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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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bei ihnen stand. Während also die Insurrection daran arbeitete
theils die noch schwankenden Cantone, vor allem die Haeduer,
zum Beitritt zu bewegen, theils sich Narbos zu bemächtigen, zu
welchem Ende Vercingetorix bereits das Corps des Lucterius bis an
den Tarn vorgeschoben hatte, erschien plötzlich im tiefen Winter,
Freunden und Feinden gleich unerwartet, der römische Oberfeld-
herr in der südlichen Provinz. Rasch traf er nicht bloss die
nöthigen Anstalten um diese zu decken, sondern sandte auch
über die schneebedeckten Cevennen einen Haufen in das arver-
nische Gebiet; aber seines Bleibens war nicht hier, wo ihn jeden
Augenblick der Zutritt der Haeduer zu dem gallischen Bündniss
von seiner Armee vollständig abschneiden konnte. In aller Stille
ging er nach Vienna und von da, nur von wenigen Reitern be-
gleitet, durch das Gebiet der Haeduer zu seinen Truppen. Die
Hoffnungen schwanden, welche die Insurrection zum Losschla-
gen bestimmt hatten; in Italien blieb es Friede und Caesar stand
abermals an der Spitze seiner Armee. Was sollten die Insur-
genten beginnen? Es war eine Thorheit unter solchen Umstän-
den auf die Entscheidung der Waffen es ankommen zu lassen;
denn diese hatten bereits unwiderruflich entschieden. Man konnte
ebenso gut versuchen mit Steinwürfen die Alpen zu erschüttern
wie die Legionen mit den keltischen Haufen, mochten dieselben
nun in ungeheuren Massen zusammengeballt oder vereinzelt ein
Gau nach dem andern preisgegeben werden. Vercingetorix ver-
zichtete darauf die Römer zu schlagen. Er nahm dasselbe Kriegs-
system an, durch das Cassivellaunus die Inselkelten gerettet
hatte. Das römische Fussvolk war nicht zu besiegen; aber Cae-
sars Reiterei bestand fasst ausschliesslich aus dem Zuzug des kel-
tischen Adels und war durch die allgemeine Insurrection factisch
aufgelöst. Es war den Insurgenten, die ja eben wesentlich aus
dem keltischen Adel bestanden, möglich in dieser Waffe eine
solche Ueberlegenheit zu entwickeln, dass sie weit und breit
das Land öde legen, Städte und Dörfer niederbrennen, die Vor-
räthe vernichten, die Verpflegung und die Verbindungen des
Feindes gefährden konnten, ohne dass derselbe es ernstlich zu
hindern vermochte. Vercingetorix richtete demzufolge all seine
Anstrengung auf die Vermehrung der Reiterei und der nach da-
maliger Fechtweise regelmässig damit verbundenen Bogenschützen
zu Fuss. Dagegen beschränkte er die ungeheuren und sich selber
lähmenden Massen der Linienmiliz in angemessener Weise und
versuchte den Haufen, die er davon beibehielt, allmählich einige
Schanz-, Marschir- und Manövrirfähigkeit und die Erkenntniss bei-

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bei ihnen stand. Während also die Insurrection daran arbeitete
theils die noch schwankenden Cantone, vor allem die Haeduer,
zum Beitritt zu bewegen, theils sich Narbos zu bemächtigen, zu
welchem Ende Vercingetorix bereits das Corps des Lucterius bis an
den Tarn vorgeschoben hatte, erschien plötzlich im tiefen Winter,
Freunden und Feinden gleich unerwartet, der römische Oberfeld-
herr in der südlichen Provinz. Rasch traf er nicht bloſs die
nöthigen Anstalten um diese zu decken, sondern sandte auch
über die schneebedeckten Cevennen einen Haufen in das arver-
nische Gebiet; aber seines Bleibens war nicht hier, wo ihn jeden
Augenblick der Zutritt der Haeduer zu dem gallischen Bündniſs
von seiner Armee vollständig abschneiden konnte. In aller Stille
ging er nach Vienna und von da, nur von wenigen Reitern be-
gleitet, durch das Gebiet der Haeduer zu seinen Truppen. Die
Hoffnungen schwanden, welche die Insurrection zum Losschla-
gen bestimmt hatten; in Italien blieb es Friede und Caesar stand
abermals an der Spitze seiner Armee. Was sollten die Insur-
genten beginnen? Es war eine Thorheit unter solchen Umstän-
den auf die Entscheidung der Waffen es ankommen zu lassen;
denn diese hatten bereits unwiderruflich entschieden. Man konnte
ebenso gut versuchen mit Steinwürfen die Alpen zu erschüttern
wie die Legionen mit den keltischen Haufen, mochten dieselben
nun in ungeheuren Massen zusammengeballt oder vereinzelt ein
Gau nach dem andern preisgegeben werden. Vercingetorix ver-
zichtete darauf die Römer zu schlagen. Er nahm dasselbe Kriegs-
system an, durch das Cassivellaunus die Inselkelten gerettet
hatte. Das römische Fuſsvolk war nicht zu besiegen; aber Cae-
sars Reiterei bestand faſst ausschlieſslich aus dem Zuzug des kel-
tischen Adels und war durch die allgemeine Insurrection factisch
aufgelöst. Es war den Insurgenten, die ja eben wesentlich aus
dem keltischen Adel bestanden, möglich in dieser Waffe eine
solche Ueberlegenheit zu entwickeln, daſs sie weit und breit
das Land öde legen, Städte und Dörfer niederbrennen, die Vor-
räthe vernichten, die Verpflegung und die Verbindungen des
Feindes gefährden konnten, ohne daſs derselbe es ernstlich zu
hindern vermochte. Vercingetorix richtete demzufolge all seine
Anstrengung auf die Vermehrung der Reiterei und der nach da-
maliger Fechtweise regelmäſsig damit verbundenen Bogenschützen
zu Fuſs. Dagegen beschränkte er die ungeheuren und sich selber
lähmenden Massen der Linienmiliz in angemessener Weise und
versuchte den Haufen, die er davon beibehielt, allmählich einige
Schanz-, Marschir- und Manövrirfähigkeit und die Erkenntniſs bei-

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[256/0266] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII. bei ihnen stand. Während also die Insurrection daran arbeitete theils die noch schwankenden Cantone, vor allem die Haeduer, zum Beitritt zu bewegen, theils sich Narbos zu bemächtigen, zu welchem Ende Vercingetorix bereits das Corps des Lucterius bis an den Tarn vorgeschoben hatte, erschien plötzlich im tiefen Winter, Freunden und Feinden gleich unerwartet, der römische Oberfeld- herr in der südlichen Provinz. Rasch traf er nicht bloſs die nöthigen Anstalten um diese zu decken, sondern sandte auch über die schneebedeckten Cevennen einen Haufen in das arver- nische Gebiet; aber seines Bleibens war nicht hier, wo ihn jeden Augenblick der Zutritt der Haeduer zu dem gallischen Bündniſs von seiner Armee vollständig abschneiden konnte. In aller Stille ging er nach Vienna und von da, nur von wenigen Reitern be- gleitet, durch das Gebiet der Haeduer zu seinen Truppen. Die Hoffnungen schwanden, welche die Insurrection zum Losschla- gen bestimmt hatten; in Italien blieb es Friede und Caesar stand abermals an der Spitze seiner Armee. Was sollten die Insur- genten beginnen? Es war eine Thorheit unter solchen Umstän- den auf die Entscheidung der Waffen es ankommen zu lassen; denn diese hatten bereits unwiderruflich entschieden. Man konnte ebenso gut versuchen mit Steinwürfen die Alpen zu erschüttern wie die Legionen mit den keltischen Haufen, mochten dieselben nun in ungeheuren Massen zusammengeballt oder vereinzelt ein Gau nach dem andern preisgegeben werden. Vercingetorix ver- zichtete darauf die Römer zu schlagen. Er nahm dasselbe Kriegs- system an, durch das Cassivellaunus die Inselkelten gerettet hatte. Das römische Fuſsvolk war nicht zu besiegen; aber Cae- sars Reiterei bestand faſst ausschlieſslich aus dem Zuzug des kel- tischen Adels und war durch die allgemeine Insurrection factisch aufgelöst. Es war den Insurgenten, die ja eben wesentlich aus dem keltischen Adel bestanden, möglich in dieser Waffe eine solche Ueberlegenheit zu entwickeln, daſs sie weit und breit das Land öde legen, Städte und Dörfer niederbrennen, die Vor- räthe vernichten, die Verpflegung und die Verbindungen des Feindes gefährden konnten, ohne daſs derselbe es ernstlich zu hindern vermochte. Vercingetorix richtete demzufolge all seine Anstrengung auf die Vermehrung der Reiterei und der nach da- maliger Fechtweise regelmäſsig damit verbundenen Bogenschützen zu Fuſs. Dagegen beschränkte er die ungeheuren und sich selber lähmenden Massen der Linienmiliz in angemessener Weise und versuchte den Haufen, die er davon beibehielt, allmählich einige Schanz-, Marschir- und Manövrirfähigkeit und die Erkenntniſs bei-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/266>, abgerufen am 27.11.2024.