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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII.
in seiner durch die vorliegenden Sümpfe völlig unangreifbaren
Stellung zum Schlagen zu zwingen und das Heranrücken der
Bellovaker von Norden her drohte ihn zwischen zwei feindliche
Armeen einzuklemmen. In dieser unbequemen Situation kam ihm
die Nachricht zu, dass Caesar anrücke um mit ihm sich zu ver-
einigen, und der Befehl sich schleunigst auf Agedicum und die
gegen Agedicum anrückenden Legionen zurückzuziehen. In Folge
dessen überschritt er zum zweiten Mal unterhalb des feindlichen
Lagers die Seine, fand sich aber hier vor Agedicum der feind-
lichen Hauptarmee gegenüber, die beschlossen hatte die Verei-
nigung der beiden römischen Heerhaufen durch eine Schlacht zu
verhindern. In einem sehr hitzigen Treffen, in dem unter vielen
Andern auch der alte Camulogenus blieb, erzwang Labienus den
Weitermarsch und traf glücklich in Agedicum mit Caesar zu-
sammen. Inzwischen schwebte die ganz und gar sich selbst über-
lassene Südprovinz in grosser Gefahr; die Grenzvertheidigung
ward organisirt, allein schwerlich hätte sie viel zu leisten ver-
mocht, wenn es Vercingetorix möglich gewesen wäre seine Miliz-
haufen so rasch wie Caesar seine Legionen vom Platze zu bewe-
gen. Allein mit Ausnahme eines vereinzelten Einfalls in das Ge-
biet der Helvier am Südabhang der Cevennen hatte der wirkliche
Angriff auf die Südprovinz noch nicht begonnen und stand na-
mentlich die von Vercingetorix geführte Hauptarmee noch ausser-
halb ihrer Grenzen, als Caesar mit seiner ganzen vereinigten
Armee sie wieder einholte. An der Südgrenze des lingonischen
Gebiets, unweit der Wahlstatt, auf der der Kampf gegen Ariovist
entschieden worden war, begegneten sich die beiden Heere. Die
Schlacht, die Caesar wünschte, lehnte Vercingetorix ab; als da-
gegen die römische Reiterei sich zum Kampfe stellte, nahm die
keltische den Kampf gegen diese geringgeschätzten Gegner bereit-
willig auf; und die deutschen Reiter, gestützt auf die ihnen zum
Rückhalt aufgestellte römische Infanterie, behielten zu Aller Er-
staunen die Oberhand über die weit überlegenen keltischen Schwa-
dronen. Dies an sich unbedeutende Scharmützel beugte doch, weil
es ein Reitergefecht war, den Muth der Kelten mehr als eine verlo-
rene Feldschlacht und das Flackerfeuer des patriotischen Enthu-
siasmus schlug wieder einmal bei den Kelten plötzlich in voll-
ständige Hoffnungslosigkeit um. Vercingetorix verzichtete auf den
Plan in die römische Provinz einzufallen und richtete statt dessen
seinen Marsch nach der Festung Alesia (Sainte-Reine bei Semur,
Dep. Cote d'or), an der er im östlichen Gallien einen ähnlichen
Stützpunct sich geschaffen hatte wie in seinem Heimathgau es

FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII.
in seiner durch die vorliegenden Sümpfe völlig unangreifbaren
Stellung zum Schlagen zu zwingen und das Heranrücken der
Bellovaker von Norden her drohte ihn zwischen zwei feindliche
Armeen einzuklemmen. In dieser unbequemen Situation kam ihm
die Nachricht zu, daſs Caesar anrücke um mit ihm sich zu ver-
einigen, und der Befehl sich schleunigst auf Agedicum und die
gegen Agedicum anrückenden Legionen zurückzuziehen. In Folge
dessen überschritt er zum zweiten Mal unterhalb des feindlichen
Lagers die Seine, fand sich aber hier vor Agedicum der feind-
lichen Hauptarmee gegenüber, die beschlossen hatte die Verei-
nigung der beiden römischen Heerhaufen durch eine Schlacht zu
verhindern. In einem sehr hitzigen Treffen, in dem unter vielen
Andern auch der alte Camulogenus blieb, erzwang Labienus den
Weitermarsch und traf glücklich in Agedicum mit Caesar zu-
sammen. Inzwischen schwebte die ganz und gar sich selbst über-
lassene Südprovinz in groſser Gefahr; die Grenzvertheidigung
ward organisirt, allein schwerlich hätte sie viel zu leisten ver-
mocht, wenn es Vercingetorix möglich gewesen wäre seine Miliz-
haufen so rasch wie Caesar seine Legionen vom Platze zu bewe-
gen. Allein mit Ausnahme eines vereinzelten Einfalls in das Ge-
biet der Helvier am Südabhang der Cevennen hatte der wirkliche
Angriff auf die Südprovinz noch nicht begonnen und stand na-
mentlich die von Vercingetorix geführte Hauptarmee noch auſser-
halb ihrer Grenzen, als Caesar mit seiner ganzen vereinigten
Armee sie wieder einholte. An der Südgrenze des lingonischen
Gebiets, unweit der Wahlstatt, auf der der Kampf gegen Ariovist
entschieden worden war, begegneten sich die beiden Heere. Die
Schlacht, die Caesar wünschte, lehnte Vercingetorix ab; als da-
gegen die römische Reiterei sich zum Kampfe stellte, nahm die
keltische den Kampf gegen diese geringgeschätzten Gegner bereit-
willig auf; und die deutschen Reiter, gestützt auf die ihnen zum
Rückhalt aufgestellte römische Infanterie, behielten zu Aller Er-
staunen die Oberhand über die weit überlegenen keltischen Schwa-
dronen. Dies an sich unbedeutende Scharmützel beugte doch, weil
es ein Reitergefecht war, den Muth der Kelten mehr als eine verlo-
rene Feldschlacht und das Flackerfeuer des patriotischen Enthu-
siasmus schlug wieder einmal bei den Kelten plötzlich in voll-
ständige Hoffnungslosigkeit um. Vercingetorix verzichtete auf den
Plan in die römische Provinz einzufallen und richtete statt dessen
seinen Marsch nach der Festung Alesia (Sainte-Reine bei Semur,
Dep. Côte d'or), an der er im östlichen Gallien einen ähnlichen
Stützpunct sich geschaffen hatte wie in seinem Heimathgau es

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[262/0272] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII. in seiner durch die vorliegenden Sümpfe völlig unangreifbaren Stellung zum Schlagen zu zwingen und das Heranrücken der Bellovaker von Norden her drohte ihn zwischen zwei feindliche Armeen einzuklemmen. In dieser unbequemen Situation kam ihm die Nachricht zu, daſs Caesar anrücke um mit ihm sich zu ver- einigen, und der Befehl sich schleunigst auf Agedicum und die gegen Agedicum anrückenden Legionen zurückzuziehen. In Folge dessen überschritt er zum zweiten Mal unterhalb des feindlichen Lagers die Seine, fand sich aber hier vor Agedicum der feind- lichen Hauptarmee gegenüber, die beschlossen hatte die Verei- nigung der beiden römischen Heerhaufen durch eine Schlacht zu verhindern. In einem sehr hitzigen Treffen, in dem unter vielen Andern auch der alte Camulogenus blieb, erzwang Labienus den Weitermarsch und traf glücklich in Agedicum mit Caesar zu- sammen. Inzwischen schwebte die ganz und gar sich selbst über- lassene Südprovinz in groſser Gefahr; die Grenzvertheidigung ward organisirt, allein schwerlich hätte sie viel zu leisten ver- mocht, wenn es Vercingetorix möglich gewesen wäre seine Miliz- haufen so rasch wie Caesar seine Legionen vom Platze zu bewe- gen. Allein mit Ausnahme eines vereinzelten Einfalls in das Ge- biet der Helvier am Südabhang der Cevennen hatte der wirkliche Angriff auf die Südprovinz noch nicht begonnen und stand na- mentlich die von Vercingetorix geführte Hauptarmee noch auſser- halb ihrer Grenzen, als Caesar mit seiner ganzen vereinigten Armee sie wieder einholte. An der Südgrenze des lingonischen Gebiets, unweit der Wahlstatt, auf der der Kampf gegen Ariovist entschieden worden war, begegneten sich die beiden Heere. Die Schlacht, die Caesar wünschte, lehnte Vercingetorix ab; als da- gegen die römische Reiterei sich zum Kampfe stellte, nahm die keltische den Kampf gegen diese geringgeschätzten Gegner bereit- willig auf; und die deutschen Reiter, gestützt auf die ihnen zum Rückhalt aufgestellte römische Infanterie, behielten zu Aller Er- staunen die Oberhand über die weit überlegenen keltischen Schwa- dronen. Dies an sich unbedeutende Scharmützel beugte doch, weil es ein Reitergefecht war, den Muth der Kelten mehr als eine verlo- rene Feldschlacht und das Flackerfeuer des patriotischen Enthu- siasmus schlug wieder einmal bei den Kelten plötzlich in voll- ständige Hoffnungslosigkeit um. Vercingetorix verzichtete auf den Plan in die römische Provinz einzufallen und richtete statt dessen seinen Marsch nach der Festung Alesia (Sainte-Reine bei Semur, Dep. Côte d'or), an der er im östlichen Gallien einen ähnlichen Stützpunct sich geschaffen hatte wie in seinem Heimathgau es

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/272>, abgerufen am 28.11.2024.