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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
Haupt des Mannes auf das Schiff entgegentrug, der sein Schwie-
gersohn und lange Jahre sein Genosse in der höchsten Gewalt ge-
wesen war und den lebend in die Hände zu bekommen er wohl
gewünscht haben mochte. Die Antwort auf die Frage, wie Caesar
in diesem Falle verfahren sein würde, hat der Dolch des voreiligen
Mörders abgeschnitten; aber wenn die menschliche Theilnahme,
die in Caesars grosser Seele noch neben dem Ehrgeiz Raum fand,
ihm die Schonung des ehemaligen Freundes gebot, so forderte auch
sein Interesse denselben auf andere Art als durch den Henker zu
annulliren. Pompeius war zwanzig Jahre lang der anerkannte Ge-
bieter von Rom gewesen; eine so tief gewurzelte Herrschaft geht
nicht unter mit dem Tode des Herrn. Pompeius Tod löste die Pom-
peianer nicht auf, sondern gab ihnen statt eines bejahrten, unfähi-
gen und vernutzten Hauptes an dessen beiden Söhnen Gnaeus und
Sextus zwei Führer, welche beide jung und rührig und von denen
der zweite eine entschiedene Capacität war. Der neugegründeten
Erbmonarchie heftete sogleich parasitisch sich das erbliche Prä-
tendententhum an und es war sehr zweifelhaft, ob Caesar bei die-
sem Wechsel der Personen nicht mehr verlor als er gewann.

Indess für den Augenblick hatte Caesar in Aegypten nichts
weiter zu thun und die Römer wie die Aegyptier erwarteten, dass
er sofort wieder unter Segel gehen und sich an die Unterwer-
fung Africas und an das unermessliche Organisationswerk machen
werde, das ihm nach dem Siege bevorstand. Allein Caesar, seiner
Gewohnheit getreu, wo er einmal in dem weiten Reiche sich be-
fand, die Verhältnisse sogleich und persönlich endgültig zu regeln,
und fest überzeugt, dass weder von der römischen Besatzung noch
von dem Hofe irgend ein Widerstand zu erwarten sei, überdies in
dringender Geldverlegenheit, landete in Alexandreia mit den zwei
ihn begleitenden auf 3200 Mann zusammengeschmolzenen Le-
gionen und 800 keltischen und deutschen Reitern, nahm Quartier
in der königlichen Burg und ging daran die nöthigen Summen
beizutreiben und die aegyptische Erbfolge zu ordnen, ohne sich
stören zu lassen durch Potheinos naseweise Bemerkung, dass Cae-
sar sich lieber als um diese um seine so wichtigen eigenen An-
gelegenheiten bekümmern möge. Uebrigens verfuhr er dabei ge-
gen die Aegypter gerecht und selbst nachsichtig. Obwohl der dem
Pompeius geleistete Beistand zur Auflegung einer Kriegscontri-
bution berechtigte, ward doch das erschöpfte Land damit ver-
schont; Caesar begnügte sich statt der im J. 695 stipulirten jetzt
noch etwa zur Hälfte rückständigen Summe (S. 147) eine Rest-
zahlung von 10 Mill. Denaren (2,860000 Thlr.) zu fordern. Den

FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
Haupt des Mannes auf das Schiff entgegentrug, der sein Schwie-
gersohn und lange Jahre sein Genosse in der höchsten Gewalt ge-
wesen war und den lebend in die Hände zu bekommen er wohl
gewünscht haben mochte. Die Antwort auf die Frage, wie Caesar
in diesem Falle verfahren sein würde, hat der Dolch des voreiligen
Mörders abgeschnitten; aber wenn die menschliche Theilnahme,
die in Caesars groſser Seele noch neben dem Ehrgeiz Raum fand,
ihm die Schonung des ehemaligen Freundes gebot, so forderte auch
sein Interesse denselben auf andere Art als durch den Henker zu
annulliren. Pompeius war zwanzig Jahre lang der anerkannte Ge-
bieter von Rom gewesen; eine so tief gewurzelte Herrschaft geht
nicht unter mit dem Tode des Herrn. Pompeius Tod löste die Pom-
peianer nicht auf, sondern gab ihnen statt eines bejahrten, unfähi-
gen und vernutzten Hauptes an dessen beiden Söhnen Gnaeus und
Sextus zwei Führer, welche beide jung und rührig und von denen
der zweite eine entschiedene Capacität war. Der neugegründeten
Erbmonarchie heftete sogleich parasitisch sich das erbliche Prä-
tendententhum an und es war sehr zweifelhaft, ob Caesar bei die-
sem Wechsel der Personen nicht mehr verlor als er gewann.

Indeſs für den Augenblick hatte Caesar in Aegypten nichts
weiter zu thun und die Römer wie die Aegyptier erwarteten, daſs
er sofort wieder unter Segel gehen und sich an die Unterwer-
fung Africas und an das unermeſsliche Organisationswerk machen
werde, das ihm nach dem Siege bevorstand. Allein Caesar, seiner
Gewohnheit getreu, wo er einmal in dem weiten Reiche sich be-
fand, die Verhältnisse sogleich und persönlich endgültig zu regeln,
und fest überzeugt, daſs weder von der römischen Besatzung noch
von dem Hofe irgend ein Widerstand zu erwarten sei, überdies in
dringender Geldverlegenheit, landete in Alexandreia mit den zwei
ihn begleitenden auf 3200 Mann zusammengeschmolzenen Le-
gionen und 800 keltischen und deutschen Reitern, nahm Quartier
in der königlichen Burg und ging daran die nöthigen Summen
beizutreiben und die aegyptische Erbfolge zu ordnen, ohne sich
stören zu lassen durch Potheinos naseweise Bemerkung, daſs Cae-
sar sich lieber als um diese um seine so wichtigen eigenen An-
gelegenheiten bekümmern möge. Uebrigens verfuhr er dabei ge-
gen die Aegypter gerecht und selbst nachsichtig. Obwohl der dem
Pompeius geleistete Beistand zur Auflegung einer Kriegscontri-
bution berechtigte, ward doch das erschöpfte Land damit ver-
schont; Caesar begnügte sich statt der im J. 695 stipulirten jetzt
noch etwa zur Hälfte rückständigen Summe (S. 147) eine Rest-
zahlung von 10 Mill. Denaren (2,860000 Thlr.) zu fordern. Den

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[404/0414] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. Haupt des Mannes auf das Schiff entgegentrug, der sein Schwie- gersohn und lange Jahre sein Genosse in der höchsten Gewalt ge- wesen war und den lebend in die Hände zu bekommen er wohl gewünscht haben mochte. Die Antwort auf die Frage, wie Caesar in diesem Falle verfahren sein würde, hat der Dolch des voreiligen Mörders abgeschnitten; aber wenn die menschliche Theilnahme, die in Caesars groſser Seele noch neben dem Ehrgeiz Raum fand, ihm die Schonung des ehemaligen Freundes gebot, so forderte auch sein Interesse denselben auf andere Art als durch den Henker zu annulliren. Pompeius war zwanzig Jahre lang der anerkannte Ge- bieter von Rom gewesen; eine so tief gewurzelte Herrschaft geht nicht unter mit dem Tode des Herrn. Pompeius Tod löste die Pom- peianer nicht auf, sondern gab ihnen statt eines bejahrten, unfähi- gen und vernutzten Hauptes an dessen beiden Söhnen Gnaeus und Sextus zwei Führer, welche beide jung und rührig und von denen der zweite eine entschiedene Capacität war. Der neugegründeten Erbmonarchie heftete sogleich parasitisch sich das erbliche Prä- tendententhum an und es war sehr zweifelhaft, ob Caesar bei die- sem Wechsel der Personen nicht mehr verlor als er gewann. Indeſs für den Augenblick hatte Caesar in Aegypten nichts weiter zu thun und die Römer wie die Aegyptier erwarteten, daſs er sofort wieder unter Segel gehen und sich an die Unterwer- fung Africas und an das unermeſsliche Organisationswerk machen werde, das ihm nach dem Siege bevorstand. Allein Caesar, seiner Gewohnheit getreu, wo er einmal in dem weiten Reiche sich be- fand, die Verhältnisse sogleich und persönlich endgültig zu regeln, und fest überzeugt, daſs weder von der römischen Besatzung noch von dem Hofe irgend ein Widerstand zu erwarten sei, überdies in dringender Geldverlegenheit, landete in Alexandreia mit den zwei ihn begleitenden auf 3200 Mann zusammengeschmolzenen Le- gionen und 800 keltischen und deutschen Reitern, nahm Quartier in der königlichen Burg und ging daran die nöthigen Summen beizutreiben und die aegyptische Erbfolge zu ordnen, ohne sich stören zu lassen durch Potheinos naseweise Bemerkung, daſs Cae- sar sich lieber als um diese um seine so wichtigen eigenen An- gelegenheiten bekümmern möge. Uebrigens verfuhr er dabei ge- gen die Aegypter gerecht und selbst nachsichtig. Obwohl der dem Pompeius geleistete Beistand zur Auflegung einer Kriegscontri- bution berechtigte, ward doch das erschöpfte Land damit ver- schont; Caesar begnügte sich statt der im J. 695 stipulirten jetzt noch etwa zur Hälfte rückständigen Summe (S. 147) eine Rest- zahlung von 10 Mill. Denaren (2,860000 Thlr.) zu fordern. Den

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/414>, abgerufen am 18.12.2024.