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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
von Thessalonike her anrückenden Corps des Scipio den Weg ver-
legen und wo möglich es einzeln schlagen sollte. Schon hatten
Calvinus und Scipio sich bis auf wenige Meilen einander genähert,
als Scipio plötzlich sich südwärts wandte und, rasch den Haliak-
mon (Jadsche Karasu) überschreitend, an dem sein Gepäck und
ein Posten unter Marcus Favonius zurückblieb, in Thessalien ein-
drang, um die mit der Unterwerfung des Landes beschäftigte Re-
crutenlegion Caesars unter Lucius Cassius Longinus mit Ueber-
macht anzugreifen. Longinus zog sich über die Berge nach Am-
brakia auf das von Caesar nach Aetolien gesandte Detachement
unter Gnaeus Calvisius Sabinus zurück; Scipio konnte ihn nur
durch seine thrakischen Reiter verfolgen lassen, da Calvinus seine
unter Favonius am Haliakmon zurückgelassene Reserve mit dem
gleichen Schicksal bedrohte, welches er selbst dem Longinus zu
bereiten gedachte. So trafen Calvinus und Scipio am Haliakmon
wieder zusammen und lagerten hier längere Zeit einander gegen-
über. -- Pompeius konnte zwischen diesen Plänen wählen; Cae-
sar blieb keine Wahl. Er trat nach jenem unglücklichen Gefechte
den Rückzug auf Apollonia an. Pompeius folgte. Der Marsch von
Dyrrhachion nach Apollonia auf einer schwierigen von mehreren
Flüssen durchschnittenen Strasse war keine leichte Aufgabe für
eine geschlagene und vom Feinde verfolgte Armee; indess die ge-
schickte Leitung des Feldherrn und die unverwüstliche Marschir-
fähigkeit der Soldaten nöthigten Pompeius nach viertägiger Ver-
folgung dieselbe als nutzlos einzustellen. Er hatte jetzt sich zu
entscheiden zwischen der italischen Expedition und dem Marsch
in das Binnenland; und so räthlich und lockend auch jene schien,
so manche Stimmen auch dafür sich erhoben, er zog es doch vor
das Corps des Metellus nicht preiszugeben, um so mehr als er
durch diesen Marsch das des Calvinus in die Hände zu bekom-
men hoffte. Calvinus stand augenblicklich auf der egnatischen
Strasse bei Herakleia Lynkestis, zwischen Pompeius und Scipio
und, nachdem Caesar sich auf Apollonia zurückgezogen, von
diesem weiter entfernt als von der grossen Armee des Pompeius,
zu alle dem ohne Kenntniss von den Vorgängen bei Dyrrhachion
und von seiner bedenklichen Lage, da nach den bei Dyrrhachion
errungenen Erfolgen die ganze Landschaft sich zu Pompeius neigte
und die Boten Caesars überall aufgegriffen wurden. Erst als die
feindliche Hauptmacht bis auf wenige Stunden sich ihm genähert
hatte, erfuhr Calvinus aus den Erzählungen der feindlichen Vor-
posten selbst den Stand der Dinge und ein rascher Aufbruch
in südlicher Richtung gegen Thessalien zu entzog ihn im letzten

FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
von Thessalonike her anrückenden Corps des Scipio den Weg ver-
legen und wo möglich es einzeln schlagen sollte. Schon hatten
Calvinus und Scipio sich bis auf wenige Meilen einander genähert,
als Scipio plötzlich sich südwärts wandte und, rasch den Haliak-
mon (Jadsche Karasu) überschreitend, an dem sein Gepäck und
ein Posten unter Marcus Favonius zurückblieb, in Thessalien ein-
drang, um die mit der Unterwerfung des Landes beschäftigte Re-
crutenlegion Caesars unter Lucius Cassius Longinus mit Ueber-
macht anzugreifen. Longinus zog sich über die Berge nach Am-
brakia auf das von Caesar nach Aetolien gesandte Detachement
unter Gnaeus Calvisius Sabinus zurück; Scipio konnte ihn nur
durch seine thrakischen Reiter verfolgen lassen, da Calvinus seine
unter Favonius am Haliakmon zurückgelassene Reserve mit dem
gleichen Schicksal bedrohte, welches er selbst dem Longinus zu
bereiten gedachte. So trafen Calvinus und Scipio am Haliakmon
wieder zusammen und lagerten hier längere Zeit einander gegen-
über. — Pompeius konnte zwischen diesen Plänen wählen; Cae-
sar blieb keine Wahl. Er trat nach jenem unglücklichen Gefechte
den Rückzug auf Apollonia an. Pompeius folgte. Der Marsch von
Dyrrhachion nach Apollonia auf einer schwierigen von mehreren
Flüssen durchschnittenen Straſse war keine leichte Aufgabe für
eine geschlagene und vom Feinde verfolgte Armee; indeſs die ge-
schickte Leitung des Feldherrn und die unverwüstliche Marschir-
fähigkeit der Soldaten nöthigten Pompeius nach viertägiger Ver-
folgung dieselbe als nutzlos einzustellen. Er hatte jetzt sich zu
entscheiden zwischen der italischen Expedition und dem Marsch
in das Binnenland; und so räthlich und lockend auch jene schien,
so manche Stimmen auch dafür sich erhoben, er zog es doch vor
das Corps des Metellus nicht preiszugeben, um so mehr als er
durch diesen Marsch das des Calvinus in die Hände zu bekom-
men hoffte. Calvinus stand augenblicklich auf der egnatischen
Straſse bei Herakleia Lynkestis, zwischen Pompeius und Scipio
und, nachdem Caesar sich auf Apollonia zurückgezogen, von
diesem weiter entfernt als von der groſsen Armee des Pompeius,
zu alle dem ohne Kenntniſs von den Vorgängen bei Dyrrhachion
und von seiner bedenklichen Lage, da nach den bei Dyrrhachion
errungenen Erfolgen die ganze Landschaft sich zu Pompeius neigte
und die Boten Caesars überall aufgegriffen wurden. Erst als die
feindliche Hauptmacht bis auf wenige Stunden sich ihm genähert
hatte, erfuhr Calvinus aus den Erzählungen der feindlichen Vor-
posten selbst den Stand der Dinge und ein rascher Aufbruch
in südlicher Richtung gegen Thessalien zu entzog ihn im letzten

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[390/0400] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. von Thessalonike her anrückenden Corps des Scipio den Weg ver- legen und wo möglich es einzeln schlagen sollte. Schon hatten Calvinus und Scipio sich bis auf wenige Meilen einander genähert, als Scipio plötzlich sich südwärts wandte und, rasch den Haliak- mon (Jadsche Karasu) überschreitend, an dem sein Gepäck und ein Posten unter Marcus Favonius zurückblieb, in Thessalien ein- drang, um die mit der Unterwerfung des Landes beschäftigte Re- crutenlegion Caesars unter Lucius Cassius Longinus mit Ueber- macht anzugreifen. Longinus zog sich über die Berge nach Am- brakia auf das von Caesar nach Aetolien gesandte Detachement unter Gnaeus Calvisius Sabinus zurück; Scipio konnte ihn nur durch seine thrakischen Reiter verfolgen lassen, da Calvinus seine unter Favonius am Haliakmon zurückgelassene Reserve mit dem gleichen Schicksal bedrohte, welches er selbst dem Longinus zu bereiten gedachte. So trafen Calvinus und Scipio am Haliakmon wieder zusammen und lagerten hier längere Zeit einander gegen- über. — Pompeius konnte zwischen diesen Plänen wählen; Cae- sar blieb keine Wahl. Er trat nach jenem unglücklichen Gefechte den Rückzug auf Apollonia an. Pompeius folgte. Der Marsch von Dyrrhachion nach Apollonia auf einer schwierigen von mehreren Flüssen durchschnittenen Straſse war keine leichte Aufgabe für eine geschlagene und vom Feinde verfolgte Armee; indeſs die ge- schickte Leitung des Feldherrn und die unverwüstliche Marschir- fähigkeit der Soldaten nöthigten Pompeius nach viertägiger Ver- folgung dieselbe als nutzlos einzustellen. Er hatte jetzt sich zu entscheiden zwischen der italischen Expedition und dem Marsch in das Binnenland; und so räthlich und lockend auch jene schien, so manche Stimmen auch dafür sich erhoben, er zog es doch vor das Corps des Metellus nicht preiszugeben, um so mehr als er durch diesen Marsch das des Calvinus in die Hände zu bekom- men hoffte. Calvinus stand augenblicklich auf der egnatischen Straſse bei Herakleia Lynkestis, zwischen Pompeius und Scipio und, nachdem Caesar sich auf Apollonia zurückgezogen, von diesem weiter entfernt als von der groſsen Armee des Pompeius, zu alle dem ohne Kenntniſs von den Vorgängen bei Dyrrhachion und von seiner bedenklichen Lage, da nach den bei Dyrrhachion errungenen Erfolgen die ganze Landschaft sich zu Pompeius neigte und die Boten Caesars überall aufgegriffen wurden. Erst als die feindliche Hauptmacht bis auf wenige Stunden sich ihm genähert hatte, erfuhr Calvinus aus den Erzählungen der feindlichen Vor- posten selbst den Stand der Dinge und ein rascher Aufbruch in südlicher Richtung gegen Thessalien zu entzog ihn im letzten

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/400>, abgerufen am 18.12.2024.