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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII.
sich den Insurgenten anzuschliessen; schon hatten gleichzeitig
im Canton selbst die Angriffe auf die daselbst ansässigen Römer
begonnen. Noch einmal hatte Caesar den Bruch verhindert, in-
dem er jenem auf Gergovia zu rückenden Corps der Haeduer mit
zwei Dritteln des Blokadeheeres entgegengegangen war und das-
selbe durch sein plötzliches Erscheinen wieder zum nominellen
Gehorsam zurückgebracht hatte; allein es war mehr als je ein hoh-
les und brüchiges Verhältniss, dessen Fortbestand fast zu theuer
erkauft worden war durch die grosse Gefahr der vor Gergovia
zurückgelassenen beiden Legionen. Denn auf diese hatte Ver-
cingetorix, Caesars Abmarsch rasch und entschlossen benutzend,
während Caesars Abwesenheit einen Angriff gemacht, der um ein
Haar mit der Ueberwältigung derselben und der Erstürmung des
römischen Lagers geendigt hätte. Nur Caesars unvergleichliche
Raschheit wandte eine zweite Katastrophe wie die von Aduatuca
hier ab. Die aussichtslose und besorgliche Lage der Belagerungs-
armee ward Freunden und Feinden so offenbar, dass es räthlich
schien mit dem Aufbruch nicht lange mehr zu säumen; indess Cae-
sars Stellung der gallischen Insurrection gegenüber beruhte we-
sentlich auf seinem Siegernimbus und es war nicht bloss peinlich,
sondern auch gefährlich die Blokade des Insurgentenheeres vor
Gergovia unverrichteter Sache aufzuheben. Demnach beschloss
der römische Feldherr auf jeden Fall vorher noch ein Gefecht zu
erzwingen, um doch wenigstens gleichsam als Sieger abzuziehen.
Zwei Abhänge führten von der Ebene hinauf auf die Höhe von
Gergovia. Caesar ersah sich die Zeit, wo die Masse der belagerten
Armee beschäftigt war an dem einen derselben zu schanzen, um
einen Sturm gegen den andern anzuordnen. Es gelang die Lager-
mauern zu übersteigen und der nächsten Quartiere des Lagers
sich zu bemächtigen, worauf der Feldherr, der das Erreichbare
erreicht sah, das Zeichen zum Rückzug gab. Allein die vorder-
sten Legionen, von dem Ungestüm des Sieges hingerissen, hör-
ten nicht oder wollten nicht hören und drangen unaufhaltsam
vor bis an die Stadtmauer und in die Stadt selbst. Auf der an-
dern Seite trafen dagegen Verstärkungen über Verstärkungen
ein; immer dichter wurden die Massen, die den Eingedrungenen
sich entgegen stellten und die Sturmcolonnen wurden endlich
mit sehr beträchtlichem Verlust aus der Stadt hinaus und den
Berg hinunter gejagt. Der Sieg, durch den Caesar gehofft hatte
seinen vergeblichen Versuch gegen Gergovia zu bedecken, hatte
sich in eine Niederlage verwandelt -- die erste, die Caesar selbst
von den Kelten erlitten hatte. Aber der Abzug konnte nun nicht

FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII.
sich den Insurgenten anzuschlieſsen; schon hatten gleichzeitig
im Canton selbst die Angriffe auf die daselbst ansässigen Römer
begonnen. Noch einmal hatte Caesar den Bruch verhindert, in-
dem er jenem auf Gergovia zu rückenden Corps der Haeduer mit
zwei Dritteln des Blokadeheeres entgegengegangen war und das-
selbe durch sein plötzliches Erscheinen wieder zum nominellen
Gehorsam zurückgebracht hatte; allein es war mehr als je ein hoh-
les und brüchiges Verhältniſs, dessen Fortbestand fast zu theuer
erkauft worden war durch die groſse Gefahr der vor Gergovia
zurückgelassenen beiden Legionen. Denn auf diese hatte Ver-
cingetorix, Caesars Abmarsch rasch und entschlossen benutzend,
während Caesars Abwesenheit einen Angriff gemacht, der um ein
Haar mit der Ueberwältigung derselben und der Erstürmung des
römischen Lagers geendigt hätte. Nur Caesars unvergleichliche
Raschheit wandte eine zweite Katastrophe wie die von Aduatuca
hier ab. Die aussichtslose und besorgliche Lage der Belagerungs-
armee ward Freunden und Feinden so offenbar, daſs es räthlich
schien mit dem Aufbruch nicht lange mehr zu säumen; indeſs Cae-
sars Stellung der gallischen Insurrection gegenüber beruhte we-
sentlich auf seinem Siegernimbus und es war nicht bloſs peinlich,
sondern auch gefährlich die Blokade des Insurgentenheeres vor
Gergovia unverrichteter Sache aufzuheben. Demnach beschloſs
der römische Feldherr auf jeden Fall vorher noch ein Gefecht zu
erzwingen, um doch wenigstens gleichsam als Sieger abzuziehen.
Zwei Abhänge führten von der Ebene hinauf auf die Höhe von
Gergovia. Caesar ersah sich die Zeit, wo die Masse der belagerten
Armee beschäftigt war an dem einen derselben zu schanzen, um
einen Sturm gegen den andern anzuordnen. Es gelang die Lager-
mauern zu übersteigen und der nächsten Quartiere des Lagers
sich zu bemächtigen, worauf der Feldherr, der das Erreichbare
erreicht sah, das Zeichen zum Rückzug gab. Allein die vorder-
sten Legionen, von dem Ungestüm des Sieges hingerissen, hör-
ten nicht oder wollten nicht hören und drangen unaufhaltsam
vor bis an die Stadtmauer und in die Stadt selbst. Auf der an-
dern Seite trafen dagegen Verstärkungen über Verstärkungen
ein; immer dichter wurden die Massen, die den Eingedrungenen
sich entgegen stellten und die Sturmcolonnen wurden endlich
mit sehr beträchtlichem Verlust aus der Stadt hinaus und den
Berg hinunter gejagt. Der Sieg, durch den Caesar gehofft hatte
seinen vergeblichen Versuch gegen Gergovia zu bedecken, hatte
sich in eine Niederlage verwandelt — die erste, die Caesar selbst
von den Kelten erlitten hatte. Aber der Abzug konnte nun nicht

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[260/0270] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII. sich den Insurgenten anzuschlieſsen; schon hatten gleichzeitig im Canton selbst die Angriffe auf die daselbst ansässigen Römer begonnen. Noch einmal hatte Caesar den Bruch verhindert, in- dem er jenem auf Gergovia zu rückenden Corps der Haeduer mit zwei Dritteln des Blokadeheeres entgegengegangen war und das- selbe durch sein plötzliches Erscheinen wieder zum nominellen Gehorsam zurückgebracht hatte; allein es war mehr als je ein hoh- les und brüchiges Verhältniſs, dessen Fortbestand fast zu theuer erkauft worden war durch die groſse Gefahr der vor Gergovia zurückgelassenen beiden Legionen. Denn auf diese hatte Ver- cingetorix, Caesars Abmarsch rasch und entschlossen benutzend, während Caesars Abwesenheit einen Angriff gemacht, der um ein Haar mit der Ueberwältigung derselben und der Erstürmung des römischen Lagers geendigt hätte. Nur Caesars unvergleichliche Raschheit wandte eine zweite Katastrophe wie die von Aduatuca hier ab. Die aussichtslose und besorgliche Lage der Belagerungs- armee ward Freunden und Feinden so offenbar, daſs es räthlich schien mit dem Aufbruch nicht lange mehr zu säumen; indeſs Cae- sars Stellung der gallischen Insurrection gegenüber beruhte we- sentlich auf seinem Siegernimbus und es war nicht bloſs peinlich, sondern auch gefährlich die Blokade des Insurgentenheeres vor Gergovia unverrichteter Sache aufzuheben. Demnach beschloſs der römische Feldherr auf jeden Fall vorher noch ein Gefecht zu erzwingen, um doch wenigstens gleichsam als Sieger abzuziehen. Zwei Abhänge führten von der Ebene hinauf auf die Höhe von Gergovia. Caesar ersah sich die Zeit, wo die Masse der belagerten Armee beschäftigt war an dem einen derselben zu schanzen, um einen Sturm gegen den andern anzuordnen. Es gelang die Lager- mauern zu übersteigen und der nächsten Quartiere des Lagers sich zu bemächtigen, worauf der Feldherr, der das Erreichbare erreicht sah, das Zeichen zum Rückzug gab. Allein die vorder- sten Legionen, von dem Ungestüm des Sieges hingerissen, hör- ten nicht oder wollten nicht hören und drangen unaufhaltsam vor bis an die Stadtmauer und in die Stadt selbst. Auf der an- dern Seite trafen dagegen Verstärkungen über Verstärkungen ein; immer dichter wurden die Massen, die den Eingedrungenen sich entgegen stellten und die Sturmcolonnen wurden endlich mit sehr beträchtlichem Verlust aus der Stadt hinaus und den Berg hinunter gejagt. Der Sieg, durch den Caesar gehofft hatte seinen vergeblichen Versuch gegen Gergovia zu bedecken, hatte sich in eine Niederlage verwandelt — die erste, die Caesar selbst von den Kelten erlitten hatte. Aber der Abzug konnte nun nicht

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/270>, abgerufen am 28.11.2024.