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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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volks, theils keltiberischer Linieninfanterie, theils lusitanischer
und anderer Leichten, und durch 5000 spanische Reiter, unter
Afranius und Petreius, den durch Vibullius überbrachten Befehlen
des Pompeius gemäss, sich aufgemacht um die Pyrenäen dem
Feinde zu sperren. -- Hierüber traf Caesar selbst in Gallien ein
und entsandte sogleich, da er selbst noch durch die Einleitung der
Belagerung von Massalia zurückgehalten ward, den grössten Theil
seiner an der Rhone versammelten Truppen, sechs Legionen und
die Reiterei, auf der grossen über Narbo (Narbonne) nach Rhoda
(Rosas) führenden Chaussee, um an den Pyrenäen dem Feinde
zuvorzukommen. Es gelang; als Afranius und Petreius an den
Pässen anlangten, fanden sie dieselben bereits besetzt von den
Caesarianern und nahmen nach dem Verlust der Pyrenäenlinie
zwischen diesen und dem Ebro eine Stellung bei Ilerda (Lerida).
Diese Stadt liegt vier Meilen nördlich vom Ebro an dem rechten
Ufer eines Nebenflusses desselben, des Sicoris (Segre), über den
nur eine einzige solide Brücke unmittelbar bei Ilerda führte. Süd-
lich von Ilerda treten die das linke Ufer des Ebro begleitenden
Gebirge ziemlich nahe an die Stadt hinan; nordwärts erstreckt
sich zu beiden Seiten des Sicoris ebenes Land, das von dem Hü-
gel, auf welchem die Stadt gebaut ist, beherrscht wird. Für eine
Armee, die sich musste belagern lassen, war es eine vortreffliche
Stellung; aber die Vertheidigung Spaniens konnte, nachdem die
Pyrenäenlinie verloren war, doch nur hinter der Ebrolinie ernst-
lich aufgenommen werden, und da weder eine feste Verbindung
zwischen Ilerda und dem Ebro hergestellt noch dieser Fluss über-
brückt war, so war der Rückzug aus der vorläufigen in die wahre
Vertheidigungsstellung nicht hinreichend gesichert. Die Caesaria-
ner setzten sich oberhalb Ilerda in dem Delta fest, das der Fluss
Sicoris mit dem unterhalb Ilerda mit ihm sich vereinigenden
Cinga (Cinca) bildet; indess ward es mit dem Angriff erst Ernst,
nachdem Caesar im Lager eingetroffen war (23. Juni). Ein Ge-
fecht unter den Mauern der Stadt, in dem beide Theile mit glei-
cher Erbitterung und gleicher Tapferkeit kämpften, ergab nach
vielfach wechselnden Erfolgen als letztes Resultat, dass die Cae-
sarianer ihren Zweck: zwischen dem pompeianischen Lager und
der Stadt sich festzusetzen und dadurch der Steinbrücke sich zu
bemächtigen, nicht erreichten. Sie blieben also für ihre Com-
munication mit Gallien ausschliesslich angewiesen auf zwei in
der Eile über den Sicoris geschlagene Brücken, welche, da der
Fluss hei Ilerda selbst zur Ueberbrückung schon zu ansehnlich
war, vier bis fünf deutsche Meilen weiter oberwärts hatten ge-

ILERDA.
volks, theils keltiberischer Linieninfanterie, theils lusitanischer
und anderer Leichten, und durch 5000 spanische Reiter, unter
Afranius und Petreius, den durch Vibullius überbrachten Befehlen
des Pompeius gemäſs, sich aufgemacht um die Pyrenäen dem
Feinde zu sperren. — Hierüber traf Caesar selbst in Gallien ein
und entsandte sogleich, da er selbst noch durch die Einleitung der
Belagerung von Massalia zurückgehalten ward, den gröſsten Theil
seiner an der Rhone versammelten Truppen, sechs Legionen und
die Reiterei, auf der groſsen über Narbo (Narbonne) nach Rhoda
(Rosas) führenden Chaussee, um an den Pyrenäen dem Feinde
zuvorzukommen. Es gelang; als Afranius und Petreius an den
Pässen anlangten, fanden sie dieselben bereits besetzt von den
Caesarianern und nahmen nach dem Verlust der Pyrenäenlinie
zwischen diesen und dem Ebro eine Stellung bei Ilerda (Lerida).
Diese Stadt liegt vier Meilen nördlich vom Ebro an dem rechten
Ufer eines Nebenflusses desselben, des Sicoris (Segre), über den
nur eine einzige solide Brücke unmittelbar bei Ilerda führte. Süd-
lich von Ilerda treten die das linke Ufer des Ebro begleitenden
Gebirge ziemlich nahe an die Stadt hinan; nordwärts erstreckt
sich zu beiden Seiten des Sicoris ebenes Land, das von dem Hü-
gel, auf welchem die Stadt gebaut ist, beherrscht wird. Für eine
Armee, die sich muſste belagern lassen, war es eine vortreffliche
Stellung; aber die Vertheidigung Spaniens konnte, nachdem die
Pyrenäenlinie verloren war, doch nur hinter der Ebrolinie ernst-
lich aufgenommen werden, und da weder eine feste Verbindung
zwischen Ilerda und dem Ebro hergestellt noch dieser Fluſs über-
brückt war, so war der Rückzug aus der vorläufigen in die wahre
Vertheidigungsstellung nicht hinreichend gesichert. Die Caesaria-
ner setzten sich oberhalb Ilerda in dem Delta fest, das der Fluſs
Sicoris mit dem unterhalb Ilerda mit ihm sich vereinigenden
Cinga (Cinca) bildet; indeſs ward es mit dem Angriff erst Ernst,
nachdem Caesar im Lager eingetroffen war (23. Juni). Ein Ge-
fecht unter den Mauern der Stadt, in dem beide Theile mit glei-
cher Erbitterung und gleicher Tapferkeit kämpften, ergab nach
vielfach wechselnden Erfolgen als letztes Resultat, daſs die Cae-
sarianer ihren Zweck: zwischen dem pompeianischen Lager und
der Stadt sich festzusetzen und dadurch der Steinbrücke sich zu
bemächtigen, nicht erreichten. Sie blieben also für ihre Com-
munication mit Gallien ausschlieſslich angewiesen auf zwei in
der Eile über den Sicoris geschlagene Brücken, welche, da der
Fluſs hei Ilerda selbst zur Ueberbrückung schon zu ansehnlich
war, vier bis fünf deutsche Meilen weiter oberwärts hatten ge-

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[363/0373] ILERDA. volks, theils keltiberischer Linieninfanterie, theils lusitanischer und anderer Leichten, und durch 5000 spanische Reiter, unter Afranius und Petreius, den durch Vibullius überbrachten Befehlen des Pompeius gemäſs, sich aufgemacht um die Pyrenäen dem Feinde zu sperren. — Hierüber traf Caesar selbst in Gallien ein und entsandte sogleich, da er selbst noch durch die Einleitung der Belagerung von Massalia zurückgehalten ward, den gröſsten Theil seiner an der Rhone versammelten Truppen, sechs Legionen und die Reiterei, auf der groſsen über Narbo (Narbonne) nach Rhoda (Rosas) führenden Chaussee, um an den Pyrenäen dem Feinde zuvorzukommen. Es gelang; als Afranius und Petreius an den Pässen anlangten, fanden sie dieselben bereits besetzt von den Caesarianern und nahmen nach dem Verlust der Pyrenäenlinie zwischen diesen und dem Ebro eine Stellung bei Ilerda (Lerida). Diese Stadt liegt vier Meilen nördlich vom Ebro an dem rechten Ufer eines Nebenflusses desselben, des Sicoris (Segre), über den nur eine einzige solide Brücke unmittelbar bei Ilerda führte. Süd- lich von Ilerda treten die das linke Ufer des Ebro begleitenden Gebirge ziemlich nahe an die Stadt hinan; nordwärts erstreckt sich zu beiden Seiten des Sicoris ebenes Land, das von dem Hü- gel, auf welchem die Stadt gebaut ist, beherrscht wird. Für eine Armee, die sich muſste belagern lassen, war es eine vortreffliche Stellung; aber die Vertheidigung Spaniens konnte, nachdem die Pyrenäenlinie verloren war, doch nur hinter der Ebrolinie ernst- lich aufgenommen werden, und da weder eine feste Verbindung zwischen Ilerda und dem Ebro hergestellt noch dieser Fluſs über- brückt war, so war der Rückzug aus der vorläufigen in die wahre Vertheidigungsstellung nicht hinreichend gesichert. Die Caesaria- ner setzten sich oberhalb Ilerda in dem Delta fest, das der Fluſs Sicoris mit dem unterhalb Ilerda mit ihm sich vereinigenden Cinga (Cinca) bildet; indeſs ward es mit dem Angriff erst Ernst, nachdem Caesar im Lager eingetroffen war (23. Juni). Ein Ge- fecht unter den Mauern der Stadt, in dem beide Theile mit glei- cher Erbitterung und gleicher Tapferkeit kämpften, ergab nach vielfach wechselnden Erfolgen als letztes Resultat, daſs die Cae- sarianer ihren Zweck: zwischen dem pompeianischen Lager und der Stadt sich festzusetzen und dadurch der Steinbrücke sich zu bemächtigen, nicht erreichten. Sie blieben also für ihre Com- munication mit Gallien ausschlieſslich angewiesen auf zwei in der Eile über den Sicoris geschlagene Brücken, welche, da der Fluſs hei Ilerda selbst zur Ueberbrückung schon zu ansehnlich war, vier bis fünf deutsche Meilen weiter oberwärts hatten ge-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/373>, abgerufen am 16.07.2024.