieder mit Ma-
kedonien vereinigt, so daſs dasselbe wahrscheinlich schon um
diese Zeit im Nordosten bis jenseit Skodra reichte, wo Illyrien
begann. Ebenso fiel die Schutzherrlichkeit, die Rom über das
eigentliche Griechenland in Anspruch nahm, von selbst dem
neuen Statthalter von Makedonien zu. So empfing Makedonien
ungefähr die Grenzen wieder, wie es sie in seiner blühendsten
Zeit gehabt; aber es war nicht mehr ein einiges Reich, sondern
eine einige Provinz, mit communaler und selbst wie es scheint
landschaftlicher Organisation, jedoch unter einem italischen Vogt
und Schatzmeister, deren Namen fortan auf den Landesmünzen
neben dem der Landschaft erscheinen. Als Steuer blieb die alte
mäſsige Abgabe, wie Paullus sie geordnet hatte (I, 586), eine
Summe von 100 Talenten (150000 Thlr.), die in festen Beträ-
ge auf die einzelnen Gemeinden umgelegt war. Daſs das Land
seiner alten ruhmreichen Dynastie nicht vergaſs, zeigt die Wie-
derholung des Versuchs durch Aufstellung eines falschen Präten-
denten einen Aufstand zu erregen. Wenige Jahre nach der Be-
siegung des falschen Philippos pflanzte ein anderer Perseussohn
Alexander am Nestos (Karasu) die Fahne der Insurrection auf
und hatte in kurzer Zeit 16000 Mann vereinigt; allein der Quä-
stor Lucius Tremellius ward des Aufstandes ohne Mühe Herr
und verfolgte den fliehenden Alexander bis nach Dardanien
(612) Dies ist die letzte Regung des stolzen makedonischen
Nationalsinns, der zwei Jahrhunderte zuvor in Hellas und Asien
so groſse Dinge vollbracht hatte; seitdem ist von den Makedo-
niern kaum etwas Anderes zu berichten, als daſs sie fortfuhren
von dem Jahre der definitiven Provinzialorganisation der
Landschaft (608) anhebend ihre thatenlosen Jahre zu zäh-
len. — Die Römer waren es, die zunächst zu militärischen
Zwecken die groſse egnatische Chaussee anlegten, welche schon
zu Polybis Zeit von den beiden Haupthäfen an der Westküste
Apollonia und Dyrrhachion quer durch das Binnenland nach
Thessalonike, später noch weiter bis an den Hebros (Maritza)
lief * und die Vertheidigung der Nord- und Ostgrenzen, wenn
* Als Handelsstraſse zwischen dem adriatischen und schwarzen Meer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |