Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.PHARSALOS. feind in den inneren Streit hineinziehen, oder endlich, die Mo-narchie mit den Lippen bekennend, im Dunkeln gegen sie con- spiriren. Der erste dieser Wege war wenigstens der natürliche und insofern richtigste Ausdruck der verzweifelten Lage der über- wundenen Parteien. Das Gebirge und vor allem das Meer waren in jener Zeit seit Menschengedenken wie die Freistatt allen Fre- vels, so auch die des unerträglichen Elends und des unterdrück- ten Rechtes; Pompeianern und Republikanern lag es nahe der Monarchie Caesars, die sie ausstiess, in den Bergen und auf den Meeren trotzig den Krieg zu machen und namentlich nahe die Pira- terie in grösserem Massstab, in festerer Geschlossenheit, mit be- stimmteren Zielen wieder aufzunehmen. Selbst nach der Abbe- rufung der aus dem Osten gekommenen Geschwader besassen sie noch eine sehr ansehnliche eigene Flotte, während Caesar immer noch so gut wie ohne Kriegsschiffe war; und ihre Verbindung mit den Delmatern, die im eigenen Interesse gegen Caesar aufgestan- den waren (S. 375), ihre Herrschaft über die wichtigsten Meere und Hafenplätze, gaben für den Seekrieg, namentlich im Kleinen, die vortheilhaftesten Aussichten. Wie einst Sullas Demokraten- hetze geendigt hatte mit dem sertorianischen Aufstand, der an- fangs Piraten-, dann Räuberfehde war und schliesslich ein sehr ernstlicher Krieg ward, so konnte, wenn in der catonischen Ari- stokratie oder unter den Anhängern des Pompeius so viel Geist und Feuer war wie in der marianischen Demokratie, und wenn in ihr der rechte Seekönig sich fand, auf der noch unbezwunge- nen See wohl ein von Caesars Monarchie unabhängiges und viel- leicht dieser gewachsenes Gemeinwesen entstehen. -- In jeder Hinsicht weit schärfere Missbilligung verdiente der Gedanke einen unabhängigen Nachbarstaat in den römischen Bürgerkrieg hin- einzuziehen und durch ihn eine Contrerevolution herbeizuführen; Gesetz und Sittlichkeit verurtheilen den Ueberläufer strenger als den Räuber und leichter findet die siegreiche Räuberschaar den Rückweg zu einem freien und geordneten Gemeinwesen, als die vom Landesfeind zurückgeführte Emigration. Uebrigens war es auch kaum wahrscheinlich, dass die geschlagene Partei auf die- sem Wege eine Restauration würde bewirken können. Der einzige Staat, auf den sie versuchen konnte sich zu stützen, war der der Parther; und von diesem war es wenigstens zweifelhaft, ob er ihre Sache zu der seinigen machen, und sehr unwahrscheinlich, dass er gegen Caesar sie durchfechten werde. -- Die Zeit der republi- kanischen Verschwörungen aber war noch nicht gekommen. Während also die Trümmer der geschlagenen Partei rathlos Röm. Gesch. III. 26
PHARSALOS. feind in den inneren Streit hineinziehen, oder endlich, die Mo-narchie mit den Lippen bekennend, im Dunkeln gegen sie con- spiriren. Der erste dieser Wege war wenigstens der natürliche und insofern richtigste Ausdruck der verzweifelten Lage der über- wundenen Parteien. Das Gebirge und vor allem das Meer waren in jener Zeit seit Menschengedenken wie die Freistatt allen Fre- vels, so auch die des unerträglichen Elends und des unterdrück- ten Rechtes; Pompeianern und Republikanern lag es nahe der Monarchie Caesars, die sie ausstieſs, in den Bergen und auf den Meeren trotzig den Krieg zu machen und namentlich nahe die Pira- terie in gröſserem Maſsstab, in festerer Geschlossenheit, mit be- stimmteren Zielen wieder aufzunehmen. Selbst nach der Abbe- rufung der aus dem Osten gekommenen Geschwader besaſsen sie noch eine sehr ansehnliche eigene Flotte, während Caesar immer noch so gut wie ohne Kriegsschiffe war; und ihre Verbindung mit den Delmatern, die im eigenen Interesse gegen Caesar aufgestan- den waren (S. 375), ihre Herrschaft über die wichtigsten Meere und Hafenplätze, gaben für den Seekrieg, namentlich im Kleinen, die vortheilhaftesten Aussichten. Wie einst Sullas Demokraten- hetze geendigt hatte mit dem sertorianischen Aufstand, der an- fangs Piraten-, dann Räuberfehde war und schlieſslich ein sehr ernstlicher Krieg ward, so konnte, wenn in der catonischen Ari- stokratie oder unter den Anhängern des Pompeius so viel Geist und Feuer war wie in der marianischen Demokratie, und wenn in ihr der rechte Seekönig sich fand, auf der noch unbezwunge- nen See wohl ein von Caesars Monarchie unabhängiges und viel- leicht dieser gewachsenes Gemeinwesen entstehen. — In jeder Hinsicht weit schärfere Miſsbilligung verdiente der Gedanke einen unabhängigen Nachbarstaat in den römischen Bürgerkrieg hin- einzuziehen und durch ihn eine Contrerevolution herbeizuführen; Gesetz und Sittlichkeit verurtheilen den Ueberläufer strenger als den Räuber und leichter findet die siegreiche Räuberschaar den Rückweg zu einem freien und geordneten Gemeinwesen, als die vom Landesfeind zurückgeführte Emigration. Uebrigens war es auch kaum wahrscheinlich, daſs die geschlagene Partei auf die- sem Wege eine Restauration würde bewirken können. Der einzige Staat, auf den sie versuchen konnte sich zu stützen, war der der Parther; und von diesem war es wenigstens zweifelhaft, ob er ihre Sache zu der seinigen machen, und sehr unwahrscheinlich, daſs er gegen Caesar sie durchfechten werde. — Die Zeit der republi- kanischen Verschwörungen aber war noch nicht gekommen. Während also die Trümmer der geschlagenen Partei rathlos Röm. Gesch. III. 26
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PHARSALOS.
feind in den inneren Streit hineinziehen, oder endlich, die Mo-
narchie mit den Lippen bekennend, im Dunkeln gegen sie con-
spiriren. Der erste dieser Wege war wenigstens der natürliche
und insofern richtigste Ausdruck der verzweifelten Lage der über-
wundenen Parteien. Das Gebirge und vor allem das Meer waren
in jener Zeit seit Menschengedenken wie die Freistatt allen Fre-
vels, so auch die des unerträglichen Elends und des unterdrück-
ten Rechtes; Pompeianern und Republikanern lag es nahe der
Monarchie Caesars, die sie ausstieſs, in den Bergen und auf den
Meeren trotzig den Krieg zu machen und namentlich nahe die Pira-
terie in gröſserem Maſsstab, in festerer Geschlossenheit, mit be-
stimmteren Zielen wieder aufzunehmen. Selbst nach der Abbe-
rufung der aus dem Osten gekommenen Geschwader besaſsen sie
noch eine sehr ansehnliche eigene Flotte, während Caesar immer
noch so gut wie ohne Kriegsschiffe war; und ihre Verbindung mit
den Delmatern, die im eigenen Interesse gegen Caesar aufgestan-
den waren (S. 375), ihre Herrschaft über die wichtigsten Meere
und Hafenplätze, gaben für den Seekrieg, namentlich im Kleinen,
die vortheilhaftesten Aussichten. Wie einst Sullas Demokraten-
hetze geendigt hatte mit dem sertorianischen Aufstand, der an-
fangs Piraten-, dann Räuberfehde war und schlieſslich ein sehr
ernstlicher Krieg ward, so konnte, wenn in der catonischen Ari-
stokratie oder unter den Anhängern des Pompeius so viel Geist
und Feuer war wie in der marianischen Demokratie, und wenn
in ihr der rechte Seekönig sich fand, auf der noch unbezwunge-
nen See wohl ein von Caesars Monarchie unabhängiges und viel-
leicht dieser gewachsenes Gemeinwesen entstehen. — In jeder
Hinsicht weit schärfere Miſsbilligung verdiente der Gedanke einen
unabhängigen Nachbarstaat in den römischen Bürgerkrieg hin-
einzuziehen und durch ihn eine Contrerevolution herbeizuführen;
Gesetz und Sittlichkeit verurtheilen den Ueberläufer strenger als
den Räuber und leichter findet die siegreiche Räuberschaar den
Rückweg zu einem freien und geordneten Gemeinwesen, als die
vom Landesfeind zurückgeführte Emigration. Uebrigens war es
auch kaum wahrscheinlich, daſs die geschlagene Partei auf die-
sem Wege eine Restauration würde bewirken können. Der einzige
Staat, auf den sie versuchen konnte sich zu stützen, war der der
Parther; und von diesem war es wenigstens zweifelhaft, ob er ihre
Sache zu der seinigen machen, und sehr unwahrscheinlich, daſs
er gegen Caesar sie durchfechten werde. — Die Zeit der republi-
kanischen Verschwörungen aber war noch nicht gekommen.
Während also die Trümmer der geschlagenen Partei rathlos
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