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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DER BRUCH DER GESAMMTHERRSCHER.
lung im Senat kam, die Ausdehnung dieser Massregel auch auf
Pompeius und dessen ausserordentliche Commandos vorzuschla-
gen. Seine Auseinandersetzung, dass ein verfassungsmässiger Zu-
stand sich nur durch Beseitigung sämmtlicher Ausnahmestellun-
gen herbeiführen lasse, die einseitige Beseitigung aber eines der
Generale, sei es Caesars, sei es Pompeius, die Gefahr für die Ver-
fassung nur steigern werde, leuchtete den politischen Halbweisen
wie dem grossen Publicum vollkommen ein. Caesar seinerseits,
der von Oberitalien aus den Verhandlungen folgte, erklärte sich
mit Curios Vorschlag sogleich einverstanden und erbot sich Statt-
halterschaft und Commando augenblicklich niederzulegen, so wie
Pompeius das Gleiche thue; ohne Frage war es ihm damit auch
Ernst, denn nur die von Pompeius in Italien eingenommene Aus-
nahmestellung nöthigte ihn an der seinigen festzuhalten. So of-
fenbar hatte Curios Vorschlag die Majorität im Senate für sich,
dass Pompeius und die Minorität der Entschiedenen nicht einmal
wagten es zur Abstimmung kommen zu lassen. Pompeius er-
klärte, dass Caesar sein Commando jedenfalls bis zum 23. Nov.
704 abgeben müsse und dass er selbst zwar dem gegebenen Bei-
spiel bald zu folgen gedenke, aber für seinen Rücktritt weder
diesen noch irgend einen andern bestimmten Termin festzusetzen
vermöge. Uebrigens documentirten er und seine Verbündeten ihre
Rathlosigkeit durch eine abermalige Vertagung; noch einmal ging
der Senat unverrichteter Sache auseinander. Bis jetzt war es
also nicht Caesar, sondern Pompeius, der dem offenbaren Wil-
len des Senats sich widersetzte. Pompeius suchte auf einem an-
dern Weg Caesar mit den legalen Behörden in Widerspruch und
ins offenbare Unrecht zu bringen. Der Senat beschloss auf seine
Veranlassung, dass für den bevorstehenden parthischen Krieg
(S. 322) Pompeius und Caesar jeder eine Legion abzugeben
hätten; in Folge dieses Beschlusses forderte Pompeius die vor
mehreren Jahren an Caesar geborgte Legion von diesem zu-
rück, so dass, wenn Caesar dem Beschlusse nachkam, er in der
That zwei Legionen einbüsste; und doch liess sich weder die
Opportunität des Senatsbeschlusses noch die Berechtigung des
von Pompeius erhobenen Begehrens bestreiten. Es war ein em-
pfindlicher Verlust; aber Caesar war an seiner vortheilhaften Stel-
lung der strengen Gerechtigkeit und zuvorkommenden Nachgie-
bigkeit mehr gelegen als an einigen Tausend Soldaten mehr; die
beiden Legionen kamen ohne Verzug und stellten der Regierung
sich zur Verfügung. Aber statt nach Syrien eingeschifft zu wer-
den, wurden sie in Capua zu Pompeius Verfügung gehalten und

DER BRUCH DER GESAMMTHERRSCHER.
lung im Senat kam, die Ausdehnung dieser Maſsregel auch auf
Pompeius und dessen auſserordentliche Commandos vorzuschla-
gen. Seine Auseinandersetzung, daſs ein verfassungsmäſsiger Zu-
stand sich nur durch Beseitigung sämmtlicher Ausnahmestellun-
gen herbeiführen lasse, die einseitige Beseitigung aber eines der
Generale, sei es Caesars, sei es Pompeius, die Gefahr für die Ver-
fassung nur steigern werde, leuchtete den politischen Halbweisen
wie dem groſsen Publicum vollkommen ein. Caesar seinerseits,
der von Oberitalien aus den Verhandlungen folgte, erklärte sich
mit Curios Vorschlag sogleich einverstanden und erbot sich Statt-
halterschaft und Commando augenblicklich niederzulegen, so wie
Pompeius das Gleiche thue; ohne Frage war es ihm damit auch
Ernst, denn nur die von Pompeius in Italien eingenommene Aus-
nahmestellung nöthigte ihn an der seinigen festzuhalten. So of-
fenbar hatte Curios Vorschlag die Majorität im Senate für sich,
daſs Pompeius und die Minorität der Entschiedenen nicht einmal
wagten es zur Abstimmung kommen zu lassen. Pompeius er-
klärte, daſs Caesar sein Commando jedenfalls bis zum 23. Nov.
704 abgeben müsse und daſs er selbst zwar dem gegebenen Bei-
spiel bald zu folgen gedenke, aber für seinen Rücktritt weder
diesen noch irgend einen andern bestimmten Termin festzusetzen
vermöge. Uebrigens documentirten er und seine Verbündeten ihre
Rathlosigkeit durch eine abermalige Vertagung; noch einmal ging
der Senat unverrichteter Sache auseinander. Bis jetzt war es
also nicht Caesar, sondern Pompeius, der dem offenbaren Wil-
len des Senats sich widersetzte. Pompeius suchte auf einem an-
dern Weg Caesar mit den legalen Behörden in Widerspruch und
ins offenbare Unrecht zu bringen. Der Senat beschloſs auf seine
Veranlassung, daſs für den bevorstehenden parthischen Krieg
(S. 322) Pompeius und Caesar jeder eine Legion abzugeben
hätten; in Folge dieses Beschlusses forderte Pompeius die vor
mehreren Jahren an Caesar geborgte Legion von diesem zu-
rück, so daſs, wenn Caesar dem Beschlusse nachkam, er in der
That zwei Legionen einbüſste; und doch lieſs sich weder die
Opportunität des Senatsbeschlusses noch die Berechtigung des
von Pompeius erhobenen Begehrens bestreiten. Es war ein em-
pfindlicher Verlust; aber Caesar war an seiner vortheilhaften Stel-
lung der strengen Gerechtigkeit und zuvorkommenden Nachgie-
bigkeit mehr gelegen als an einigen Tausend Soldaten mehr; die
beiden Legionen kamen ohne Verzug und stellten der Regierung
sich zur Verfügung. Aber statt nach Syrien eingeschifft zu wer-
den, wurden sie in Capua zu Pompeius Verfügung gehalten und

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[335/0345] DER BRUCH DER GESAMMTHERRSCHER. lung im Senat kam, die Ausdehnung dieser Maſsregel auch auf Pompeius und dessen auſserordentliche Commandos vorzuschla- gen. Seine Auseinandersetzung, daſs ein verfassungsmäſsiger Zu- stand sich nur durch Beseitigung sämmtlicher Ausnahmestellun- gen herbeiführen lasse, die einseitige Beseitigung aber eines der Generale, sei es Caesars, sei es Pompeius, die Gefahr für die Ver- fassung nur steigern werde, leuchtete den politischen Halbweisen wie dem groſsen Publicum vollkommen ein. Caesar seinerseits, der von Oberitalien aus den Verhandlungen folgte, erklärte sich mit Curios Vorschlag sogleich einverstanden und erbot sich Statt- halterschaft und Commando augenblicklich niederzulegen, so wie Pompeius das Gleiche thue; ohne Frage war es ihm damit auch Ernst, denn nur die von Pompeius in Italien eingenommene Aus- nahmestellung nöthigte ihn an der seinigen festzuhalten. So of- fenbar hatte Curios Vorschlag die Majorität im Senate für sich, daſs Pompeius und die Minorität der Entschiedenen nicht einmal wagten es zur Abstimmung kommen zu lassen. Pompeius er- klärte, daſs Caesar sein Commando jedenfalls bis zum 23. Nov. 704 abgeben müsse und daſs er selbst zwar dem gegebenen Bei- spiel bald zu folgen gedenke, aber für seinen Rücktritt weder diesen noch irgend einen andern bestimmten Termin festzusetzen vermöge. Uebrigens documentirten er und seine Verbündeten ihre Rathlosigkeit durch eine abermalige Vertagung; noch einmal ging der Senat unverrichteter Sache auseinander. Bis jetzt war es also nicht Caesar, sondern Pompeius, der dem offenbaren Wil- len des Senats sich widersetzte. Pompeius suchte auf einem an- dern Weg Caesar mit den legalen Behörden in Widerspruch und ins offenbare Unrecht zu bringen. Der Senat beschloſs auf seine Veranlassung, daſs für den bevorstehenden parthischen Krieg (S. 322) Pompeius und Caesar jeder eine Legion abzugeben hätten; in Folge dieses Beschlusses forderte Pompeius die vor mehreren Jahren an Caesar geborgte Legion von diesem zu- rück, so daſs, wenn Caesar dem Beschlusse nachkam, er in der That zwei Legionen einbüſste; und doch lieſs sich weder die Opportunität des Senatsbeschlusses noch die Berechtigung des von Pompeius erhobenen Begehrens bestreiten. Es war ein em- pfindlicher Verlust; aber Caesar war an seiner vortheilhaften Stel- lung der strengen Gerechtigkeit und zuvorkommenden Nachgie- bigkeit mehr gelegen als an einigen Tausend Soldaten mehr; die beiden Legionen kamen ohne Verzug und stellten der Regierung sich zur Verfügung. Aber statt nach Syrien eingeschifft zu wer- den, wurden sie in Capua zu Pompeius Verfügung gehalten und

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/345>, abgerufen am 24.06.2024.