Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI. sichtlich Ciceros brachte Clodius einen Gesetzentwurf ein, wel-cher die Hinrichtung eines Bürgers ohne Urtheil und Recht als ein mit Landesverweisung zu bestrafendes Verbrechen bezeich- nete. Cato also ward durch eine ehrenvolle Mission entfernt, Cicero wenigstens mit der möglichst gelinden Strafe belegt, über- dies in dem Antrag doch nicht mit Namen genannt. Das Vergnü- gen aber versagte man sich nicht einerseits einen notorisch zag- haften und zu der Gattung der politischen Wetterfahnen zählen- den Mann wegen von ihm bewiesener conservativer Energie zu bestrafen, andererseits den verbissenen Gegner aller Eingriffe der Bürgerschaft in die Administration und aller ausserordent- lichen Commandos durch Bürgerschaftsbeschluss selbst mit einem solchen auszustatten; und in gleichem Sinn ward der Cato be- treffende Antrag motivirt mit der abnormen Tugendhaftigkeit dieses Mannes, welche ihn vor jedem Andern geeignet erscheinen lasse einen so kitzlichen Auftrag, wie die Einziehung des an- sehnlichen kyprischen Kronschatzes war, auszuführen ohne zu stehlen. Man sieht, dass beide Anträge denselben Charakter rücksichtsvoller Deferenz und kühler Ironie an sich tragen, der Caesars Verhalten dem Senat gegenüber durchgängig bezeichnet. Auf Widerstand stiessen sie nicht. Es half natürlich nichts, dass die Senatsmajorität, um doch auf irgend eine Art gegen die Ver- höhnung und Brandmarkung ihres Beschlusses in der catilina- rischen Sache zu protestiren, öffentlich das Trauergewand anlegte und dass Cicero selbst, nun da es zu spät war, bei Pompeius kniefällig um Gnade bat; er musste sich entschliessen Italien zu verlassen (April 696), noch bevor das Gesetz durchging, das ihm die Heimath verschloss. Cato liess es gleichfalls nicht darauf ankommen durch Ablehnung des ihm gewordenen Auftrags schär- fere Massregeln zu provociren, sondern nahm denselben an und schiffte sich ein nach dem Osten (S. 146). Das Nächste war ge- than; auch Caesar konnte Italien verlassen um sich ernsteren Aufgaben zu widmen. FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI. sichtlich Ciceros brachte Clodius einen Gesetzentwurf ein, wel-cher die Hinrichtung eines Bürgers ohne Urtheil und Recht als ein mit Landesverweisung zu bestrafendes Verbrechen bezeich- nete. Cato also ward durch eine ehrenvolle Mission entfernt, Cicero wenigstens mit der möglichst gelinden Strafe belegt, über- dies in dem Antrag doch nicht mit Namen genannt. Das Vergnü- gen aber versagte man sich nicht einerseits einen notorisch zag- haften und zu der Gattung der politischen Wetterfahnen zählen- den Mann wegen von ihm bewiesener conservativer Energie zu bestrafen, andererseits den verbissenen Gegner aller Eingriffe der Bürgerschaft in die Administration und aller auſserordent- lichen Commandos durch Bürgerschaftsbeschluſs selbst mit einem solchen auszustatten; und in gleichem Sinn ward der Cato be- treffende Antrag motivirt mit der abnormen Tugendhaftigkeit dieses Mannes, welche ihn vor jedem Andern geeignet erscheinen lasse einen so kitzlichen Auftrag, wie die Einziehung des an- sehnlichen kyprischen Kronschatzes war, auszuführen ohne zu stehlen. Man sieht, daſs beide Anträge denselben Charakter rücksichtsvoller Deferenz und kühler Ironie an sich tragen, der Caesars Verhalten dem Senat gegenüber durchgängig bezeichnet. Auf Widerstand stieſsen sie nicht. Es half natürlich nichts, daſs die Senatsmajorität, um doch auf irgend eine Art gegen die Ver- höhnung und Brandmarkung ihres Beschlusses in der catilina- rischen Sache zu protestiren, öffentlich das Trauergewand anlegte und daſs Cicero selbst, nun da es zu spät war, bei Pompeius kniefällig um Gnade bat; er muſste sich entschliessen Italien zu verlassen (April 696), noch bevor das Gesetz durchging, das ihm die Heimath verschloſs. Cato lieſs es gleichfalls nicht darauf ankommen durch Ablehnung des ihm gewordenen Auftrags schär- fere Maſsregeln zu provociren, sondern nahm denselben an und schiffte sich ein nach dem Osten (S. 146). 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI.
sichtlich Ciceros brachte Clodius einen Gesetzentwurf ein, wel-
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ein mit Landesverweisung zu bestrafendes Verbrechen bezeich-
nete. Cato also ward durch eine ehrenvolle Mission entfernt,
Cicero wenigstens mit der möglichst gelinden Strafe belegt, über-
dies in dem Antrag doch nicht mit Namen genannt. Das Vergnü-
gen aber versagte man sich nicht einerseits einen notorisch zag-
haften und zu der Gattung der politischen Wetterfahnen zählen-
den Mann wegen von ihm bewiesener conservativer Energie zu
bestrafen, andererseits den verbissenen Gegner aller Eingriffe
der Bürgerschaft in die Administration und aller auſserordent-
lichen Commandos durch Bürgerschaftsbeschluſs selbst mit einem
solchen auszustatten; und in gleichem Sinn ward der Cato be-
treffende Antrag motivirt mit der abnormen Tugendhaftigkeit
dieses Mannes, welche ihn vor jedem Andern geeignet erscheinen
lasse einen so kitzlichen Auftrag, wie die Einziehung des an-
sehnlichen kyprischen Kronschatzes war, auszuführen ohne zu
stehlen. Man sieht, daſs beide Anträge denselben Charakter
rücksichtsvoller Deferenz und kühler Ironie an sich tragen, der
Caesars Verhalten dem Senat gegenüber durchgängig bezeichnet.
Auf Widerstand stieſsen sie nicht. Es half natürlich nichts, daſs
die Senatsmajorität, um doch auf irgend eine Art gegen die Ver-
höhnung und Brandmarkung ihres Beschlusses in der catilina-
rischen Sache zu protestiren, öffentlich das Trauergewand anlegte
und daſs Cicero selbst, nun da es zu spät war, bei Pompeius
kniefällig um Gnade bat; er muſste sich entschliessen Italien zu
verlassen (April 696), noch bevor das Gesetz durchging, das
ihm die Heimath verschloſs. Cato lieſs es gleichfalls nicht darauf
ankommen durch Ablehnung des ihm gewordenen Auftrags schär-
fere Maſsregeln zu provociren, sondern nahm denselben an und
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than; auch Caesar konnte Italien verlassen um sich ernsteren
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