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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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sentlich gemildert und sodann die zur Aburtheilung des Schul-
digen berufene Volksversammlung unter irgend einem Vorwand
von der Gegenpartei aufgelöst und die ganze Procedur damit
beseitigt ward. Immer waren durch dies Verfahren die beiden
Palladien der römischen Freiheit, das Provocationsrecht der
Bürgerschaft und die Unverletzlichkeit des Volkstribunats noch
einmal als praktisches Recht festgestellt und der demokratische
Rechtsboden in den vorigen Stand wieder eingesetzt worden. --
Mit noch grösserer Leidenschaftlichkeit trat die demokratische
Reaction in allen Personenfragen auf. Zwar gebot es die Klug-
heit die Rückgabe der von Sulla eingezogenen Güter an die ehe-
maligen Eigenthümer nicht zu vertreten, um nicht mit den ma-
teriellen Interessen in einen Kampf zu gerathen, dem die Ten-
denzpolitik selten gewachsen ist; auch die Rückberufung der
Emigrirten hing mit dieser Vermögensfrage zu eng zusammen
um nicht ebenso unräthlich zu erscheinen. Dagegen machte
man grosse Anstrengungen um den Kindern der Geächteten die
ihnen entzogenen politischen Rechte zurückzugeben (691), und
die Spitzen der Senatspartei wurden von persönlichen Angriffen
verfolgt. So hing dem Marcus Lucullus Gaius Memmius im J. 688
einen Tendenzprozess an. So liess man seinen berühmteren Bru-
der vor den Thoren der Hauptstadt drei Jahre auf den Triumph
harren (688--691). Aehnlich wurden Quintus Rex und der Er-
oberer von Kreta Quintus Metellus insultirt. Grösseres Aufsehen
noch machte es, dass der junge Führer der Demokratie Gaius
Caesar im J. 691 sich es herausnahm bei der Bewerbung um das
höchste Priesteramt mit den beiden angesehensten Männern der
Nobilität Quintus Catulus und Publius Servilius, dem Sieger von
Isaura, zu concurriren und sogar bei der Bürgerschaft ihnen den
Rang abzulaufen. Die Erben Sullas, namentlich sein Sohn Fau-
stus sahen sich beständig bedroht von einer Klage auf Rücker-
stattung der von dem Regenten angeblich unterschlagenen öffent-
lichen Gelder. Man sprach sogar von der Wiederaufnahme der
im J. 664 sistirten demokratischen Anklagen auf Grund des va-
rischen Gesetzes (II, 229). Am nachdrücklichsten wurden be-
greiflicher Weise die bei den sullanischen Executionen betheiligten
Individuen gerichtlich verfolgt. Wenn der Quästor Marcus Cato
in seiner täppischen Ehrlichkeit selber den Anfang damit machte
ihnen die empfangenen Mordprämien als widerrechtlich dem
Staate entfremdetes Gut wieder abzufordern (689), so kann es
nicht befremden, dass das Jahr darauf (690) Gaius Caesar als
Vorsitzender in dem Mordgericht die Clausel in der sullanischen

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sentlich gemildert und sodann die zur Aburtheilung des Schul-
digen berufene Volksversammlung unter irgend einem Vorwand
von der Gegenpartei aufgelöst und die ganze Procedur damit
beseitigt ward. Immer waren durch dies Verfahren die beiden
Palladien der römischen Freiheit, das Provocationsrecht der
Bürgerschaft und die Unverletzlichkeit des Volkstribunats noch
einmal als praktisches Recht festgestellt und der demokratische
Rechtsboden in den vorigen Stand wieder eingesetzt worden. —
Mit noch gröſserer Leidenschaftlichkeit trat die demokratische
Reaction in allen Personenfragen auf. Zwar gebot es die Klug-
heit die Rückgabe der von Sulla eingezogenen Güter an die ehe-
maligen Eigenthümer nicht zu vertreten, um nicht mit den ma-
teriellen Interessen in einen Kampf zu gerathen, dem die Ten-
denzpolitik selten gewachsen ist; auch die Rückberufung der
Emigrirten hing mit dieser Vermögensfrage zu eng zusammen
um nicht ebenso unräthlich zu erscheinen. Dagegen machte
man groſse Anstrengungen um den Kindern der Geächteten die
ihnen entzogenen politischen Rechte zurückzugeben (691), und
die Spitzen der Senatspartei wurden von persönlichen Angriffen
verfolgt. So hing dem Marcus Lucullus Gaius Memmius im J. 688
einen Tendenzprozeſs an. So lieſs man seinen berühmteren Bru-
der vor den Thoren der Hauptstadt drei Jahre auf den Triumph
harren (688—691). Aehnlich wurden Quintus Rex und der Er-
oberer von Kreta Quintus Metellus insultirt. Gröſseres Aufsehen
noch machte es, daſs der junge Führer der Demokratie Gaius
Caesar im J. 691 sich es herausnahm bei der Bewerbung um das
höchste Priesteramt mit den beiden angesehensten Männern der
Nobilität Quintus Catulus und Publius Servilius, dem Sieger von
Isaura, zu concurriren und sogar bei der Bürgerschaft ihnen den
Rang abzulaufen. Die Erben Sullas, namentlich sein Sohn Fau-
stus sahen sich beständig bedroht von einer Klage auf Rücker-
stattung der von dem Regenten angeblich unterschlagenen öffent-
lichen Gelder. Man sprach sogar von der Wiederaufnahme der
im J. 664 sistirten demokratischen Anklagen auf Grund des va-
rischen Gesetzes (II, 229). Am nachdrücklichsten wurden be-
greiflicher Weise die bei den sullanischen Executionen betheiligten
Individuen gerichtlich verfolgt. Wenn der Quästor Marcus Cato
in seiner täppischen Ehrlichkeit selber den Anfang damit machte
ihnen die empfangenen Mordprämien als widerrechtlich dem
Staate entfremdetes Gut wieder abzufordern (689), so kann es
nicht befremden, daſs das Jahr darauf (690) Gaius Caesar als
Vorsitzender in dem Mordgericht die Clausel in der sullanischen

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[154/0164] FÜNFTES BUCH. KAPITEL V. sentlich gemildert und sodann die zur Aburtheilung des Schul- digen berufene Volksversammlung unter irgend einem Vorwand von der Gegenpartei aufgelöst und die ganze Procedur damit beseitigt ward. Immer waren durch dies Verfahren die beiden Palladien der römischen Freiheit, das Provocationsrecht der Bürgerschaft und die Unverletzlichkeit des Volkstribunats noch einmal als praktisches Recht festgestellt und der demokratische Rechtsboden in den vorigen Stand wieder eingesetzt worden. — Mit noch gröſserer Leidenschaftlichkeit trat die demokratische Reaction in allen Personenfragen auf. Zwar gebot es die Klug- heit die Rückgabe der von Sulla eingezogenen Güter an die ehe- maligen Eigenthümer nicht zu vertreten, um nicht mit den ma- teriellen Interessen in einen Kampf zu gerathen, dem die Ten- denzpolitik selten gewachsen ist; auch die Rückberufung der Emigrirten hing mit dieser Vermögensfrage zu eng zusammen um nicht ebenso unräthlich zu erscheinen. Dagegen machte man groſse Anstrengungen um den Kindern der Geächteten die ihnen entzogenen politischen Rechte zurückzugeben (691), und die Spitzen der Senatspartei wurden von persönlichen Angriffen verfolgt. So hing dem Marcus Lucullus Gaius Memmius im J. 688 einen Tendenzprozeſs an. So lieſs man seinen berühmteren Bru- der vor den Thoren der Hauptstadt drei Jahre auf den Triumph harren (688—691). Aehnlich wurden Quintus Rex und der Er- oberer von Kreta Quintus Metellus insultirt. Gröſseres Aufsehen noch machte es, daſs der junge Führer der Demokratie Gaius Caesar im J. 691 sich es herausnahm bei der Bewerbung um das höchste Priesteramt mit den beiden angesehensten Männern der Nobilität Quintus Catulus und Publius Servilius, dem Sieger von Isaura, zu concurriren und sogar bei der Bürgerschaft ihnen den Rang abzulaufen. Die Erben Sullas, namentlich sein Sohn Fau- stus sahen sich beständig bedroht von einer Klage auf Rücker- stattung der von dem Regenten angeblich unterschlagenen öffent- lichen Gelder. Man sprach sogar von der Wiederaufnahme der im J. 664 sistirten demokratischen Anklagen auf Grund des va- rischen Gesetzes (II, 229). Am nachdrücklichsten wurden be- greiflicher Weise die bei den sullanischen Executionen betheiligten Individuen gerichtlich verfolgt. Wenn der Quästor Marcus Cato in seiner täppischen Ehrlichkeit selber den Anfang damit machte ihnen die empfangenen Mordprämien als widerrechtlich dem Staate entfremdetes Gut wieder abzufordern (689), so kann es nicht befremden, daſs das Jahr darauf (690) Gaius Caesar als Vorsitzender in dem Mordgericht die Clausel in der sullanischen

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/164>, abgerufen am 28.11.2024.