Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.LEPIDUS UND SERTORIUS. an den spanischen und afrikanischen Küsten ein unstetes Aben-teurerleben geführt, bald im Bunde bald im Kriege mit den auch hier einheimischen kilikischen Piraten und den Chefs der schwei- fenden Stämme Libyens. Selbst hierhin verfolgte ihn die sieg- reiche römische Restauration. Als er Tingis (Tanger) belagerte, war dem Fürsten der Stadt zu Hülfe aus dem römischen Africa ein Corps unter Pacciaecus erschienen; aber Pacciaecus ward von Sertorius völlig geschlagen und Tingis genommen. Auf das weithin erschallende Gerücht von solchen Kriegsthaten des römi- schen Flüchtlings sandten die Lusitaner, die trotz ihrer angeb- lichen Unterwerfung unter die römische Oberhoheit thatsächlich ihre Unabhängigkeit behaupteten und jährlich mit den Statthal- tern des jenseitigen Spaniens fochten, Botschaft an Sertorius nach Africa, um ihn zu sich einzuladen und ihm das Feldherrnamt über die lusitanische Miliz zu übertragen. Sertorius, der zwanzig Jahre zuvor unter Titus Didius in Spanien gedient hatte und die Hülfsquellen des Landes kannte, beschloss der Einladung Folge zu leisten und schiffte mit Zurücklassung eines kleinen Postens an der mauretanischen Küste nach Spanien sich ein (um 674). Die Meerenge die Spanien und Africa scheidet, war besetzt durch ein römisches von Cotta geführtes Geschwader; sich durchzu- schleichen war nicht möglich; so schlug Sertorius sich durch und gelangte glücklich zu den Lusitanern. Es waren nicht mehr als zwanzig lusitanische Gemeinden, die sich unter seine Befehle stellten und auch von ,Römern' musterte er nur 2600 Mann, von denen ein guter Theil Uebergetretene aus dem Heer des Pac- ciaecus oder römisch bewaffnete Africaner waren. Sertorius er- kannte es, dass alles darauf ankam den losen Guerillaschwärmen einen festen Kern römisch organisirter und disciplinirter Truppen zu geben; er verstärkte zu diesem Ende seine mitgebrachte Schaar durch Aushebung von 4000 Fusssoldaten und 700 Reitern und rückte mit dieser einen Legion und den Schwärmen der spani- schen Freiwilligen gegen die Römer vor. Am Beatis traf er auf den Statthalter des jenseitigen Spaniens Lucius Fufidius, der durch seine unbedingte und bei den Aechtungen erprobte Hin- gebung an Sulla vom Unteroffizier zum Proprätor aufgerückt war; hier ward er völlig geschlagen; 2000 Römer deckten die Wahlstatt. Eilige Boten beriefen den Statthalter der benachbar- ten Ebroprovinz Marcus Domitius Calvinus um dem weiteren Vordringen der Sertorianer ein Ziel zu setzen und bald erschien (675) auch der erprobte Feldherr Quintus Metellus, den Sulla sandte, um den unbrauchbaren Fufidius im südlichen Spanien Röm. Gesch. III. 2
LEPIDUS UND SERTORIUS. an den spanischen und afrikanischen Küsten ein unstetes Aben-teurerleben geführt, bald im Bunde bald im Kriege mit den auch hier einheimischen kilikischen Piraten und den Chefs der schwei- fenden Stämme Libyens. Selbst hierhin verfolgte ihn die sieg- reiche römische Restauration. Als er Tingis (Tanger) belagerte, war dem Fürsten der Stadt zu Hülfe aus dem römischen Africa ein Corps unter Pacciaecus erschienen; aber Pacciaecus ward von Sertorius völlig geschlagen und Tingis genommen. Auf das weithin erschallende Gerücht von solchen Kriegsthaten des römi- schen Flüchtlings sandten die Lusitaner, die trotz ihrer angeb- lichen Unterwerfung unter die römische Oberhoheit thatsächlich ihre Unabhängigkeit behaupteten und jährlich mit den Statthal- tern des jenseitigen Spaniens fochten, Botschaft an Sertorius nach Africa, um ihn zu sich einzuladen und ihm das Feldherrnamt über die lusitanische Miliz zu übertragen. Sertorius, der zwanzig Jahre zuvor unter Titus Didius in Spanien gedient hatte und die Hülfsquellen des Landes kannte, beschloſs der Einladung Folge zu leisten und schiffte mit Zurücklassung eines kleinen Postens an der mauretanischen Küste nach Spanien sich ein (um 674). Die Meerenge die Spanien und Africa scheidet, war besetzt durch ein römisches von Cotta geführtes Geschwader; sich durchzu- schleichen war nicht möglich; so schlug Sertorius sich durch und gelangte glücklich zu den Lusitanern. Es waren nicht mehr als zwanzig lusitanische Gemeinden, die sich unter seine Befehle stellten und auch von ‚Römern‘ musterte er nur 2600 Mann, von denen ein guter Theil Uebergetretene aus dem Heer des Pac- ciaecus oder römisch bewaffnete Africaner waren. Sertorius er- kannte es, daſs alles darauf ankam den losen Guerillaschwärmen einen festen Kern römisch organisirter und disciplinirter Truppen zu geben; er verstärkte zu diesem Ende seine mitgebrachte Schaar durch Aushebung von 4000 Fuſssoldaten und 700 Reitern und rückte mit dieser einen Legion und den Schwärmen der spani- schen Freiwilligen gegen die Römer vor. Am Beatis traf er auf den Statthalter des jenseitigen Spaniens Lucius Fufidius, der durch seine unbedingte und bei den Aechtungen erprobte Hin- gebung an Sulla vom Unteroffizier zum Proprätor aufgerückt war; hier ward er völlig geschlagen; 2000 Römer deckten die Wahlstatt. Eilige Boten beriefen den Statthalter der benachbar- ten Ebroprovinz Marcus Domitius Calvinus um dem weiteren Vordringen der Sertorianer ein Ziel zu setzen und bald erschien (675) auch der erprobte Feldherr Quintus Metellus, den Sulla sandte, um den unbrauchbaren Fufidius im südlichen Spanien Röm. Gesch. III. 2
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LEPIDUS UND SERTORIUS.
an den spanischen und afrikanischen Küsten ein unstetes Aben-
teurerleben geführt, bald im Bunde bald im Kriege mit den auch
hier einheimischen kilikischen Piraten und den Chefs der schwei-
fenden Stämme Libyens. Selbst hierhin verfolgte ihn die sieg-
reiche römische Restauration. Als er Tingis (Tanger) belagerte,
war dem Fürsten der Stadt zu Hülfe aus dem römischen Africa
ein Corps unter Pacciaecus erschienen; aber Pacciaecus ward
von Sertorius völlig geschlagen und Tingis genommen. Auf das
weithin erschallende Gerücht von solchen Kriegsthaten des römi-
schen Flüchtlings sandten die Lusitaner, die trotz ihrer angeb-
lichen Unterwerfung unter die römische Oberhoheit thatsächlich
ihre Unabhängigkeit behaupteten und jährlich mit den Statthal-
tern des jenseitigen Spaniens fochten, Botschaft an Sertorius
nach Africa, um ihn zu sich einzuladen und ihm das Feldherrnamt
über die lusitanische Miliz zu übertragen. Sertorius, der zwanzig
Jahre zuvor unter Titus Didius in Spanien gedient hatte und die
Hülfsquellen des Landes kannte, beschloſs der Einladung Folge
zu leisten und schiffte mit Zurücklassung eines kleinen Postens
an der mauretanischen Küste nach Spanien sich ein (um 674).
Die Meerenge die Spanien und Africa scheidet, war besetzt durch
ein römisches von Cotta geführtes Geschwader; sich durchzu-
schleichen war nicht möglich; so schlug Sertorius sich durch
und gelangte glücklich zu den Lusitanern. Es waren nicht mehr
als zwanzig lusitanische Gemeinden, die sich unter seine Befehle
stellten und auch von ‚Römern‘ musterte er nur 2600 Mann,
von denen ein guter Theil Uebergetretene aus dem Heer des Pac-
ciaecus oder römisch bewaffnete Africaner waren. Sertorius er-
kannte es, daſs alles darauf ankam den losen Guerillaschwärmen
einen festen Kern römisch organisirter und disciplinirter Truppen
zu geben; er verstärkte zu diesem Ende seine mitgebrachte Schaar
durch Aushebung von 4000 Fuſssoldaten und 700 Reitern und
rückte mit dieser einen Legion und den Schwärmen der spani-
schen Freiwilligen gegen die Römer vor. Am Beatis traf er auf
den Statthalter des jenseitigen Spaniens Lucius Fufidius, der
durch seine unbedingte und bei den Aechtungen erprobte Hin-
gebung an Sulla vom Unteroffizier zum Proprätor aufgerückt
war; hier ward er völlig geschlagen; 2000 Römer deckten die
Wahlstatt. Eilige Boten beriefen den Statthalter der benachbar-
ten Ebroprovinz Marcus Domitius Calvinus um dem weiteren
Vordringen der Sertorianer ein Ziel zu setzen und bald erschien
(675) auch der erprobte Feldherr Quintus Metellus, den Sulla
sandte, um den unbrauchbaren Fufidius im südlichen Spanien
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