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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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ILERDA.
Caesars Statthalterschaft her mit ihm in Fehde lagen (S. 275),
die wichtige Inselstadt Issa (Lissa) und andere Ortschaften er-
griffen die Partei des Pompeius; allein in Salonae (Spalatro) und
Lissos (Alessio) gelang es den Anhängern Caesars sich zu be-
haupten und in der ersteren Stadt hielten sie nicht bloss die Be-
lagerung muthig aus, sondern machten, als sie aufs Aeusserste
gebracht waren, einen Ausfall mit solchem Erfolg, dass Octavius
die Belagerung aufhob und nach Dyrrhachion abfuhr um dort zu
überwintern. -- Der in Illyricum von der pompeianischen Flotte
erfochtene Erfolg war an sich nicht unbedeutend; aber auf den
Gesammtgang des Feldzugs wirkte er doch in entscheidender
Weise nicht ein und zwerghaft gering erscheint er, wenn man er-
wägt, dass die Verrichtungen der unter Pompeius Oberbefehl ste-
henden Land- und Seemacht während des ganzen ereignissreichen
Jahres 705 sich auf diese einzige Waffenthat beschränkten. Die
Unthätigkeit der Landmacht wird wenigstens begreiflich, wenn
man den aufgelösten Zustand der in der östlichen Hälfte des Rei-
ches zerstreuten Streitkräfte, die Methode des Feldherrn nie an-
ders als mit überlegenen Massen zu operiren, seine Schwerfällig-
keit und die Zerfahrenheit der Coalition in Betracht zieht; aber
dass die Flotte, die doch ohne Rivalen das Mittelmeer beherrschte,
so gar nichts that um in den Gang der Dinge einzugreifen, nichts
für Spanien, so gut wie nichts für die treuen Massalioten, nichts
um Sardinien, Sicilien, Africa zu vertheidigen und Italien wo nicht
wieder zu besetzen, doch wenigstens ihm die Zufuhr abzusperren
-- das macht an unsere Vorstellungen von der im pompeiani-
schen Lager herrschenden Verwirrung und Verkehrtheit An-
sprüche, denen wir nur mit Mühe zu genügen vermögen. -- Das
Gesammtresultat war entsprechend. Caesars doppelte Offensive
gegen Spanien und gegen Sicilien und Africa war dort vollstän-
dig, hier wenigstens theilweise gelungen; dagegen ward Pompeius
Plan Italien auszuhungern durch die Wegnahme Siciliens in der
Hauptsache, sein allgemeiner Feldzugsplan durch die Vernichtung
der spanischen Armee vollständig vereitelt; und in Italien waren
Caesars Vertheidigungsanstalten nur zum kleinsten Theil zur Ver-
wendung gekommen. Trotz der empfindlichen Verluste in Africa
und Illyrien ging doch Caesar in der entschiedensten und ent-
scheidendsten Weise aus diesem ersten Kriegsjahr als Sieger
hervor.

Wenn indess vom Osten aus nichts Wesentliches geschah
um Caesar an die Unterwerfung des Westens zu hindern, so ar-
beitete man doch wenigstens dort in der so schmählich gewonne-

ILERDA.
Caesars Statthalterschaft her mit ihm in Fehde lagen (S. 275),
die wichtige Inselstadt Issa (Lissa) und andere Ortschaften er-
griffen die Partei des Pompeius; allein in Salonae (Spalatro) und
Lissos (Alessio) gelang es den Anhängern Caesars sich zu be-
haupten und in der ersteren Stadt hielten sie nicht bloſs die Be-
lagerung muthig aus, sondern machten, als sie aufs Aeuſserste
gebracht waren, einen Ausfall mit solchem Erfolg, daſs Octavius
die Belagerung aufhob und nach Dyrrhachion abfuhr um dort zu
überwintern. — Der in Illyricum von der pompeianischen Flotte
erfochtene Erfolg war an sich nicht unbedeutend; aber auf den
Gesammtgang des Feldzugs wirkte er doch in entscheidender
Weise nicht ein und zwerghaft gering erscheint er, wenn man er-
wägt, daſs die Verrichtungen der unter Pompeius Oberbefehl ste-
henden Land- und Seemacht während des ganzen ereigniſsreichen
Jahres 705 sich auf diese einzige Waffenthat beschränkten. Die
Unthätigkeit der Landmacht wird wenigstens begreiflich, wenn
man den aufgelösten Zustand der in der östlichen Hälfte des Rei-
ches zerstreuten Streitkräfte, die Methode des Feldherrn nie an-
ders als mit überlegenen Massen zu operiren, seine Schwerfällig-
keit und die Zerfahrenheit der Coalition in Betracht zieht; aber
daſs die Flotte, die doch ohne Rivalen das Mittelmeer beherrschte,
so gar nichts that um in den Gang der Dinge einzugreifen, nichts
für Spanien, so gut wie nichts für die treuen Massalioten, nichts
um Sardinien, Sicilien, Africa zu vertheidigen und Italien wo nicht
wieder zu besetzen, doch wenigstens ihm die Zufuhr abzusperren
— das macht an unsere Vorstellungen von der im pompeiani-
schen Lager herrschenden Verwirrung und Verkehrtheit An-
sprüche, denen wir nur mit Mühe zu genügen vermögen. — Das
Gesammtresultat war entsprechend. Caesars doppelte Offensive
gegen Spanien und gegen Sicilien und Africa war dort vollstän-
dig, hier wenigstens theilweise gelungen; dagegen ward Pompeius
Plan Italien auszuhungern durch die Wegnahme Siciliens in der
Hauptsache, sein allgemeiner Feldzugsplan durch die Vernichtung
der spanischen Armee vollständig vereitelt; und in Italien waren
Caesars Vertheidigungsanstalten nur zum kleinsten Theil zur Ver-
wendung gekommen. Trotz der empfindlichen Verluste in Africa
und Illyrien ging doch Caesar in der entschiedensten und ent-
scheidendsten Weise aus diesem ersten Kriegsjahr als Sieger
hervor.

Wenn indeſs vom Osten aus nichts Wesentliches geschah
um Caesar an die Unterwerfung des Westens zu hindern, so ar-
beitete man doch wenigstens dort in der so schmählich gewonne-

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[375/0385] ILERDA. Caesars Statthalterschaft her mit ihm in Fehde lagen (S. 275), die wichtige Inselstadt Issa (Lissa) und andere Ortschaften er- griffen die Partei des Pompeius; allein in Salonae (Spalatro) und Lissos (Alessio) gelang es den Anhängern Caesars sich zu be- haupten und in der ersteren Stadt hielten sie nicht bloſs die Be- lagerung muthig aus, sondern machten, als sie aufs Aeuſserste gebracht waren, einen Ausfall mit solchem Erfolg, daſs Octavius die Belagerung aufhob und nach Dyrrhachion abfuhr um dort zu überwintern. — Der in Illyricum von der pompeianischen Flotte erfochtene Erfolg war an sich nicht unbedeutend; aber auf den Gesammtgang des Feldzugs wirkte er doch in entscheidender Weise nicht ein und zwerghaft gering erscheint er, wenn man er- wägt, daſs die Verrichtungen der unter Pompeius Oberbefehl ste- henden Land- und Seemacht während des ganzen ereigniſsreichen Jahres 705 sich auf diese einzige Waffenthat beschränkten. Die Unthätigkeit der Landmacht wird wenigstens begreiflich, wenn man den aufgelösten Zustand der in der östlichen Hälfte des Rei- ches zerstreuten Streitkräfte, die Methode des Feldherrn nie an- ders als mit überlegenen Massen zu operiren, seine Schwerfällig- keit und die Zerfahrenheit der Coalition in Betracht zieht; aber daſs die Flotte, die doch ohne Rivalen das Mittelmeer beherrschte, so gar nichts that um in den Gang der Dinge einzugreifen, nichts für Spanien, so gut wie nichts für die treuen Massalioten, nichts um Sardinien, Sicilien, Africa zu vertheidigen und Italien wo nicht wieder zu besetzen, doch wenigstens ihm die Zufuhr abzusperren — das macht an unsere Vorstellungen von der im pompeiani- schen Lager herrschenden Verwirrung und Verkehrtheit An- sprüche, denen wir nur mit Mühe zu genügen vermögen. — Das Gesammtresultat war entsprechend. Caesars doppelte Offensive gegen Spanien und gegen Sicilien und Africa war dort vollstän- dig, hier wenigstens theilweise gelungen; dagegen ward Pompeius Plan Italien auszuhungern durch die Wegnahme Siciliens in der Hauptsache, sein allgemeiner Feldzugsplan durch die Vernichtung der spanischen Armee vollständig vereitelt; und in Italien waren Caesars Vertheidigungsanstalten nur zum kleinsten Theil zur Ver- wendung gekommen. Trotz der empfindlichen Verluste in Africa und Illyrien ging doch Caesar in der entschiedensten und ent- scheidendsten Weise aus diesem ersten Kriegsjahr als Sieger hervor. Wenn indeſs vom Osten aus nichts Wesentliches geschah um Caesar an die Unterwerfung des Westens zu hindern, so ar- beitete man doch wenigstens dort in der so schmählich gewonne-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/385>, abgerufen am 16.07.2024.