Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. terei auseinander und liefen an gegen die am Abhang des Hügelspostirten römischen Legionen, mussten aber vor Caesars Vetera- nen weichen. Als die Römer, ihren Vortheil verfolgend, nun ihrerseits in die Ebene hinabstiegen, gingen die Kelten wieder zum Angriff über, während zugleich ein zurückgehaltenes Corps derselben die Römer in die Flanke nahm. Gegen das letztere wurde die römische Reserve gesendet und drängte dasselbe von der Hauptmasse ab auf das Gepäck und die Wagenburg, wo es aufgerieben ward. Das Gros des helvetischen Zuges musste end- lich auch zurück und ward genöthigt statt der bisherigen Rich- tung gegen Westen die nach Norden einzuschlagen. Es war auch für die Sieger ein heisser Tag. Caesar, der Ursache hatte seinem Offiziercorps nicht durchgängig zu trauen, hatte gleich zu Anfang alle Offizierspferde fortgeschickt, um die Nothwendigkeit Stand zu halten den Seinigen gründlich klar zu machen; in der That würde die Schlacht, wenn die Römer sie verloren hätten, wahrschein- lich die Vernichtung der römischen Armee herbeigeführt haben. Wie sie ausgegangen war, überlieferte sie dagegen die Helvetier der Willkür des Siegers. Caesars Truppen waren zu erschöpft um ihnen auf dem Fusse zu folgen; allein in Folge der Bekannt- machung Caesars, dass er alle, die die Helvetier unterstützen wür- den, wie deise selbst als Feinde der Römer behandeln werde, ward, wohin die geschlagene Armee kam, zunächst in dem Gau der Lingonen (um Langres), ihr jede Unterstützung verweigert. Aller Zufuhr und ihres Gepäcks beraubt und belastet von der Masse des nicht kampffähigen Trosses mussten sie wohl dem rö- mischen Feldherrn sich unterwerfen. Ihr Loos war ein verhält- nissmässig mildes. Den heimathlosen Boiern wurden die Hae- duer angewiesen in ihrem Gebiet Wohnsitze einzuräumen; diese Ansiedelung der überwundenen Feinde inmitten der mächtigsten Keltengaue that fast die Dienste einer römischen Colonie. Die von den Helvetiern und Raurakern noch übrigen, etwas mehr als ein Drittel der ausgezogenen Mannschaft, wurden natürlich in ihr ehemaliges Gebiet zurückgesandt, um unter römischer Hoheit am oberen Rhein die Grenze gegen die Deutschen zu vertheidi- gen. Nur die südwestliche Spitze des helvetischen Gaus wurde von den Römern in Besitz genommen und hier an dem anmuthi- gen Gestade des Leman späterhin die alte Keltenstadt Noviodu- num (jetzt Nyon) in eine römische Grenzfestung, die ,julische Reitercolonie'* umgewandelt. * Julia Equestris, wo der letzte Beiname zu fassen ist wie in andern
DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. terei auseinander und liefen an gegen die am Abhang des Hügelspostirten römischen Legionen, muſsten aber vor Caesars Vetera- nen weichen. Als die Römer, ihren Vortheil verfolgend, nun ihrerseits in die Ebene hinabstiegen, gingen die Kelten wieder zum Angriff über, während zugleich ein zurückgehaltenes Corps derselben die Römer in die Flanke nahm. Gegen das letztere wurde die römische Reserve gesendet und drängte dasselbe von der Hauptmasse ab auf das Gepäck und die Wagenburg, wo es aufgerieben ward. Das Gros des helvetischen Zuges muſste end- lich auch zurück und ward genöthigt statt der bisherigen Rich- tung gegen Westen die nach Norden einzuschlagen. Es war auch für die Sieger ein heiſser Tag. Caesar, der Ursache hatte seinem Offiziercorps nicht durchgängig zu trauen, hatte gleich zu Anfang alle Offizierspferde fortgeschickt, um die Nothwendigkeit Stand zu halten den Seinigen gründlich klar zu machen; in der That würde die Schlacht, wenn die Römer sie verloren hätten, wahrschein- lich die Vernichtung der römischen Armee herbeigeführt haben. Wie sie ausgegangen war, überlieferte sie dagegen die Helvetier der Willkür des Siegers. Caesars Truppen waren zu erschöpft um ihnen auf dem Fuſse zu folgen; allein in Folge der Bekannt- machung Caesars, daſs er alle, die die Helvetier unterstützen wür- den, wie deise selbst als Feinde der Römer behandeln werde, ward, wohin die geschlagene Armee kam, zunächst in dem Gau der Lingonen (um Langres), ihr jede Unterstützung verweigert. Aller Zufuhr und ihres Gepäcks beraubt und belastet von der Masse des nicht kampffähigen Trosses muſsten sie wohl dem rö- mischen Feldherrn sich unterwerfen. Ihr Loos war ein verhält- niſsmäſsig mildes. Den heimathlosen Boiern wurden die Hae- duer angewiesen in ihrem Gebiet Wohnsitze einzuräumen; diese Ansiedelung der überwundenen Feinde inmitten der mächtigsten Keltengaue that fast die Dienste einer römischen Colonie. Die von den Helvetiern und Raurakern noch übrigen, etwas mehr als ein Drittel der ausgezogenen Mannschaft, wurden natürlich in ihr ehemaliges Gebiet zurückgesandt, um unter römischer Hoheit am oberen Rhein die Grenze gegen die Deutschen zu vertheidi- gen. Nur die südwestliche Spitze des helvetischen Gaus wurde von den Römern in Besitz genommen und hier an dem anmuthi- gen Gestade des Leman späterhin die alte Keltenstadt Noviodu- num (jetzt Nyon) in eine römische Grenzfestung, die ‚julische Reitercolonie‘* umgewandelt. * Julia Equestris, wo der letzte Beiname zu fassen ist wie in andern
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DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
terei auseinander und liefen an gegen die am Abhang des Hügels
postirten römischen Legionen, muſsten aber vor Caesars Vetera-
nen weichen. Als die Römer, ihren Vortheil verfolgend, nun
ihrerseits in die Ebene hinabstiegen, gingen die Kelten wieder
zum Angriff über, während zugleich ein zurückgehaltenes Corps
derselben die Römer in die Flanke nahm. Gegen das letztere
wurde die römische Reserve gesendet und drängte dasselbe von
der Hauptmasse ab auf das Gepäck und die Wagenburg, wo es
aufgerieben ward. Das Gros des helvetischen Zuges muſste end-
lich auch zurück und ward genöthigt statt der bisherigen Rich-
tung gegen Westen die nach Norden einzuschlagen. Es war auch
für die Sieger ein heiſser Tag. Caesar, der Ursache hatte seinem
Offiziercorps nicht durchgängig zu trauen, hatte gleich zu Anfang
alle Offizierspferde fortgeschickt, um die Nothwendigkeit Stand zu
halten den Seinigen gründlich klar zu machen; in der That würde
die Schlacht, wenn die Römer sie verloren hätten, wahrschein-
lich die Vernichtung der römischen Armee herbeigeführt haben.
Wie sie ausgegangen war, überlieferte sie dagegen die Helvetier
der Willkür des Siegers. Caesars Truppen waren zu erschöpft
um ihnen auf dem Fuſse zu folgen; allein in Folge der Bekannt-
machung Caesars, daſs er alle, die die Helvetier unterstützen wür-
den, wie deise selbst als Feinde der Römer behandeln werde,
ward, wohin die geschlagene Armee kam, zunächst in dem Gau
der Lingonen (um Langres), ihr jede Unterstützung verweigert.
Aller Zufuhr und ihres Gepäcks beraubt und belastet von der
Masse des nicht kampffähigen Trosses muſsten sie wohl dem rö-
mischen Feldherrn sich unterwerfen. Ihr Loos war ein verhält-
niſsmäſsig mildes. Den heimathlosen Boiern wurden die Hae-
duer angewiesen in ihrem Gebiet Wohnsitze einzuräumen; diese
Ansiedelung der überwundenen Feinde inmitten der mächtigsten
Keltengaue that fast die Dienste einer römischen Colonie. Die
von den Helvetiern und Raurakern noch übrigen, etwas mehr
als ein Drittel der ausgezogenen Mannschaft, wurden natürlich in
ihr ehemaliges Gebiet zurückgesandt, um unter römischer Hoheit
am oberen Rhein die Grenze gegen die Deutschen zu vertheidi-
gen. Nur die südwestliche Spitze des helvetischen Gaus wurde
von den Römern in Besitz genommen und hier an dem anmuthi-
gen Gestade des Leman späterhin die alte Keltenstadt Noviodu-
num (jetzt Nyon) in eine römische Grenzfestung, die ‚julische
Reitercolonie‘ * umgewandelt.
* Julia Equestris, wo der letzte Beiname zu fassen ist wie in andern
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