Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. schah, einer jeden einzelnen Gemeinde eine ein für allemal be-stimmte Abgabe auferlegt, deren Erhebung ihr selbst überlassen blieb. Auf diesem Wege flossen jährlich 40 Mill. Sesterzen (2,860000 Thlr.) aus Gallien in die römischen Kassen, die da- für freilich die Rheingrenze auf ihre Kosten zu vertheidigen überkam. Dass ausserdem die in den Tempeln der Götter und den Schatzkammern der Grossen aufgehäuften Goldmassen in Folge des Krieges ihren Weg nach Rom fanden, versteht sich von selbst; wenn Caesar im ganzen römischen Reich sein gal- lisches Gold ausbot und davon auf einmal solche Massen auf den Geldmarkt brachte, dass das Gold gegen Silber um 25 % verlor, so lässt dies ahnen, welche Summen Gallien durch den Krieg eingebüsst hat. Die bisherigen Gauverfassungen mit ihren Erb- königen oder ihren feudal-oligarchischen Vorstandschaften blie- ben im Wesentlichen bestehen und selbst das Clientelsystem, das einzelne Cantone von anderen mächtigeren abhängig machte, ward nicht abgeschafft, obwohl mit dem Verlust der staatlichen Selbstständigkeit seine Spitze freilich ihm abgebrochen war; Cae- sar war nur darauf bedacht unter Benutzung der bestehenden dyna- stischen, feudalistischen und hegemonischen Spaltungen die Ver- hältnisse im Interesse Roms zu ordnen und überall der Fremd- herrschaft genehme Männer an die Spitze zu bringen. Ueber- haupt sparte Caesar keine Mühe um in Gallien eine römische Partei zu bilden: seinen Anhängern wurden ausgedehnte Beloh- nungen an Geld und besonders an confiscirten Landgütern be- willigt und ihnen durch Caesars Einfluss Plätze im Gemeinde- rath und die ersten Gemeindeämter in ihren Gauen verschafft. Diejenigen Gaue, in denen eine hinreichend starke und zuverläs- sige römische Partei bestand, wie die der Remer, der Lingonen, der Haeduer, wurden durch Ertheilung einer freieren Com- munalverfassung -- des sogenannten Bündnissrechts -- und durch Bevorzugungen bei der Ordnung des Hegemoniewesens gefördert. Den Nationalcult und dessen Priester scheint Caesar von Anfang an so weit irgend möglich geschont zu haben; von Massregeln, wie sie in späterer Zeit von den römischen Macht- habern gegen das Druidenwesen ergriffen wurden, findet bei ihm sich keine Spur und es hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass seine gallischen Kriege, so viel wir sehen, nicht so den Cha- rakter des Religionskrieges tragen, wie er bei den britannischen später so bestimmt hervortritt. -- Wenn Caesar also der be- siegten Nation jede irgend zulässige Rücksicht bewies und ihre nationalen, politischen und religiösen Institutionen so weit DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. schah, einer jeden einzelnen Gemeinde eine ein für allemal be-stimmte Abgabe auferlegt, deren Erhebung ihr selbst überlassen blieb. Auf diesem Wege flossen jährlich 40 Mill. Sesterzen (2,860000 Thlr.) aus Gallien in die römischen Kassen, die da- für freilich die Rheingrenze auf ihre Kosten zu vertheidigen überkam. Daſs auſserdem die in den Tempeln der Götter und den Schatzkammern der Groſsen aufgehäuften Goldmassen in Folge des Krieges ihren Weg nach Rom fanden, versteht sich von selbst; wenn Caesar im ganzen römischen Reich sein gal- lisches Gold ausbot und davon auf einmal solche Massen auf den Geldmarkt brachte, daſs das Gold gegen Silber um 25 % verlor, so läſst dies ahnen, welche Summen Gallien durch den Krieg eingebüſst hat. Die bisherigen Gauverfassungen mit ihren Erb- königen oder ihren feudal-oligarchischen Vorstandschaften blie- ben im Wesentlichen bestehen und selbst das Clientelsystem, das einzelne Cantone von anderen mächtigeren abhängig machte, ward nicht abgeschafft, obwohl mit dem Verlust der staatlichen Selbstständigkeit seine Spitze freilich ihm abgebrochen war; Cae- sar war nur darauf bedacht unter Benutzung der bestehenden dyna- stischen, feudalistischen und hegemonischen Spaltungen die Ver- hältnisse im Interesse Roms zu ordnen und überall der Fremd- herrschaft genehme Männer an die Spitze zu bringen. Ueber- haupt sparte Caesar keine Mühe um in Gallien eine römische Partei zu bilden: seinen Anhängern wurden ausgedehnte Beloh- nungen an Geld und besonders an confiscirten Landgütern be- willigt und ihnen durch Caesars Einfluſs Plätze im Gemeinde- rath und die ersten Gemeindeämter in ihren Gauen verschafft. Diejenigen Gaue, in denen eine hinreichend starke und zuverläs- sige römische Partei bestand, wie die der Remer, der Lingonen, der Haeduer, wurden durch Ertheilung einer freieren Com- munalverfassung — des sogenannten Bündniſsrechts — und durch Bevorzugungen bei der Ordnung des Hegemoniewesens gefördert. Den Nationalcult und dessen Priester scheint Caesar von Anfang an so weit irgend möglich geschont zu haben; von Maſsregeln, wie sie in späterer Zeit von den römischen Macht- habern gegen das Druidenwesen ergriffen wurden, findet bei ihm sich keine Spur und es hängt wahrscheinlich damit zusammen, daſs seine gallischen Kriege, so viel wir sehen, nicht so den Cha- rakter des Religionskrieges tragen, wie er bei den britannischen später so bestimmt hervortritt. — Wenn Caesar also der be- siegten Nation jede irgend zulässige Rücksicht bewies und ihre nationalen, politischen und religiösen Institutionen so weit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0279" n="269"/><fw place="top" type="header">DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.</fw><lb/> schah, einer jeden einzelnen Gemeinde eine ein für allemal be-<lb/> stimmte Abgabe auferlegt, deren Erhebung ihr selbst überlassen<lb/> blieb. Auf diesem Wege flossen jährlich 40 Mill. 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DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
schah, einer jeden einzelnen Gemeinde eine ein für allemal be-
stimmte Abgabe auferlegt, deren Erhebung ihr selbst überlassen
blieb. Auf diesem Wege flossen jährlich 40 Mill. Sesterzen
(2,860000 Thlr.) aus Gallien in die römischen Kassen, die da-
für freilich die Rheingrenze auf ihre Kosten zu vertheidigen
überkam. Daſs auſserdem die in den Tempeln der Götter und
den Schatzkammern der Groſsen aufgehäuften Goldmassen in
Folge des Krieges ihren Weg nach Rom fanden, versteht sich
von selbst; wenn Caesar im ganzen römischen Reich sein gal-
lisches Gold ausbot und davon auf einmal solche Massen auf den
Geldmarkt brachte, daſs das Gold gegen Silber um 25 % verlor,
so läſst dies ahnen, welche Summen Gallien durch den Krieg
eingebüſst hat. Die bisherigen Gauverfassungen mit ihren Erb-
königen oder ihren feudal-oligarchischen Vorstandschaften blie-
ben im Wesentlichen bestehen und selbst das Clientelsystem,
das einzelne Cantone von anderen mächtigeren abhängig machte,
ward nicht abgeschafft, obwohl mit dem Verlust der staatlichen
Selbstständigkeit seine Spitze freilich ihm abgebrochen war; Cae-
sar war nur darauf bedacht unter Benutzung der bestehenden dyna-
stischen, feudalistischen und hegemonischen Spaltungen die Ver-
hältnisse im Interesse Roms zu ordnen und überall der Fremd-
herrschaft genehme Männer an die Spitze zu bringen. Ueber-
haupt sparte Caesar keine Mühe um in Gallien eine römische
Partei zu bilden: seinen Anhängern wurden ausgedehnte Beloh-
nungen an Geld und besonders an confiscirten Landgütern be-
willigt und ihnen durch Caesars Einfluſs Plätze im Gemeinde-
rath und die ersten Gemeindeämter in ihren Gauen verschafft.
Diejenigen Gaue, in denen eine hinreichend starke und zuverläs-
sige römische Partei bestand, wie die der Remer, der Lingonen,
der Haeduer, wurden durch Ertheilung einer freieren Com-
munalverfassung — des sogenannten Bündniſsrechts — und
durch Bevorzugungen bei der Ordnung des Hegemoniewesens
gefördert. Den Nationalcult und dessen Priester scheint Caesar
von Anfang an so weit irgend möglich geschont zu haben; von
Maſsregeln, wie sie in späterer Zeit von den römischen Macht-
habern gegen das Druidenwesen ergriffen wurden, findet bei ihm
sich keine Spur und es hängt wahrscheinlich damit zusammen,
daſs seine gallischen Kriege, so viel wir sehen, nicht so den Cha-
rakter des Religionskrieges tragen, wie er bei den britannischen
später so bestimmt hervortritt. — Wenn Caesar also der be-
siegten Nation jede irgend zulässige Rücksicht bewies und ihre
nationalen, politischen und religiösen Institutionen so weit
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