war auch keine Aussicht zur Führung eines irgend ins Gewicht fallenden Krieges. Die Vergleichung der Stellungen, wie sie Pom- peius durch das gabinisch-manilische, Caesar durch das vatinische Gesetz erhalten hatten, lag nahe; allein sie fiel nicht zu Caesars Vortheil aus. Pompeius gebot fast über das gesammte römische Reich, Caesar über zwei Provinzen. Pompeius standen die Sol- daten und die Kassen des Staats beinahe unbeschränkt zur Verfü- gung, Caesar nur die ihm angewiesenen Armeen und ein Heer von 24000 Mann. Pompeius war es anheimgegeben den Zeit- punkt seines Rücktritts selber zu bestimmen; Caesars Commando war ihm zwar auf lange hinaus, aber doch nur auf eine begrenzte Frist gesichert. Pompeius endlich war mit den wichtigsten Un- ternehmungen zur See und zu Lande betraut worden; Caesar ward nach Norden gesandt, um von Oberitalien aus die Haupt- stadt zu überwachen und dafür zu sorgen, dass Pompeius unge- stört sie beherrsche.
Aber als Pompeius von der Coalition zum Beherrscher der Hauptstadt bestimmt ward, übernahm er eine für ihn völlig un- lösbare Aufgabe. Pompeius verstand vom Herrschen nichts wei- ter als was sich zusammenfassen lässt in Parole und Commando. Die Wellen des hauptstädtischen Treibens gingen hohl zugleich von vergangenen und von zukünftigen Revolutionen; die schwere Aufgabe, diese in vieler Hinsicht dem Paris des neunzehnten Jahr- hunderts vergleichbare Stadt ohne bewaffnete Macht zu regieren, war für jenen eckigen vornehmen Mustersoldaten geradezu eine unmögliche. Sehr bald war er so weit, dass Feinde und Freunde, beide ihm gleich unbequem, seinetwegen machen konnten, was ihnen beliebte; nach Caesars Abgang von Rom beherrschte die Coalition wohl noch die Geschicke der Welt, aber nicht die Strassen der Hauptstadt. Auch der Senat, dem ja immer noch eine Art nominellen Regiments zustand, liess die Dinge in der Hauptstadt gehen, wie sie gehen konnten und mochten; zum Theil weil der von der Coalition beherrschten Fraction dieser Körper- schaft die Parole der Machthaber fehlte, zum Theil weil die grol- lende Opposition aus Gleichgültigkeit oder Pessimismus bei Seite trat, hauptsächlich aber weil die gesammte hochadliche Körper- schaft ihre vollständige Ohnmacht wo nicht zu begreifen, doch zu fühlen begann. Augenblicklich also gab es in Rom nirgends eine Widerstandskraft irgend welcher Regierung, nirgends eine reelle Autorität. Man lebte im Interregnum zwischen dem zer- trümmerten aristokratischen und dem werdenden militärischen Regiment; und wenn das römische Gemeinwesen wie kein anderes
POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
war auch keine Aussicht zur Führung eines irgend ins Gewicht fallenden Krieges. Die Vergleichung der Stellungen, wie sie Pom- peius durch das gabinisch-manilische, Caesar durch das vatinische Gesetz erhalten hatten, lag nahe; allein sie fiel nicht zu Caesars Vortheil aus. Pompeius gebot fast über das gesammte römische Reich, Caesar über zwei Provinzen. Pompeius standen die Sol- daten und die Kassen des Staats beinahe unbeschränkt zur Verfü- gung, Caesar nur die ihm angewiesenen Armeen und ein Heer von 24000 Mann. Pompeius war es anheimgegeben den Zeit- punkt seines Rücktritts selber zu bestimmen; Caesars Commando war ihm zwar auf lange hinaus, aber doch nur auf eine begrenzte Frist gesichert. Pompeius endlich war mit den wichtigsten Un- ternehmungen zur See und zu Lande betraut worden; Caesar ward nach Norden gesandt, um von Oberitalien aus die Haupt- stadt zu überwachen und dafür zu sorgen, daſs Pompeius unge- stört sie beherrsche.
Aber als Pompeius von der Coalition zum Beherrscher der Hauptstadt bestimmt ward, übernahm er eine für ihn völlig un- lösbare Aufgabe. Pompeius verstand vom Herrschen nichts wei- ter als was sich zusammenfassen läſst in Parole und Commando. Die Wellen des hauptstädtischen Treibens gingen hohl zugleich von vergangenen und von zukünftigen Revolutionen; die schwere Aufgabe, diese in vieler Hinsicht dem Paris des neunzehnten Jahr- hunderts vergleichbare Stadt ohne bewaffnete Macht zu regieren, war für jenen eckigen vornehmen Mustersoldaten geradezu eine unmögliche. Sehr bald war er so weit, daſs Feinde und Freunde, beide ihm gleich unbequem, seinetwegen machen konnten, was ihnen beliebte; nach Caesars Abgang von Rom beherrschte die Coalition wohl noch die Geschicke der Welt, aber nicht die Straſsen der Hauptstadt. Auch der Senat, dem ja immer noch eine Art nominellen Regiments zustand, lieſs die Dinge in der Hauptstadt gehen, wie sie gehen konnten und mochten; zum Theil weil der von der Coalition beherrschten Fraction dieser Körper- schaft die Parole der Machthaber fehlte, zum Theil weil die grol- lende Opposition aus Gleichgültigkeit oder Pessimismus bei Seite trat, hauptsächlich aber weil die gesammte hochadliche Körper- schaft ihre vollständige Ohnmacht wo nicht zu begreifen, doch zu fühlen begann. Augenblicklich also gab es in Rom nirgends eine Widerstandskraft irgend welcher Regierung, nirgends eine reelle Autorität. Man lebte im Interregnum zwischen dem zer- trümmerten aristokratischen und dem werdenden militärischen Regiment; und wenn das römische Gemeinwesen wie kein anderes
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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
war auch keine Aussicht zur Führung eines irgend ins Gewicht
fallenden Krieges. Die Vergleichung der Stellungen, wie sie Pom-
peius durch das gabinisch-manilische, Caesar durch das vatinische
Gesetz erhalten hatten, lag nahe; allein sie fiel nicht zu Caesars
Vortheil aus. Pompeius gebot fast über das gesammte römische
Reich, Caesar über zwei Provinzen. Pompeius standen die Sol-
daten und die Kassen des Staats beinahe unbeschränkt zur Verfü-
gung, Caesar nur die ihm angewiesenen Armeen und ein Heer
von 24000 Mann. Pompeius war es anheimgegeben den Zeit-
punkt seines Rücktritts selber zu bestimmen; Caesars Commando
war ihm zwar auf lange hinaus, aber doch nur auf eine begrenzte
Frist gesichert. Pompeius endlich war mit den wichtigsten Un-
ternehmungen zur See und zu Lande betraut worden; Caesar
ward nach Norden gesandt, um von Oberitalien aus die Haupt-
stadt zu überwachen und dafür zu sorgen, daſs Pompeius unge-
stört sie beherrsche.
Aber als Pompeius von der Coalition zum Beherrscher der
Hauptstadt bestimmt ward, übernahm er eine für ihn völlig un-
lösbare Aufgabe. Pompeius verstand vom Herrschen nichts wei-
ter als was sich zusammenfassen läſst in Parole und Commando.
Die Wellen des hauptstädtischen Treibens gingen hohl zugleich
von vergangenen und von zukünftigen Revolutionen; die schwere
Aufgabe, diese in vieler Hinsicht dem Paris des neunzehnten Jahr-
hunderts vergleichbare Stadt ohne bewaffnete Macht zu regieren,
war für jenen eckigen vornehmen Mustersoldaten geradezu eine
unmögliche. Sehr bald war er so weit, daſs Feinde und Freunde,
beide ihm gleich unbequem, seinetwegen machen konnten, was
ihnen beliebte; nach Caesars Abgang von Rom beherrschte die
Coalition wohl noch die Geschicke der Welt, aber nicht die
Straſsen der Hauptstadt. Auch der Senat, dem ja immer noch
eine Art nominellen Regiments zustand, lieſs die Dinge in der
Hauptstadt gehen, wie sie gehen konnten und mochten; zum Theil
weil der von der Coalition beherrschten Fraction dieser Körper-
schaft die Parole der Machthaber fehlte, zum Theil weil die grol-
lende Opposition aus Gleichgültigkeit oder Pessimismus bei Seite
trat, hauptsächlich aber weil die gesammte hochadliche Körper-
schaft ihre vollständige Ohnmacht wo nicht zu begreifen, doch
zu fühlen begann. Augenblicklich also gab es in Rom nirgends
eine Widerstandskraft irgend welcher Regierung, nirgends eine
reelle Autorität. Man lebte im Interregnum zwischen dem zer-
trümmerten aristokratischen und dem werdenden militärischen
Regiment; und wenn das römische Gemeinwesen wie kein anderes
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/289>, abgerufen am 18.06.2024.
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