Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. noch zu rechter Zeit die verschlagenen Schiffe anlangten (3. Jan.708). Da in Folge der von den Pompeianern getroffenen An- stalten das Heer Mangel an Getreide litt, so unternahm Caesar gleich am folgenden Tage eine grosse Expedition in das innere Land. Unweit Ruspinas ward die Colonne, drei Legionen unter Caesars eigenem Befehl, von dem unter Labienus zur Vertreibung Caesars von der Küste herbeieilenden Heerhaufen auf dem Marsche angegriffen. Da Labienus ausschliesslich Reiterei und Schützen heranführte, denen Caesar fast nichts entgegenzustellen hatte als Linieninfanterie, so sahen die Legionen rasch sich umzingelt und den Geschossen der Feinde preisgegeben, ohne sie erwiedern oder mit Erfolg angreifen zu können. Es gelang zwar durch De- ployirung der ganzen Linie die Flügel wieder frei zu machen und durch muthige Angriffe die Ehre der Waffen zu retten; allein der Rückzug war unvermeidlich und wäre Ruspina nicht so nahe ge- wesen, so hätte der maurische Wurfspeer vielleicht hier dasselbe ausgerichtet, was bei Karrhae der parthische Bogen. Caesar, den dieser Tag von der ganzen Schwierigkeit des bevorstehenden Krie- ges überzeugt hatte, wollte seine unerprobten und durch die neue Gefechtweise entmuthigten Soldaten keinem solchen Angriff wie- der aussetzen, sondern wartete das Eintreffen seiner Veteranen- legionen ab. Die Zwischenzeit wurde benutzt um die drückende Ueberlegenheit des Feindes in den Fernwaffen einigermassen aus- zugleichen. Die geeigneten Leute von der Flotte wurden als leichte Reiter oder Schützen in die Landarmee eingereiht; indess viel konnte dies nicht helfen. Etwas mehr wirkten die von Caesar veranlassten Diversionen. Es gelang die am südlichen Abhang des grossen Atlas gegen die Sahara zu schweifenden gaetulischen Hirtenstämme gegen Juba in Waffen zu bringen; denn selbst bis zu ihnen hatten die Schläge der marianisch-sullanischen Zeit sich erstreckt und ihr Groll gegen den Pompeius, der sie damals den numidischen Königen untergeordnet hatte (II, 319), machte sie dem Erben des mächtigen bei ihnen noch vom jugurthinischen Feldzug her in gutem Andenken lebenden Marius von vorn her- ein geneigt. Die mauretanischen Könige, Bogud in Tingis, Boc- chus in Jol, waren Jubas natürliche Rivalen und zum Theil längst mit Caesar im Bündniss. Endlich streifte in dem Grenzgebiet zwi- schen den Reichen des Juba und des Bocchus noch der letzte der Catilinarier, jener Publius Sittius aus Nuceria (S. 162), der achtzehn Jahre zuvor aus einem bankerotten italischen Kaufmann sich in einen mauretanischen Freischaarenführer verwandelt und seitdem in den libyschen Händeln sich einen Namen und ein Heergefolge FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. noch zu rechter Zeit die verschlagenen Schiffe anlangten (3. Jan.708). Da in Folge der von den Pompeianern getroffenen An- stalten das Heer Mangel an Getreide litt, so unternahm Caesar gleich am folgenden Tage eine groſse Expedition in das innere Land. Unweit Ruspinas ward die Colonne, drei Legionen unter Caesars eigenem Befehl, von dem unter Labienus zur Vertreibung Caesars von der Küste herbeieilenden Heerhaufen auf dem Marsche angegriffen. Da Labienus ausschlieſslich Reiterei und Schützen heranführte, denen Caesar fast nichts entgegenzustellen hatte als Linieninfanterie, so sahen die Legionen rasch sich umzingelt und den Geschossen der Feinde preisgegeben, ohne sie erwiedern oder mit Erfolg angreifen zu können. Es gelang zwar durch De- ployirung der ganzen Linie die Flügel wieder frei zu machen und durch muthige Angriffe die Ehre der Waffen zu retten; allein der Rückzug war unvermeidlich und wäre Ruspina nicht so nahe ge- wesen, so hätte der maurische Wurfspeer vielleicht hier dasselbe ausgerichtet, was bei Karrhae der parthische Bogen. Caesar, den dieser Tag von der ganzen Schwierigkeit des bevorstehenden Krie- ges überzeugt hatte, wollte seine unerprobten und durch die neue Gefechtweise entmuthigten Soldaten keinem solchen Angriff wie- der aussetzen, sondern wartete das Eintreffen seiner Veteranen- legionen ab. Die Zwischenzeit wurde benutzt um die drückende Ueberlegenheit des Feindes in den Fernwaffen einigermaſsen aus- zugleichen. Die geeigneten Leute von der Flotte wurden als leichte Reiter oder Schützen in die Landarmee eingereiht; indeſs viel konnte dies nicht helfen. Etwas mehr wirkten die von Caesar veranlaſsten Diversionen. Es gelang die am südlichen Abhang des groſsen Atlas gegen die Sahara zu schweifenden gaetulischen Hirtenstämme gegen Juba in Waffen zu bringen; denn selbst bis zu ihnen hatten die Schläge der marianisch-sullanischen Zeit sich erstreckt und ihr Groll gegen den Pompeius, der sie damals den numidischen Königen untergeordnet hatte (II, 319), machte sie dem Erben des mächtigen bei ihnen noch vom jugurthinischen Feldzug her in gutem Andenken lebenden Marius von vorn her- ein geneigt. Die mauretanischen Könige, Bogud in Tingis, Boc- chus in Jol, waren Jubas natürliche Rivalen und zum Theil längst mit Caesar im Bündniſs. Endlich streifte in dem Grenzgebiet zwi- schen den Reichen des Juba und des Bocchus noch der letzte der Catilinarier, jener Publius Sittius aus Nuceria (S. 162), der achtzehn Jahre zuvor aus einem bankerotten italischen Kaufmann sich in einen mauretanischen Freischaarenführer verwandelt und seitdem in den libyschen Händeln sich einen Namen und ein Heergefolge <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0430" n="420"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.</fw><lb/> noch zu rechter Zeit die verschlagenen Schiffe anlangten (3. Jan.<lb/> 708). Da in Folge der von den Pompeianern getroffenen An-<lb/> stalten das Heer Mangel an Getreide litt, so unternahm Caesar<lb/> gleich am folgenden Tage eine groſse Expedition in das innere<lb/> Land. Unweit Ruspinas ward die Colonne, drei Legionen unter<lb/> Caesars eigenem Befehl, von dem unter Labienus zur Vertreibung<lb/> Caesars von der Küste herbeieilenden Heerhaufen auf dem Marsche<lb/> angegriffen. 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Die Zwischenzeit wurde benutzt um die drückende<lb/> Ueberlegenheit des Feindes in den Fernwaffen einigermaſsen aus-<lb/> zugleichen. Die geeigneten Leute von der Flotte wurden als leichte<lb/> Reiter oder Schützen in die Landarmee eingereiht; indeſs viel<lb/> konnte dies nicht helfen. Etwas mehr wirkten die von Caesar<lb/> veranlaſsten Diversionen. Es gelang die am südlichen Abhang des<lb/> groſsen Atlas gegen die Sahara zu schweifenden gaetulischen<lb/> Hirtenstämme gegen Juba in Waffen zu bringen; denn selbst bis<lb/> zu ihnen hatten die Schläge der marianisch-sullanischen Zeit<lb/> sich erstreckt und ihr Groll gegen den Pompeius, der sie damals<lb/> den numidischen Königen untergeordnet hatte (II, 319), machte<lb/> sie dem Erben des mächtigen bei ihnen noch vom jugurthinischen<lb/> Feldzug her in gutem Andenken lebenden Marius von vorn her-<lb/> ein geneigt. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
noch zu rechter Zeit die verschlagenen Schiffe anlangten (3. Jan.
708). Da in Folge der von den Pompeianern getroffenen An-
stalten das Heer Mangel an Getreide litt, so unternahm Caesar
gleich am folgenden Tage eine groſse Expedition in das innere
Land. Unweit Ruspinas ward die Colonne, drei Legionen unter
Caesars eigenem Befehl, von dem unter Labienus zur Vertreibung
Caesars von der Küste herbeieilenden Heerhaufen auf dem Marsche
angegriffen. Da Labienus ausschlieſslich Reiterei und Schützen
heranführte, denen Caesar fast nichts entgegenzustellen hatte als
Linieninfanterie, so sahen die Legionen rasch sich umzingelt und
den Geschossen der Feinde preisgegeben, ohne sie erwiedern
oder mit Erfolg angreifen zu können. Es gelang zwar durch De-
ployirung der ganzen Linie die Flügel wieder frei zu machen und
durch muthige Angriffe die Ehre der Waffen zu retten; allein der
Rückzug war unvermeidlich und wäre Ruspina nicht so nahe ge-
wesen, so hätte der maurische Wurfspeer vielleicht hier dasselbe
ausgerichtet, was bei Karrhae der parthische Bogen. Caesar, den
dieser Tag von der ganzen Schwierigkeit des bevorstehenden Krie-
ges überzeugt hatte, wollte seine unerprobten und durch die neue
Gefechtweise entmuthigten Soldaten keinem solchen Angriff wie-
der aussetzen, sondern wartete das Eintreffen seiner Veteranen-
legionen ab. Die Zwischenzeit wurde benutzt um die drückende
Ueberlegenheit des Feindes in den Fernwaffen einigermaſsen aus-
zugleichen. Die geeigneten Leute von der Flotte wurden als leichte
Reiter oder Schützen in die Landarmee eingereiht; indeſs viel
konnte dies nicht helfen. Etwas mehr wirkten die von Caesar
veranlaſsten Diversionen. Es gelang die am südlichen Abhang des
groſsen Atlas gegen die Sahara zu schweifenden gaetulischen
Hirtenstämme gegen Juba in Waffen zu bringen; denn selbst bis
zu ihnen hatten die Schläge der marianisch-sullanischen Zeit
sich erstreckt und ihr Groll gegen den Pompeius, der sie damals
den numidischen Königen untergeordnet hatte (II, 319), machte
sie dem Erben des mächtigen bei ihnen noch vom jugurthinischen
Feldzug her in gutem Andenken lebenden Marius von vorn her-
ein geneigt. Die mauretanischen Könige, Bogud in Tingis, Boc-
chus in Jol, waren Jubas natürliche Rivalen und zum Theil längst
mit Caesar im Bündniſs. Endlich streifte in dem Grenzgebiet zwi-
schen den Reichen des Juba und des Bocchus noch der letzte der
Catilinarier, jener Publius Sittius aus Nuceria (S. 162), der achtzehn
Jahre zuvor aus einem bankerotten italischen Kaufmann sich in
einen mauretanischen Freischaarenführer verwandelt und seitdem
in den libyschen Händeln sich einen Namen und ein Heergefolge
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