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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL III.
heiten sich selber zueigneten, war das Senatsregiment gestürzt;
und jetzt war dies möglich. Wenn jetzt Vorschläge über eine
andere und bessere Führung des Land- und Seekrieges an die
Comitien gebracht wurden, so war bei der Stimmung der Bürger-
schaft der Senat voraussichtlich nicht im Stande deren Durch-
setzung zu verhindern; und eine Intervention der Bürgerschaft
in diesen höchsten Verwaltungsfragen war thatsächlich die Ab-
setzung des Senats und die Uebertragung der Leitung des Staats
an die Führer der Opposition. Wieder einmal brachte die Ver-
kettung der Dinge die Entscheidung in die Hände des Pompeius.
Seit mehr als zwei Jahren lebte der gefeierte Feldherr als Privat-
mann in der Hauptstadt. Seine Stimme ward im Rathhaus wie
auf dem Markte selten vernommen; dort war er nicht gern ge-
sehen und ohne Einfluss, hier scheute er sich vor dem stürmi-
schen Treiben der Parteien. Wenn er aber sich zeigte, geschah
es mit dem vollständigen Hofstaat seiner vornehmen und gerin-
gen Clienten, und eben seine feierliche Zurückgezogenheit impo-
nirte der Menge. Wenn er, an dem noch der volle Glanz sei-
ner ungemeinen Erfolge unvermindert haftete, jetzt sich erbot
nach dem Osten abzugehen, so ward er ohne Zweifel mit aller
von ihm selbst geforderten militärischen und politischen Macht-
vollkommenheit von der Bürgerschaft bereitwillig bekleidet. Für
die Oligarchie, die in der populären Militärdictatur ihren sicheren
Ruin, in Pompeius selbst seit der Coalition von 683 ihren ver-
hasstesten Feind sah, war dies ein vernichtender Schlag; aber
auch der demokratischen Partei konnte dabei nicht wohl zu Mu-
the sein. So wünschenswerth es ihr an sich auch sein musste
dem Regiment des Senats ein Ende zu machen, so war es doch,
wenn es in dieser Weise geschah, weit weniger ein Sieg ihrer
Partei als ein persönlicher ihres übermächtigen militärischen Ver-
bündeten. Leicht konnte in diesem der demokratischen Partei
ein weit gefährlicherer Gegner aufstehen, als der Senat war. Die
wenige Jahre zuvor durch die Entlassung der spanischen Armee
und Pompeius Rücktritt glücklich vermiedene Gefahr kehrte in
verstärktem Masse wieder, wenn Pompeius jetzt an die Spitze der
Armeen des Ostens trat.

Diesmal indess griff Pompeius zu oder liess es wenigstens
geschehen, dass Andere für ihn zugriffen. Es wurden im J. 687
zwei Gesetzvorschläge eingebracht, von denen der eine ausser
der längst von der Demokratie geforderten Entlassung der aus-
gedienten Soldaten der asiatischen Armee die Abberufung des
Oberfeldherrn derselben Lucius Lucullus und dessen Ersetzung

FÜNFTES BUCH. KAPITEL III.
heiten sich selber zueigneten, war das Senatsregiment gestürzt;
und jetzt war dies möglich. Wenn jetzt Vorschläge über eine
andere und bessere Führung des Land- und Seekrieges an die
Comitien gebracht wurden, so war bei der Stimmung der Bürger-
schaft der Senat voraussichtlich nicht im Stande deren Durch-
setzung zu verhindern; und eine Intervention der Bürgerschaft
in diesen höchsten Verwaltungsfragen war thatsächlich die Ab-
setzung des Senats und die Uebertragung der Leitung des Staats
an die Führer der Opposition. Wieder einmal brachte die Ver-
kettung der Dinge die Entscheidung in die Hände des Pompeius.
Seit mehr als zwei Jahren lebte der gefeierte Feldherr als Privat-
mann in der Hauptstadt. Seine Stimme ward im Rathhaus wie
auf dem Markte selten vernommen; dort war er nicht gern ge-
sehen und ohne Einfluſs, hier scheute er sich vor dem stürmi-
schen Treiben der Parteien. Wenn er aber sich zeigte, geschah
es mit dem vollständigen Hofstaat seiner vornehmen und gerin-
gen Clienten, und eben seine feierliche Zurückgezogenheit impo-
nirte der Menge. Wenn er, an dem noch der volle Glanz sei-
ner ungemeinen Erfolge unvermindert haftete, jetzt sich erbot
nach dem Osten abzugehen, so ward er ohne Zweifel mit aller
von ihm selbst geforderten militärischen und politischen Macht-
vollkommenheit von der Bürgerschaft bereitwillig bekleidet. Für
die Oligarchie, die in der populären Militärdictatur ihren sicheren
Ruin, in Pompeius selbst seit der Coalition von 683 ihren ver-
haſstesten Feind sah, war dies ein vernichtender Schlag; aber
auch der demokratischen Partei konnte dabei nicht wohl zu Mu-
the sein. So wünschenswerth es ihr an sich auch sein muſste
dem Regiment des Senats ein Ende zu machen, so war es doch,
wenn es in dieser Weise geschah, weit weniger ein Sieg ihrer
Partei als ein persönlicher ihres übermächtigen militärischen Ver-
bündeten. Leicht konnte in diesem der demokratischen Partei
ein weit gefährlicherer Gegner aufstehen, als der Senat war. Die
wenige Jahre zuvor durch die Entlassung der spanischen Armee
und Pompeius Rücktritt glücklich vermiedene Gefahr kehrte in
verstärktem Maſse wieder, wenn Pompeius jetzt an die Spitze der
Armeen des Ostens trat.

Diesmal indeſs griff Pompeius zu oder lieſs es wenigstens
geschehen, daſs Andere für ihn zugriffen. Es wurden im J. 687
zwei Gesetzvorschläge eingebracht, von denen der eine auſser
der längst von der Demokratie geforderten Entlassung der aus-
gedienten Soldaten der asiatischen Armee die Abberufung des
Oberfeldherrn derselben Lucius Lucullus und dessen Ersetzung

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[98/0108] FÜNFTES BUCH. KAPITEL III. heiten sich selber zueigneten, war das Senatsregiment gestürzt; und jetzt war dies möglich. Wenn jetzt Vorschläge über eine andere und bessere Führung des Land- und Seekrieges an die Comitien gebracht wurden, so war bei der Stimmung der Bürger- schaft der Senat voraussichtlich nicht im Stande deren Durch- setzung zu verhindern; und eine Intervention der Bürgerschaft in diesen höchsten Verwaltungsfragen war thatsächlich die Ab- setzung des Senats und die Uebertragung der Leitung des Staats an die Führer der Opposition. Wieder einmal brachte die Ver- kettung der Dinge die Entscheidung in die Hände des Pompeius. Seit mehr als zwei Jahren lebte der gefeierte Feldherr als Privat- mann in der Hauptstadt. Seine Stimme ward im Rathhaus wie auf dem Markte selten vernommen; dort war er nicht gern ge- sehen und ohne Einfluſs, hier scheute er sich vor dem stürmi- schen Treiben der Parteien. Wenn er aber sich zeigte, geschah es mit dem vollständigen Hofstaat seiner vornehmen und gerin- gen Clienten, und eben seine feierliche Zurückgezogenheit impo- nirte der Menge. Wenn er, an dem noch der volle Glanz sei- ner ungemeinen Erfolge unvermindert haftete, jetzt sich erbot nach dem Osten abzugehen, so ward er ohne Zweifel mit aller von ihm selbst geforderten militärischen und politischen Macht- vollkommenheit von der Bürgerschaft bereitwillig bekleidet. Für die Oligarchie, die in der populären Militärdictatur ihren sicheren Ruin, in Pompeius selbst seit der Coalition von 683 ihren ver- haſstesten Feind sah, war dies ein vernichtender Schlag; aber auch der demokratischen Partei konnte dabei nicht wohl zu Mu- the sein. So wünschenswerth es ihr an sich auch sein muſste dem Regiment des Senats ein Ende zu machen, so war es doch, wenn es in dieser Weise geschah, weit weniger ein Sieg ihrer Partei als ein persönlicher ihres übermächtigen militärischen Ver- bündeten. Leicht konnte in diesem der demokratischen Partei ein weit gefährlicherer Gegner aufstehen, als der Senat war. Die wenige Jahre zuvor durch die Entlassung der spanischen Armee und Pompeius Rücktritt glücklich vermiedene Gefahr kehrte in verstärktem Maſse wieder, wenn Pompeius jetzt an die Spitze der Armeen des Ostens trat. Diesmal indeſs griff Pompeius zu oder lieſs es wenigstens geschehen, daſs Andere für ihn zugriffen. Es wurden im J. 687 zwei Gesetzvorschläge eingebracht, von denen der eine auſser der längst von der Demokratie geforderten Entlassung der aus- gedienten Soldaten der asiatischen Armee die Abberufung des Oberfeldherrn derselben Lucius Lucullus und dessen Ersetzung

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/108>, abgerufen am 27.11.2024.