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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII.
den angeknüpft. In dem römischen Feldherrn aber stieg der Arg-
wohn auf, dass die Deutschen damit nur Zeit zu gewinnen such-
ten, bis die von ihnen entsendeten Reiterschaaren wieder ein-
getroffen seien. Ob derselbe gegründet war oder nicht, lässt sich
nicht sagen; aber darin bestärkt durch einen Angriff, den trotz
des thatsächlichen Waffenstillstandes ein feindlicher Trupp auf
seine Vorhut unternahm, und erbittert durch den dabei erlittenen
empfindlichen Verlust, glaubte Caesar sich berechtigt jede völker-
rechtliche Rücksicht aus den Augen zu setzen. Als am andern
Morgen die Fürsten und Aeltesten der Deutschen, den ohne ihr
Vorwissen unternommenen Angriff zu entschuldigen, im römi-
schen Lager erschienen, wurden sie festgehalten und die nichts
ahnende ihrer Führer beraubte Menge von dem römischen Heer
plötzlich überfallen. Es war mehr eine Menschenjagd als eine
Schlacht; was nicht unter den Schwertern der Römer fiel,
ertrank im Rheine; fast nur die zur Zeit des Ueberfalls deta-
chirten Abtheilungen entkamen dem Blutbad und gelangten zu-
rück über den Rhein, wo ihnen die Sugambrer in ihrem Gebiet,
es scheint an der Lippe, eine Freistatt gewährten. Das Verfahren
Caesars gegen diese deutschen Einwanderer fand im Senat
schweren und gerechten Tadel; allein wie wenig dasselbe auch
entschuldigt werden kann, den deutschen Uebergriffen ward da-
durch mit erschreckendem Nachdruck gesteuert. Doch fand es
Caesar rathsam noch einen Schritt weiter zu thun und die Le-
gionen über den Rhein zu führen. An Verbindungen jenseit des-
selben mangelte es ihm nicht. Den Deutschen auf ihrer dama-
ligen Bildungsstufe fehlte noch jeder nationale Zusammenhang;
an politischer Zerfahrenheit gaben sie, wenn auch aus anderen
Ursachen, den Kelten nichts nach. Die Ubier (an der Sieg und
Lahn), der civilisirteste unter den deutschen Stämmen, waren vor
kurzem von einem mächtigen suebischen Gau des Binnenlandes
unterworfen und zinspflichtig gemacht worden und hatten 697
Boten an Caesar gesandt ihn zu ersuchen auch sie wie die Gal-
lier von der suebischen Herrschaft zu befreien. Es war Caesars
Absicht nicht diesem Ansinnen, das ihn in endlose Unterneh-
mungen verwickelt haben würde, ernstlich zu entsprechen; aber
wohl schien es zweckmässig, um das Erscheinen der germani-
schen Waffen diesseit des Rheines zu verhindern, die römischen
jenseit desselben zu zeigen. Der Schutz, den die flüchtigen Usi-
peten und Tencterer bei den Sugambrern gefunden hatten, bot
eine geeignete Veranlassung dar. In der Gegend, wie es scheint,
zwischen Koblenz und Andernach schlug Caesar eine Pfahl-

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den angeknüpft. In dem römischen Feldherrn aber stieg der Arg-
wohn auf, daſs die Deutschen damit nur Zeit zu gewinnen such-
ten, bis die von ihnen entsendeten Reiterschaaren wieder ein-
getroffen seien. Ob derselbe gegründet war oder nicht, läſst sich
nicht sagen; aber darin bestärkt durch einen Angriff, den trotz
des thatsächlichen Waffenstillstandes ein feindlicher Trupp auf
seine Vorhut unternahm, und erbittert durch den dabei erlittenen
empfindlichen Verlust, glaubte Caesar sich berechtigt jede völker-
rechtliche Rücksicht aus den Augen zu setzen. Als am andern
Morgen die Fürsten und Aeltesten der Deutschen, den ohne ihr
Vorwissen unternommenen Angriff zu entschuldigen, im römi-
schen Lager erschienen, wurden sie festgehalten und die nichts
ahnende ihrer Führer beraubte Menge von dem römischen Heer
plötzlich überfallen. Es war mehr eine Menschenjagd als eine
Schlacht; was nicht unter den Schwertern der Römer fiel,
ertrank im Rheine; fast nur die zur Zeit des Ueberfalls deta-
chirten Abtheilungen entkamen dem Blutbad und gelangten zu-
rück über den Rhein, wo ihnen die Sugambrer in ihrem Gebiet,
es scheint an der Lippe, eine Freistatt gewährten. Das Verfahren
Caesars gegen diese deutschen Einwanderer fand im Senat
schweren und gerechten Tadel; allein wie wenig dasselbe auch
entschuldigt werden kann, den deutschen Uebergriffen ward da-
durch mit erschreckendem Nachdruck gesteuert. Doch fand es
Caesar rathsam noch einen Schritt weiter zu thun und die Le-
gionen über den Rhein zu führen. An Verbindungen jenseit des-
selben mangelte es ihm nicht. Den Deutschen auf ihrer dama-
ligen Bildungsstufe fehlte noch jeder nationale Zusammenhang;
an politischer Zerfahrenheit gaben sie, wenn auch aus anderen
Ursachen, den Kelten nichts nach. Die Ubier (an der Sieg und
Lahn), der civilisirteste unter den deutschen Stämmen, waren vor
kurzem von einem mächtigen suebischen Gau des Binnenlandes
unterworfen und zinspflichtig gemacht worden und hatten 697
Boten an Caesar gesandt ihn zu ersuchen auch sie wie die Gal-
lier von der suebischen Herrschaft zu befreien. Es war Caesars
Absicht nicht diesem Ansinnen, das ihn in endlose Unterneh-
mungen verwickelt haben würde, ernstlich zu entsprechen; aber
wohl schien es zweckmäſsig, um das Erscheinen der germani-
schen Waffen diesseit des Rheines zu verhindern, die römischen
jenseit desselben zu zeigen. Der Schutz, den die flüchtigen Usi-
peten und Tencterer bei den Sugambrern gefunden hatten, bot
eine geeignete Veranlassung dar. In der Gegend, wie es scheint,
zwischen Koblenz und Andernach schlug Caesar eine Pfahl-

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[244/0254] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII. den angeknüpft. In dem römischen Feldherrn aber stieg der Arg- wohn auf, daſs die Deutschen damit nur Zeit zu gewinnen such- ten, bis die von ihnen entsendeten Reiterschaaren wieder ein- getroffen seien. Ob derselbe gegründet war oder nicht, läſst sich nicht sagen; aber darin bestärkt durch einen Angriff, den trotz des thatsächlichen Waffenstillstandes ein feindlicher Trupp auf seine Vorhut unternahm, und erbittert durch den dabei erlittenen empfindlichen Verlust, glaubte Caesar sich berechtigt jede völker- rechtliche Rücksicht aus den Augen zu setzen. Als am andern Morgen die Fürsten und Aeltesten der Deutschen, den ohne ihr Vorwissen unternommenen Angriff zu entschuldigen, im römi- schen Lager erschienen, wurden sie festgehalten und die nichts ahnende ihrer Führer beraubte Menge von dem römischen Heer plötzlich überfallen. Es war mehr eine Menschenjagd als eine Schlacht; was nicht unter den Schwertern der Römer fiel, ertrank im Rheine; fast nur die zur Zeit des Ueberfalls deta- chirten Abtheilungen entkamen dem Blutbad und gelangten zu- rück über den Rhein, wo ihnen die Sugambrer in ihrem Gebiet, es scheint an der Lippe, eine Freistatt gewährten. Das Verfahren Caesars gegen diese deutschen Einwanderer fand im Senat schweren und gerechten Tadel; allein wie wenig dasselbe auch entschuldigt werden kann, den deutschen Uebergriffen ward da- durch mit erschreckendem Nachdruck gesteuert. Doch fand es Caesar rathsam noch einen Schritt weiter zu thun und die Le- gionen über den Rhein zu führen. An Verbindungen jenseit des- selben mangelte es ihm nicht. Den Deutschen auf ihrer dama- ligen Bildungsstufe fehlte noch jeder nationale Zusammenhang; an politischer Zerfahrenheit gaben sie, wenn auch aus anderen Ursachen, den Kelten nichts nach. Die Ubier (an der Sieg und Lahn), der civilisirteste unter den deutschen Stämmen, waren vor kurzem von einem mächtigen suebischen Gau des Binnenlandes unterworfen und zinspflichtig gemacht worden und hatten 697 Boten an Caesar gesandt ihn zu ersuchen auch sie wie die Gal- lier von der suebischen Herrschaft zu befreien. Es war Caesars Absicht nicht diesem Ansinnen, das ihn in endlose Unterneh- mungen verwickelt haben würde, ernstlich zu entsprechen; aber wohl schien es zweckmäſsig, um das Erscheinen der germani- schen Waffen diesseit des Rheines zu verhindern, die römischen jenseit desselben zu zeigen. Der Schutz, den die flüchtigen Usi- peten und Tencterer bei den Sugambrern gefunden hatten, bot eine geeignete Veranlassung dar. In der Gegend, wie es scheint, zwischen Koblenz und Andernach schlug Caesar eine Pfahl-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/254>, abgerufen am 22.11.2024.