wo Octavius selbst gefangen genommen und beschimpft entlas- sen, die mit ihm gefangenen Kreter aber dem Henker überliefert wurden. So kam es zu förmlichen Gefechten zwischen Sisennas Truppen, an deren Spitze nach dieses Führers Tode sich Octa- vius stellte, und denen des Metellus; selbst als jene nach Achaia zurückcommandirt worden waren, setzte Octavius in Gemein- schaft mit dem Kreter Aristion den Krieg fort und Hierapytna, wo beide sich hielten, ward von Metellus erst nach der hart- näckigsten Gegenwehr bezwungen. Diese Auftritte waren in der That nichts anderes als der förmliche Bürgerkrieg, den der eifrige Optimat Metellus gegen den Oberfeldherrn der Demokratie auf eigene Hand begann; und es zeugt von der unbeschreiblichen Zerrüttung der römischen Staatsverhältnisse, dass derselbe den- noch zu nichts weiterem führte als zu einer bittern Correspon- denz zwischen den beiden Generalen, die ein paar Jahre darauf wieder friedlich und sogar ,freundschaftlich' neben einander im Senate sassen.
Pompeius stand während dieser Vorgänge in Kilikien; für das nächste Jahr, wie es schien, einen Feldzug vorbereitend ge- gen die Kretenser oder vielmehr gegen Metellus, in der That des Winkes harrend, der ihn zum Eingreifen in die gründlich ver- wirrten Angelegenheiten des kleinasiatischen Continents berief. Was von Lucullus Heer nach den erlittenen Verlusten und der Verabschiedung der fimbrianischen Legionen noch übrig war, stand unthätig am obern Halys in der Landschaft der Trokmer an der Grenze des pontischen Gebietes. Den Oberbefehl führte einstweilen immer noch Lucullus, da sein ernannter Nachfolger Glabrio fortfuhr in Vorderasien zu säumen. Ebenso unthätig la- gerten in Kilikien die drei von Quintus Marcius Rex befehligten Legionen. Das pontische Gebiet war wieder ganz in der Ge- walt des Königs Mithradates, der die einzelnen Männer und Ge- meinden, die den Römern sich angeschlossen hatten, wie z. B. die Stadt Eupatoria, mit grausamer Strenge ihren Abfall büssen liess; zu einer ernstlichen Offensive gegen die Römer schritten die Könige des Ostens nicht, sei es dass sie überhaupt nicht in ihrem Plan lag, sei es, was auch behauptet wurde, dass Pompeius Lan- dung in Kilikien die Könige Mithradates und Tigranes von wei- terem Vorgehen abschreckte. Rascher als Pompeius selbst es ge- hofft haben mochte, verwirklichte das manilische Gesetz seine im Stillen genährten Hoffnungen: Glabrio und Rex wurden abbe- rufen und die Statthalterschaften Pontus-Bithynien und Kilikien mit den darin stehenden Truppen so wie die Führung des pon-
POMPEIUS UND DER OSTEN.
wo Octavius selbst gefangen genommen und beschimpft entlas- sen, die mit ihm gefangenen Kreter aber dem Henker überliefert wurden. So kam es zu förmlichen Gefechten zwischen Sisennas Truppen, an deren Spitze nach dieses Führers Tode sich Octa- vius stellte, und denen des Metellus; selbst als jene nach Achaia zurückcommandirt worden waren, setzte Octavius in Gemein- schaft mit dem Kreter Aristion den Krieg fort und Hierapytna, wo beide sich hielten, ward von Metellus erst nach der hart- näckigsten Gegenwehr bezwungen. Diese Auftritte waren in der That nichts anderes als der förmliche Bürgerkrieg, den der eifrige Optimat Metellus gegen den Oberfeldherrn der Demokratie auf eigene Hand begann; und es zeugt von der unbeschreiblichen Zerrüttung der römischen Staatsverhältnisse, daſs derselbe den- noch zu nichts weiterem führte als zu einer bittern Correspon- denz zwischen den beiden Generalen, die ein paar Jahre darauf wieder friedlich und sogar ‚freundschaftlich‘ neben einander im Senate saſsen.
Pompeius stand während dieser Vorgänge in Kilikien; für das nächste Jahr, wie es schien, einen Feldzug vorbereitend ge- gen die Kretenser oder vielmehr gegen Metellus, in der That des Winkes harrend, der ihn zum Eingreifen in die gründlich ver- wirrten Angelegenheiten des kleinasiatischen Continents berief. Was von Lucullus Heer nach den erlittenen Verlusten und der Verabschiedung der fimbrianischen Legionen noch übrig war, stand unthätig am obern Halys in der Landschaft der Trokmer an der Grenze des pontischen Gebietes. Den Oberbefehl führte einstweilen immer noch Lucullus, da sein ernannter Nachfolger Glabrio fortfuhr in Vorderasien zu säumen. Ebenso unthätig la- gerten in Kilikien die drei von Quintus Marcius Rex befehligten Legionen. Das pontische Gebiet war wieder ganz in der Ge- walt des Königs Mithradates, der die einzelnen Männer und Ge- meinden, die den Römern sich angeschlossen hatten, wie z. B. die Stadt Eupatoria, mit grausamer Strenge ihren Abfall büſsen lieſs; zu einer ernstlichen Offensive gegen die Römer schritten die Könige des Ostens nicht, sei es daſs sie überhaupt nicht in ihrem Plan lag, sei es, was auch behauptet wurde, daſs Pompeius Lan- dung in Kilikien die Könige Mithradates und Tigranes von wei- terem Vorgehen abschreckte. Rascher als Pompeius selbst es ge- hofft haben mochte, verwirklichte das manilische Gesetz seine im Stillen genährten Hoffnungen: Glabrio und Rex wurden abbe- rufen und die Statthalterschaften Pontus-Bithynien und Kilikien mit den darin stehenden Truppen so wie die Führung des pon-
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POMPEIUS UND DER OSTEN.
wo Octavius selbst gefangen genommen und beschimpft entlas-
sen, die mit ihm gefangenen Kreter aber dem Henker überliefert
wurden. So kam es zu förmlichen Gefechten zwischen Sisennas
Truppen, an deren Spitze nach dieses Führers Tode sich Octa-
vius stellte, und denen des Metellus; selbst als jene nach Achaia
zurückcommandirt worden waren, setzte Octavius in Gemein-
schaft mit dem Kreter Aristion den Krieg fort und Hierapytna,
wo beide sich hielten, ward von Metellus erst nach der hart-
näckigsten Gegenwehr bezwungen. Diese Auftritte waren in der
That nichts anderes als der förmliche Bürgerkrieg, den der eifrige
Optimat Metellus gegen den Oberfeldherrn der Demokratie auf
eigene Hand begann; und es zeugt von der unbeschreiblichen
Zerrüttung der römischen Staatsverhältnisse, daſs derselbe den-
noch zu nichts weiterem führte als zu einer bittern Correspon-
denz zwischen den beiden Generalen, die ein paar Jahre darauf
wieder friedlich und sogar ‚freundschaftlich‘ neben einander im
Senate saſsen.
Pompeius stand während dieser Vorgänge in Kilikien; für
das nächste Jahr, wie es schien, einen Feldzug vorbereitend ge-
gen die Kretenser oder vielmehr gegen Metellus, in der That des
Winkes harrend, der ihn zum Eingreifen in die gründlich ver-
wirrten Angelegenheiten des kleinasiatischen Continents berief.
Was von Lucullus Heer nach den erlittenen Verlusten und der
Verabschiedung der fimbrianischen Legionen noch übrig war,
stand unthätig am obern Halys in der Landschaft der Trokmer
an der Grenze des pontischen Gebietes. Den Oberbefehl führte
einstweilen immer noch Lucullus, da sein ernannter Nachfolger
Glabrio fortfuhr in Vorderasien zu säumen. Ebenso unthätig la-
gerten in Kilikien die drei von Quintus Marcius Rex befehligten
Legionen. Das pontische Gebiet war wieder ganz in der Ge-
walt des Königs Mithradates, der die einzelnen Männer und Ge-
meinden, die den Römern sich angeschlossen hatten, wie z. B.
die Stadt Eupatoria, mit grausamer Strenge ihren Abfall büſsen
lieſs; zu einer ernstlichen Offensive gegen die Römer schritten die
Könige des Ostens nicht, sei es daſs sie überhaupt nicht in ihrem
Plan lag, sei es, was auch behauptet wurde, daſs Pompeius Lan-
dung in Kilikien die Könige Mithradates und Tigranes von wei-
terem Vorgehen abschreckte. Rascher als Pompeius selbst es ge-
hofft haben mochte, verwirklichte das manilische Gesetz seine im
Stillen genährten Hoffnungen: Glabrio und Rex wurden abbe-
rufen und die Statthalterschaften Pontus-Bithynien und Kilikien
mit den darin stehenden Truppen so wie die Führung des pon-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/121>, abgerufen am 16.07.2024.
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