Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.COALITION DER PRAETENDENTEN. und, wenn dies nicht ausreichen sollte, anderer italischer Grund-besitz, der aus dem Ertrage der neuen östlichen Provinzen zu dem in den Schätzungslisten verzeichneten Taxationswerth angekauft werden sollte; alle bestehenden Eigenthums- und Erbbesitzrechte blieben also unangetastet. Die einzelnen Parzelen waren klein. Die Landempfänger sollten arme Bürger Väter von wenigstens drei Kin- dern sein; der bedenkliche Grundsatz, dass der geleistete Militär- dienst Anspruch auf Grundbesitz gebe, ward nicht aufgestellt, son- dern es wurden nur, wie es billig und zu allen Zeiten geschehen war, die alten Soldaten so wie nicht minder die auszuweisenden Zeit- pächter den Landaustheilern vorzugsweise zur Berücksichtigung empfohlen. Die Ausführung ward einer Commission von zwanzig Männern übertragen, in die Caesar sich selber nicht wählen lassen zu wollen bestimmt erklärte. -- Die Opposition hatte gegen die- sen Vorschlag einen schweren Stand. Es liess sich vernünftiger Weise nicht leugnen, dass die Staatsfinanzen nach Einrichtung der Provinzen Pontus und Syrien im Stande sein mussten auf die campanischen Pachtgelder zu verzichten; dass es unverantwort- lich war einen der schönsten und eben zum Kleinbesitz vorzüg- lich geeigneten Districte Italiens dem Privatverkehr zu entziehen; dass es überhaupt ebenso ungerecht wie lächerlich war noch jetzt nach der Erstreckung des Bürgerrechts auf ganz Italien der Ortschaft Capua die Municipalrechte vorzuenthalten. Der ganze Vorschlag trug den Stempel der Mässigung, der Ehrlichkeit und der Solidität, womit sehr geschickt der demokratische Partei- character verbunden war; denn im Wesentlichen lief derselbe doch hinaus auf Wiederherstellung der in der marianischen Zeit gegründeten, von Sulla wieder aufgehobenen capuanischen Colo- nie (II, 301. 330). Auch in der Form beobachtete Caesar jede mögliche Rücksicht. Er legte den Entwurf des Ackergesetzes, so wie zugleich den Antrag die von Pompeius im Osten erlassenen Verfügungen in Bausch und Bogen zu ratificiren, und die Peti- tion der Steuerpächter um Nachlass eines Drittels der Pachtsum- men, zunächst dem Senat zur Begutachtung vor und erklärte sich bereit Abänderungsvorschläge entgegenzunehmen und zu discutiren. Das hohe Collegium hatte jetzt Gelegenheit sich zu überzeugen, wie thöricht es gehandelt hatte durch Verweigerung dieser Begehren Pompeius und die Ritterpartei dem Gegner in die Arme zu treiben. Vielleicht war es das stille Gefühl hiervon, das die hochgebornen Herren zu dem lautesten und mit dem ge- haltenen Auftreten Caesars übel contrastirenden Widerbellen trieb. Das Ackergesetz ward einfach und selbst ohne Discussion zu- Röm. Gesch. III. 13
COALITION DER PRAETENDENTEN. und, wenn dies nicht ausreichen sollte, anderer italischer Grund-besitz, der aus dem Ertrage der neuen östlichen Provinzen zu dem in den Schätzungslisten verzeichneten Taxationswerth angekauft werden sollte; alle bestehenden Eigenthums- und Erbbesitzrechte blieben also unangetastet. Die einzelnen Parzelen waren klein. Die Landempfänger sollten arme Bürger Väter von wenigstens drei Kin- dern sein; der bedenkliche Grundsatz, daſs der geleistete Militär- dienst Anspruch auf Grundbesitz gebe, ward nicht aufgestellt, son- dern es wurden nur, wie es billig und zu allen Zeiten geschehen war, die alten Soldaten so wie nicht minder die auszuweisenden Zeit- pächter den Landaustheilern vorzugsweise zur Berücksichtigung empfohlen. Die Ausführung ward einer Commission von zwanzig Männern übertragen, in die Caesar sich selber nicht wählen lassen zu wollen bestimmt erklärte. — Die Opposition hatte gegen die- sen Vorschlag einen schweren Stand. Es lieſs sich vernünftiger Weise nicht leugnen, daſs die Staatsfinanzen nach Einrichtung der Provinzen Pontus und Syrien im Stande sein muſsten auf die campanischen Pachtgelder zu verzichten; daſs es unverantwort- lich war einen der schönsten und eben zum Kleinbesitz vorzüg- lich geeigneten Districte Italiens dem Privatverkehr zu entziehen; daſs es überhaupt ebenso ungerecht wie lächerlich war noch jetzt nach der Erstreckung des Bürgerrechts auf ganz Italien der Ortschaft Capua die Municipalrechte vorzuenthalten. Der ganze Vorschlag trug den Stempel der Mäſsigung, der Ehrlichkeit und der Solidität, womit sehr geschickt der demokratische Partei- character verbunden war; denn im Wesentlichen lief derselbe doch hinaus auf Wiederherstellung der in der marianischen Zeit gegründeten, von Sulla wieder aufgehobenen capuanischen Colo- nie (II, 301. 330). Auch in der Form beobachtete Caesar jede mögliche Rücksicht. Er legte den Entwurf des Ackergesetzes, so wie zugleich den Antrag die von Pompeius im Osten erlassenen Verfügungen in Bausch und Bogen zu ratificiren, und die Peti- tion der Steuerpächter um Nachlaſs eines Drittels der Pachtsum- men, zunächst dem Senat zur Begutachtung vor und erklärte sich bereit Abänderungsvorschläge entgegenzunehmen und zu discutiren. Das hohe Collegium hatte jetzt Gelegenheit sich zu überzeugen, wie thöricht es gehandelt hatte durch Verweigerung dieser Begehren Pompeius und die Ritterpartei dem Gegner in die Arme zu treiben. Vielleicht war es das stille Gefühl hiervon, das die hochgebornen Herren zu dem lautesten und mit dem ge- haltenen Auftreten Caesars übel contrastirenden Widerbellen trieb. Das Ackergesetz ward einfach und selbst ohne Discussion zu- Röm. Gesch. III. 13
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COALITION DER PRAETENDENTEN.
und, wenn dies nicht ausreichen sollte, anderer italischer Grund-
besitz, der aus dem Ertrage der neuen östlichen Provinzen zu dem
in den Schätzungslisten verzeichneten Taxationswerth angekauft
werden sollte; alle bestehenden Eigenthums- und Erbbesitzrechte
blieben also unangetastet. Die einzelnen Parzelen waren klein. Die
Landempfänger sollten arme Bürger Väter von wenigstens drei Kin-
dern sein; der bedenkliche Grundsatz, daſs der geleistete Militär-
dienst Anspruch auf Grundbesitz gebe, ward nicht aufgestellt, son-
dern es wurden nur, wie es billig und zu allen Zeiten geschehen war,
die alten Soldaten so wie nicht minder die auszuweisenden Zeit-
pächter den Landaustheilern vorzugsweise zur Berücksichtigung
empfohlen. Die Ausführung ward einer Commission von zwanzig
Männern übertragen, in die Caesar sich selber nicht wählen lassen
zu wollen bestimmt erklärte. — Die Opposition hatte gegen die-
sen Vorschlag einen schweren Stand. Es lieſs sich vernünftiger
Weise nicht leugnen, daſs die Staatsfinanzen nach Einrichtung
der Provinzen Pontus und Syrien im Stande sein muſsten auf die
campanischen Pachtgelder zu verzichten; daſs es unverantwort-
lich war einen der schönsten und eben zum Kleinbesitz vorzüg-
lich geeigneten Districte Italiens dem Privatverkehr zu entziehen;
daſs es überhaupt ebenso ungerecht wie lächerlich war noch
jetzt nach der Erstreckung des Bürgerrechts auf ganz Italien der
Ortschaft Capua die Municipalrechte vorzuenthalten. Der ganze
Vorschlag trug den Stempel der Mäſsigung, der Ehrlichkeit und
der Solidität, womit sehr geschickt der demokratische Partei-
character verbunden war; denn im Wesentlichen lief derselbe
doch hinaus auf Wiederherstellung der in der marianischen Zeit
gegründeten, von Sulla wieder aufgehobenen capuanischen Colo-
nie (II, 301. 330). Auch in der Form beobachtete Caesar jede
mögliche Rücksicht. Er legte den Entwurf des Ackergesetzes, so
wie zugleich den Antrag die von Pompeius im Osten erlassenen
Verfügungen in Bausch und Bogen zu ratificiren, und die Peti-
tion der Steuerpächter um Nachlaſs eines Drittels der Pachtsum-
men, zunächst dem Senat zur Begutachtung vor und erklärte
sich bereit Abänderungsvorschläge entgegenzunehmen und zu
discutiren. Das hohe Collegium hatte jetzt Gelegenheit sich zu
überzeugen, wie thöricht es gehandelt hatte durch Verweigerung
dieser Begehren Pompeius und die Ritterpartei dem Gegner in
die Arme zu treiben. Vielleicht war es das stille Gefühl hiervon,
das die hochgebornen Herren zu dem lautesten und mit dem ge-
haltenen Auftreten Caesars übel contrastirenden Widerbellen trieb.
Das Ackergesetz ward einfach und selbst ohne Discussion zu-
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