schwerer zu brechen ist, je verdeckter sie auftritt. Sie stiessen hier ferner, namentlich in den Geschwornengerichten, auf den Widerwillen der Mittelklassen gegen das neue monarchische Re- giment, den mit allen daraus entspringenden Verlegenheiten sie ebenso wenig zu beseitigen vermochten. Sie erlitten auf beiden Gebieten eine Reihe von Niederlagen, von denen die Wahlsiege der Opposition zwar nur den Werth von Demonstrationen hatten, da die Machthaber die Mittel besassen und gebrauchten, um jeden missliebigen Beamten thatsächlich zu annulliren, die oppositio- nellen Criminalverurtheilungen aber in empfindlicher Weise sie brauchbarer Gehülfen beraubten. Wie die Dinge standen, ver- mochten die Machthaber die Volkswahlen und die Geschwornen- gerichte weder zu entbehren noch ausreichend zu beherrschen und die Opposition, wie sehr sie auch hier sich eingeengt fand, behauptete bis zu einem gewissen Grade doch den Kampfplatz.
Noch schwieriger aber erwies es sich der Opposition auf einem Felde zu begegnen, dem sie immer mehr sich zuwandte, je weiter sie aus der unmittelbaren politischen Thätigkeit heraus- gedrängt ward. Es war dies die Litteratur. Schon die gericht- liche Opposition war zugleich, ja vor allem eine litterarische, da die Reden regelmässig veröffentlicht wurden und als politische Flugschriften dienten. Rascher und schärfer noch trafen die Pfeile der Poesie. Die lebhafte hocharistokratische Jugend, noch energischer vielleicht der gebildete Mittelstand in den italischen Landstädten führten den Pamphleten- und Epigrammenkrieg mit Eifer und Erfolg. Neben einander fochten auf diesem Felde der vornehme Senatorensohn Gaius Licinius Calvus (672--706), der als Redner und Pamphletist ebenso wie als gewandter Dich- ter gefürchtet war, und die Municipalen von Cremona und Ve- rona Marcus Furius Bibaculus (652--691) und Quintus Valerius Catullus (667--c.700), deren elegante und beissende Epigramme pfeilschnell durch Italien flogen und sicher ihr Ziel trafen. Durch- aus herrscht in der Litteratur dieser Jahre der oppositionelle Ton. Sie ist voll von grimmigem Hohn gegen den ,grossen Caesar', den ,einzigen Feldherrn', gegen den liebevollen Schwiegervater und Schwiegersohn, welche den ganzen Erdkreis zu Grunde rich- ten, damit es ihren verlotterten Günstlingen möglich werde die Spolien der langhaarigen Kelten durch die Strassen Roms zu pa- radiren, mit der Beute der fernsten Insel des Westens königliche Schmäuse auszurichten und als goldregnende Concurrenten die ehrlichen Jungen daheim bei ihren Mädchen auszustechen. Es
POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
schwerer zu brechen ist, je verdeckter sie auftritt. Sie stieſsen hier ferner, namentlich in den Geschwornengerichten, auf den Widerwillen der Mittelklassen gegen das neue monarchische Re- giment, den mit allen daraus entspringenden Verlegenheiten sie ebenso wenig zu beseitigen vermochten. Sie erlitten auf beiden Gebieten eine Reihe von Niederlagen, von denen die Wahlsiege der Opposition zwar nur den Werth von Demonstrationen hatten, da die Machthaber die Mittel besaſsen und gebrauchten, um jeden miſsliebigen Beamten thatsächlich zu annulliren, die oppositio- nellen Criminalverurtheilungen aber in empfindlicher Weise sie brauchbarer Gehülfen beraubten. Wie die Dinge standen, ver- mochten die Machthaber die Volkswahlen und die Geschwornen- gerichte weder zu entbehren noch ausreichend zu beherrschen und die Opposition, wie sehr sie auch hier sich eingeengt fand, behauptete bis zu einem gewissen Grade doch den Kampfplatz.
Noch schwieriger aber erwies es sich der Opposition auf einem Felde zu begegnen, dem sie immer mehr sich zuwandte, je weiter sie aus der unmittelbaren politischen Thätigkeit heraus- gedrängt ward. Es war dies die Litteratur. Schon die gericht- liche Opposition war zugleich, ja vor allem eine litterarische, da die Reden regelmäſsig veröffentlicht wurden und als politische Flugschriften dienten. Rascher und schärfer noch trafen die Pfeile der Poesie. Die lebhafte hocharistokratische Jugend, noch energischer vielleicht der gebildete Mittelstand in den italischen Landstädten führten den Pamphleten- und Epigrammenkrieg mit Eifer und Erfolg. Neben einander fochten auf diesem Felde der vornehme Senatorensohn Gaius Licinius Calvus (672—706), der als Redner und Pamphletist ebenso wie als gewandter Dich- ter gefürchtet war, und die Municipalen von Cremona und Ve- rona Marcus Furius Bibaculus (652—691) und Quintus Valerius Catullus (667—c.700), deren elegante und beiſsende Epigramme pfeilschnell durch Italien flogen und sicher ihr Ziel trafen. Durch- aus herrscht in der Litteratur dieser Jahre der oppositionelle Ton. Sie ist voll von grimmigem Hohn gegen den ‚groſsen Caesar‘, den ‚einzigen Feldherrn‘, gegen den liebevollen Schwiegervater und Schwiegersohn, welche den ganzen Erdkreis zu Grunde rich- ten, damit es ihren verlotterten Günstlingen möglich werde die Spolien der langhaarigen Kelten durch die Straſsen Roms zu pa- radiren, mit der Beute der fernsten Insel des Westens königliche Schmäuse auszurichten und als goldregnende Concurrenten die ehrlichen Jungen daheim bei ihren Mädchen auszustechen. Es
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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
schwerer zu brechen ist, je verdeckter sie auftritt. Sie stieſsen
hier ferner, namentlich in den Geschwornengerichten, auf den
Widerwillen der Mittelklassen gegen das neue monarchische Re-
giment, den mit allen daraus entspringenden Verlegenheiten sie
ebenso wenig zu beseitigen vermochten. Sie erlitten auf beiden
Gebieten eine Reihe von Niederlagen, von denen die Wahlsiege
der Opposition zwar nur den Werth von Demonstrationen hatten,
da die Machthaber die Mittel besaſsen und gebrauchten, um jeden
miſsliebigen Beamten thatsächlich zu annulliren, die oppositio-
nellen Criminalverurtheilungen aber in empfindlicher Weise sie
brauchbarer Gehülfen beraubten. Wie die Dinge standen, ver-
mochten die Machthaber die Volkswahlen und die Geschwornen-
gerichte weder zu entbehren noch ausreichend zu beherrschen
und die Opposition, wie sehr sie auch hier sich eingeengt fand,
behauptete bis zu einem gewissen Grade doch den Kampfplatz.
Noch schwieriger aber erwies es sich der Opposition auf
einem Felde zu begegnen, dem sie immer mehr sich zuwandte,
je weiter sie aus der unmittelbaren politischen Thätigkeit heraus-
gedrängt ward. Es war dies die Litteratur. Schon die gericht-
liche Opposition war zugleich, ja vor allem eine litterarische, da
die Reden regelmäſsig veröffentlicht wurden und als politische
Flugschriften dienten. Rascher und schärfer noch trafen die
Pfeile der Poesie. Die lebhafte hocharistokratische Jugend, noch
energischer vielleicht der gebildete Mittelstand in den italischen
Landstädten führten den Pamphleten- und Epigrammenkrieg
mit Eifer und Erfolg. Neben einander fochten auf diesem Felde
der vornehme Senatorensohn Gaius Licinius Calvus (672—706),
der als Redner und Pamphletist ebenso wie als gewandter Dich-
ter gefürchtet war, und die Municipalen von Cremona und Ve-
rona Marcus Furius Bibaculus (652—691) und Quintus Valerius
Catullus (667—c.700), deren elegante und beiſsende Epigramme
pfeilschnell durch Italien flogen und sicher ihr Ziel trafen. Durch-
aus herrscht in der Litteratur dieser Jahre der oppositionelle Ton.
Sie ist voll von grimmigem Hohn gegen den ‚groſsen Caesar‘,
den ‚einzigen Feldherrn‘, gegen den liebevollen Schwiegervater
und Schwiegersohn, welche den ganzen Erdkreis zu Grunde rich-
ten, damit es ihren verlotterten Günstlingen möglich werde die
Spolien der langhaarigen Kelten durch die Straſsen Roms zu pa-
radiren, mit der Beute der fernsten Insel des Westens königliche
Schmäuse auszurichten und als goldregnende Concurrenten die
ehrlichen Jungen daheim bei ihren Mädchen auszustechen. Es
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/313>, abgerufen am 16.07.2024.
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