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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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POMPEIUS UND DER OSTEN.
es heisst, mit bedeutenden Summen bestochen -- im Streite der
beiden Brüder Hyrkanos und Aristobulos zu Gunsten des letz-
teren entschieden, auch den König Aretas veranlasst die Belage-
rung von Jerusalem aufzuheben und sich in seine Heimath zu be-
geben, wobei er auf dem Rückweg noch von Aristobulos eine
Niederlage erlitt. Als aber Pompeius in Syrien eintraf, cassirte er
die Anordnungen seiner Untergebenen und wies die Juden an ihre
alte Hochpriesterverfassung, wie der Senat sie um 593 anerkannt
hatte (II, 56), wieder einzuführen und, wie auf das Fürstenthum
selbst, so auch auf alle von den hasmonäischen Fürsten gemach-
ten Eroberungen zu verzichten. Es waren die Pharisäer, welche
eine Gesandtschaft von zweihundert ihrer angesehensten Männer
an den römischen Feldherrn gesandt und von ihm den Sturz der
Königsherrschaft erwirkt hatten; nicht zum Vortheil der eigenen
Nation, aber wohl zu dem der Römer, die der Natur der Sache
nach auch hier zurückkommen mussten auf die alten Rechte der
Seleukiden und eine erobernde Macht, wie die des Jannaeos
war, innerhalb ihres Reiches nicht dulden konnten. Aristobulos
schwankte, ob er das Unvermeidliche geduldig über sich ergehen
lassen wolle oder mit den Waffen in der Hand dem Verhängniss
erliegen; bald schien er im Begriff sich Pompeius zu unterwer-
fen, bald die nationale Partei unter den Juden zum Kampfe gegen
die Römer aufzurufen. Als er endlich, da schon die Legionen
vor den Thoren von Jerusalem standen, sich dem Feinde ergab,
weigerte sich der entschlossenere oder fanatisirtere Theil seiner
Armee den Befehlen des unfreien Königs Folge zu leisten. Zwar
unterwarf sich die Hauptstadt dennoch den Römern; aber den
steilen Tempelfelsen vertheidigte jene fanatische Schaar drei Mo-
nate hindurch mit todesmuthiger Hartnäckigkeit, bis endlich wäh-
rend der Sabbathruhe der Belagerten die Belagerer eindrangen,
des Heiligthums sich bemächtigten und die Anstifter dieser ver-
zweifelten Gegenwehr, so weit sie nicht unter den römischen
Schwertern gefallen waren, unter die Beile der Lictoren sandten.
Damit ging der letzte Widerstand der neu zum römischen Staat
gezogenen Gebiete zu Ende.

Das von Lucullus begonnene Werk hatte Pompeius vollen-
det: die bisher wenigstens dem Namen nach selbstständigen Staa-
ten Bithynien, Pontus und Syrien waren mit dem römischen ver-
einigt; was man seit mehr als hundert Jahren als nothwendig er-
kannt hatte, die Vertauschung des schwächlichen Clientelsystems
mit der unmittelbaren Herrschaft über die wichtigeren abhängigen
Gebiete (II, 21) war verwirklicht worden, so wie der Senat ge-

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POMPEIUS UND DER OSTEN.
es heiſst, mit bedeutenden Summen bestochen — im Streite der
beiden Brüder Hyrkanos und Aristobulos zu Gunsten des letz-
teren entschieden, auch den König Aretas veranlaſst die Belage-
rung von Jerusalem aufzuheben und sich in seine Heimath zu be-
geben, wobei er auf dem Rückweg noch von Aristobulos eine
Niederlage erlitt. Als aber Pompeius in Syrien eintraf, cassirte er
die Anordnungen seiner Untergebenen und wies die Juden an ihre
alte Hochpriesterverfassung, wie der Senat sie um 593 anerkannt
hatte (II, 56), wieder einzuführen und, wie auf das Fürstenthum
selbst, so auch auf alle von den hasmonäischen Fürsten gemach-
ten Eroberungen zu verzichten. Es waren die Pharisäer, welche
eine Gesandtschaft von zweihundert ihrer angesehensten Männer
an den römischen Feldherrn gesandt und von ihm den Sturz der
Königsherrschaft erwirkt hatten; nicht zum Vortheil der eigenen
Nation, aber wohl zu dem der Römer, die der Natur der Sache
nach auch hier zurückkommen muſsten auf die alten Rechte der
Seleukiden und eine erobernde Macht, wie die des Jannaeos
war, innerhalb ihres Reiches nicht dulden konnten. Aristobulos
schwankte, ob er das Unvermeidliche geduldig über sich ergehen
lassen wolle oder mit den Waffen in der Hand dem Verhängniſs
erliegen; bald schien er im Begriff sich Pompeius zu unterwer-
fen, bald die nationale Partei unter den Juden zum Kampfe gegen
die Römer aufzurufen. Als er endlich, da schon die Legionen
vor den Thoren von Jerusalem standen, sich dem Feinde ergab,
weigerte sich der entschlossenere oder fanatisirtere Theil seiner
Armee den Befehlen des unfreien Königs Folge zu leisten. Zwar
unterwarf sich die Hauptstadt dennoch den Römern; aber den
steilen Tempelfelsen vertheidigte jene fanatische Schaar drei Mo-
nate hindurch mit todesmuthiger Hartnäckigkeit, bis endlich wäh-
rend der Sabbathruhe der Belagerten die Belagerer eindrangen,
des Heiligthums sich bemächtigten und die Anstifter dieser ver-
zweifelten Gegenwehr, so weit sie nicht unter den römischen
Schwertern gefallen waren, unter die Beile der Lictoren sandten.
Damit ging der letzte Widerstand der neu zum römischen Staat
gezogenen Gebiete zu Ende.

Das von Lucullus begonnene Werk hatte Pompeius vollen-
det: die bisher wenigstens dem Namen nach selbstständigen Staa-
ten Bithynien, Pontus und Syrien waren mit dem römischen ver-
einigt; was man seit mehr als hundert Jahren als nothwendig er-
kannt hatte, die Vertauschung des schwächlichen Clientelsystems
mit der unmittelbaren Herrschaft über die wichtigeren abhängigen
Gebiete (II, 21) war verwirklicht worden, so wie der Senat ge-

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[131/0141] POMPEIUS UND DER OSTEN. es heiſst, mit bedeutenden Summen bestochen — im Streite der beiden Brüder Hyrkanos und Aristobulos zu Gunsten des letz- teren entschieden, auch den König Aretas veranlaſst die Belage- rung von Jerusalem aufzuheben und sich in seine Heimath zu be- geben, wobei er auf dem Rückweg noch von Aristobulos eine Niederlage erlitt. Als aber Pompeius in Syrien eintraf, cassirte er die Anordnungen seiner Untergebenen und wies die Juden an ihre alte Hochpriesterverfassung, wie der Senat sie um 593 anerkannt hatte (II, 56), wieder einzuführen und, wie auf das Fürstenthum selbst, so auch auf alle von den hasmonäischen Fürsten gemach- ten Eroberungen zu verzichten. Es waren die Pharisäer, welche eine Gesandtschaft von zweihundert ihrer angesehensten Männer an den römischen Feldherrn gesandt und von ihm den Sturz der Königsherrschaft erwirkt hatten; nicht zum Vortheil der eigenen Nation, aber wohl zu dem der Römer, die der Natur der Sache nach auch hier zurückkommen muſsten auf die alten Rechte der Seleukiden und eine erobernde Macht, wie die des Jannaeos war, innerhalb ihres Reiches nicht dulden konnten. Aristobulos schwankte, ob er das Unvermeidliche geduldig über sich ergehen lassen wolle oder mit den Waffen in der Hand dem Verhängniſs erliegen; bald schien er im Begriff sich Pompeius zu unterwer- fen, bald die nationale Partei unter den Juden zum Kampfe gegen die Römer aufzurufen. Als er endlich, da schon die Legionen vor den Thoren von Jerusalem standen, sich dem Feinde ergab, weigerte sich der entschlossenere oder fanatisirtere Theil seiner Armee den Befehlen des unfreien Königs Folge zu leisten. Zwar unterwarf sich die Hauptstadt dennoch den Römern; aber den steilen Tempelfelsen vertheidigte jene fanatische Schaar drei Mo- nate hindurch mit todesmuthiger Hartnäckigkeit, bis endlich wäh- rend der Sabbathruhe der Belagerten die Belagerer eindrangen, des Heiligthums sich bemächtigten und die Anstifter dieser ver- zweifelten Gegenwehr, so weit sie nicht unter den römischen Schwertern gefallen waren, unter die Beile der Lictoren sandten. Damit ging der letzte Widerstand der neu zum römischen Staat gezogenen Gebiete zu Ende. Das von Lucullus begonnene Werk hatte Pompeius vollen- det: die bisher wenigstens dem Namen nach selbstständigen Staa- ten Bithynien, Pontus und Syrien waren mit dem römischen ver- einigt; was man seit mehr als hundert Jahren als nothwendig er- kannt hatte, die Vertauschung des schwächlichen Clientelsystems mit der unmittelbaren Herrschaft über die wichtigeren abhängigen Gebiete (II, 21) war verwirklicht worden, so wie der Senat ge- 9*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/141>, abgerufen am 23.11.2024.