Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.COALITION DER PRAETENDENTEN. Steuerpächter von der Bürgerschaft angenommen, die Zwanziger-commission, an ihrer Spitze Pompeius und Crassus, erwählt und in ihr Amt eingesetzt; mit allen ihren Anstrengungen hatte die Aristokratie nichts weiter erreicht, als dass ihre blinde und ge- hässige Widersetzlichkeit die Bande der Coalition noch fester ge- zogen und ihre Energie, deren sie bald bei wichtigern Dingen be- dürfen sollte, an diesen im Grunde gleichgültigen Angelegenhei- ten sich erschöpft hatte. Man becomplimentirte sich unter einan- der über den bewiesenen Heldenmuth; dass Bibulus erklärt hatte lieber sterben als weichen zu wollen, dass Cato gar noch in den Händen der Büttel fortgefahren hatte zu peroriren, waren grosse patriotische Thaten; übrigens ergab man sich in sein Schicksal. Der Consul Bibulus schloss sich für den noch übrigen Theil des Jahres in sein Haus ein, wobei er zugleich durch öffentlichen An- schlag bekannt machte, dass er die fromme Absicht habe an allen in diesem Jahr zu Volksversammlungen geeigneten Tagen nach Himmelszeichen zu spähen. Seine Collegen bewunderten wieder den grossen Mann, der, gleich wie Ennius von dem alten Fabius gesagt, ,den Staat durch Zaudern errette' und thaten wie er; die meisten derselben, darunter Cato, erschienen nicht mehr im Senat und halfen innerhalb der vier Wände ihrem Consul sich ärgern, dass der politischen Astronomie zum Trotz die Weltgeschichte weiter ging. Dem Publicum erschien diese Passivität des Con- suls so wie überhaupt der Aristokratie wie billig als deren politi- sche Abdication; und die Coalition war natürlich sehr wohl damit zufrieden, dass man sie die weiteren Schritte fast ungestört thun liess. Der wichtigste darunter war die Regulirung der künftigen Stellung Caesars. Verfassungsmässig lag es dem Senat ob die Competenzen der Consuln in ihrem zweiten Amtsjahr noch vor ihrer Wahl festzustellen; demgemäss hatte er denn auch, in Vor- aussicht der Wahl Caesars, dazu für 696 die gleichgültigsten Ge- schäfte, Strassenbauten und dergleichen nützliche Dinge auserse- hen. Natürlich konnte es dabei nicht bleiben; es war unter den Verbündeten ausgemacht, dass Caesar ein ausserordentliches nach dem Muster der gabinisch-manilischen Gesetze zugeschnittenes Commando durch Volksschluss erhalten solle. Caesar hatte öffent- lich erklärt keinen Antrag zu seinem eigenen Gunsten einbrin- gen zu wollen; so übernahm es der Volkstribun Publius Vatinius den Antrag bei der Bürgerschaft zu stellen, die natürlich unbedingt gehorchte. Caesar erhielt dadurch die Statthalterschaft des cisal- pinischen Galliens und den Oberbefehl der drei daselbst stehen- den schon im Grenzkrieg unter Lucius Afranius erprobten Le- 13*
COALITION DER PRAETENDENTEN. Steuerpächter von der Bürgerschaft angenommen, die Zwanziger-commission, an ihrer Spitze Pompeius und Crassus, erwählt und in ihr Amt eingesetzt; mit allen ihren Anstrengungen hatte die Aristokratie nichts weiter erreicht, als daſs ihre blinde und ge- hässige Widersetzlichkeit die Bande der Coalition noch fester ge- zogen und ihre Energie, deren sie bald bei wichtigern Dingen be- dürfen sollte, an diesen im Grunde gleichgültigen Angelegenhei- ten sich erschöpft hatte. Man becomplimentirte sich unter einan- der über den bewiesenen Heldenmuth; daſs Bibulus erklärt hatte lieber sterben als weichen zu wollen, daſs Cato gar noch in den Händen der Büttel fortgefahren hatte zu peroriren, waren groſse patriotische Thaten; übrigens ergab man sich in sein Schicksal. Der Consul Bibulus schloſs sich für den noch übrigen Theil des Jahres in sein Haus ein, wobei er zugleich durch öffentlichen An- schlag bekannt machte, daſs er die fromme Absicht habe an allen in diesem Jahr zu Volksversammlungen geeigneten Tagen nach Himmelszeichen zu spähen. Seine Collegen bewunderten wieder den groſsen Mann, der, gleich wie Ennius von dem alten Fabius gesagt, ‚den Staat durch Zaudern errette‘ und thaten wie er; die meisten derselben, darunter Cato, erschienen nicht mehr im Senat und halfen innerhalb der vier Wände ihrem Consul sich ärgern, daſs der politischen Astronomie zum Trotz die Weltgeschichte weiter ging. Dem Publicum erschien diese Passivität des Con- suls so wie überhaupt der Aristokratie wie billig als deren politi- sche Abdication; und die Coalition war natürlich sehr wohl damit zufrieden, daſs man sie die weiteren Schritte fast ungestört thun lieſs. Der wichtigste darunter war die Regulirung der künftigen Stellung Caesars. Verfassungsmäſsig lag es dem Senat ob die Competenzen der Consuln in ihrem zweiten Amtsjahr noch vor ihrer Wahl festzustellen; demgemäſs hatte er denn auch, in Vor- aussicht der Wahl Caesars, dazu für 696 die gleichgültigsten Ge- schäfte, Straſsenbauten und dergleichen nützliche Dinge auserse- hen. Natürlich konnte es dabei nicht bleiben; es war unter den Verbündeten ausgemacht, daſs Caesar ein auſserordentliches nach dem Muster der gabinisch-manilischen Gesetze zugeschnittenes Commando durch Volksschluſs erhalten solle. Caesar hatte öffent- lich erklärt keinen Antrag zu seinem eigenen Gunsten einbrin- gen zu wollen; so übernahm es der Volkstribun Publius Vatinius den Antrag bei der Bürgerschaft zu stellen, die natürlich unbedingt gehorchte. Caesar erhielt dadurch die Statthalterschaft des cisal- pinischen Galliens und den Oberbefehl der drei daselbst stehen- den schon im Grenzkrieg unter Lucius Afranius erprobten Le- 13*
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COALITION DER PRAETENDENTEN.
Steuerpächter von der Bürgerschaft angenommen, die Zwanziger-
commission, an ihrer Spitze Pompeius und Crassus, erwählt und
in ihr Amt eingesetzt; mit allen ihren Anstrengungen hatte die
Aristokratie nichts weiter erreicht, als daſs ihre blinde und ge-
hässige Widersetzlichkeit die Bande der Coalition noch fester ge-
zogen und ihre Energie, deren sie bald bei wichtigern Dingen be-
dürfen sollte, an diesen im Grunde gleichgültigen Angelegenhei-
ten sich erschöpft hatte. Man becomplimentirte sich unter einan-
der über den bewiesenen Heldenmuth; daſs Bibulus erklärt hatte
lieber sterben als weichen zu wollen, daſs Cato gar noch in den
Händen der Büttel fortgefahren hatte zu peroriren, waren groſse
patriotische Thaten; übrigens ergab man sich in sein Schicksal.
Der Consul Bibulus schloſs sich für den noch übrigen Theil des
Jahres in sein Haus ein, wobei er zugleich durch öffentlichen An-
schlag bekannt machte, daſs er die fromme Absicht habe an allen
in diesem Jahr zu Volksversammlungen geeigneten Tagen nach
Himmelszeichen zu spähen. Seine Collegen bewunderten wieder
den groſsen Mann, der, gleich wie Ennius von dem alten Fabius
gesagt, ‚den Staat durch Zaudern errette‘ und thaten wie er; die
meisten derselben, darunter Cato, erschienen nicht mehr im Senat
und halfen innerhalb der vier Wände ihrem Consul sich ärgern,
daſs der politischen Astronomie zum Trotz die Weltgeschichte
weiter ging. Dem Publicum erschien diese Passivität des Con-
suls so wie überhaupt der Aristokratie wie billig als deren politi-
sche Abdication; und die Coalition war natürlich sehr wohl damit
zufrieden, daſs man sie die weiteren Schritte fast ungestört thun
lieſs. Der wichtigste darunter war die Regulirung der künftigen
Stellung Caesars. Verfassungsmäſsig lag es dem Senat ob die
Competenzen der Consuln in ihrem zweiten Amtsjahr noch vor
ihrer Wahl festzustellen; demgemäſs hatte er denn auch, in Vor-
aussicht der Wahl Caesars, dazu für 696 die gleichgültigsten Ge-
schäfte, Straſsenbauten und dergleichen nützliche Dinge auserse-
hen. Natürlich konnte es dabei nicht bleiben; es war unter den
Verbündeten ausgemacht, daſs Caesar ein auſserordentliches nach
dem Muster der gabinisch-manilischen Gesetze zugeschnittenes
Commando durch Volksschluſs erhalten solle. Caesar hatte öffent-
lich erklärt keinen Antrag zu seinem eigenen Gunsten einbrin-
gen zu wollen; so übernahm es der Volkstribun Publius Vatinius
den Antrag bei der Bürgerschaft zu stellen, die natürlich unbedingt
gehorchte. Caesar erhielt dadurch die Statthalterschaft des cisal-
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den schon im Grenzkrieg unter Lucius Afranius erprobten Le-
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