Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.REPUBLIK UND MONARCHIE. sul gewissermassen wie dieser zu dem Prätor, indem ihre Gewaltzwar gleichartig war, aber im Collisionsfall wie der Prätor dem Consul, so der Consul dem Imperator wich; was auch äusserlich scharf bezeichnet ward durch den zwischen die beiden Herren- stühle der Consuln gestellten erhöhten kaiserlichen Sessel. Nur in- sofern war die Gewalt des Imperators qualitativ der consularisch- proconsularischen überlegen, als jene nicht nach Zeit und Raum begrenzt, sondern lebenslänglich und vererblich und auch in der Hauptstadt wirksam war, als der Imperator nicht, wohl aber der Consul durch gleich mächtige Collegen gehemmt werden konnte und als alle Restrictionen, welche im Laufe der Zeit die ursprüng- liche höchste Amtsgewalt beschränkt hatten, namentlich das Pro- vocationsrecht und die Verpflichtung die Rathschläge des Senats zu beachten, für den Imperator wegfielen. Um es mit einem Worte zu sagen: dies neue Imperatorenamt war nichts anderes als das wiederhergestellte uralte Königthum; denn es waren ja eben jene Beschränkungen in der zeitlichen und örtlichen Be- grenzung der Gewalt, in der Collegialität und der für gewisse Fälle nothwendigen Mitwirkung des Raths oder der Gemeinde, die den Consul vom König unterschieden (I, 160 fg.). Es ist kaum ein Zug in der neuen Monarchie, der nicht in der alten sich wie- derfände: die Vereinigung der höchsten militärischen, richter- lichen und administrativen Gewalt in der Hand des Fürsten; eine religiöse Vorstandschaft über das Gemeinwesen; das Recht Verordnungen mit bindender Kraft zu erlassen; die Herab- drückung des Senats zum Staatsrath; die Wiedererweckung des Patriciats und der Stadtpräfectur; die eigenthümliche Quasierb- lichkeit, indem Caesars Verfassung, ganz wie diejenige Crom- wells, dem Monarchen gestattet sich in den Formen der Adoption den Nachfolger zu ernennen. Aber schlagender noch als diese Analogien ist die innere Gleichartigkeit der Monarchie des Ser- vius Tullius und der Monarchie Caesars: wenn jene alten Könige von Rom bei all ihrer Vollgewalt doch Herren einer freien Ge- meinde und eben sie die Schutzmänner des gemeinen Mannes gegen den Adel gewesen waren, so war auch Caesar nicht gekom- men um die Freiheit aufzulösen, sondern um sie zu erfüllen, und zunächst um das unerträgliche Joch der Aristokratie zu brechen. Es darf auch nicht befremden, dass Caesar, nichts weniger als ein politischer Antiquarius, ein halbes Jahrtausend zurückgriff um perator nur in dem älteren republikanischen Sinn, wo dieser Name aller-
dings rein militärisch, aber auch reiner Titel ist. REPUBLIK UND MONARCHIE. sul gewissermassen wie dieser zu dem Prätor, indem ihre Gewaltzwar gleichartig war, aber im Collisionsfall wie der Prätor dem Consul, so der Consul dem Imperator wich; was auch äuſserlich scharf bezeichnet ward durch den zwischen die beiden Herren- stühle der Consuln gestellten erhöhten kaiserlichen Sessel. Nur in- sofern war die Gewalt des Imperators qualitativ der consularisch- proconsularischen überlegen, als jene nicht nach Zeit und Raum begrenzt, sondern lebenslänglich und vererblich und auch in der Hauptstadt wirksam war, als der Imperator nicht, wohl aber der Consul durch gleich mächtige Collegen gehemmt werden konnte und als alle Restrictionen, welche im Laufe der Zeit die ursprüng- liche höchste Amtsgewalt beschränkt hatten, namentlich das Pro- vocationsrecht und die Verpflichtung die Rathschläge des Senats zu beachten, für den Imperator wegfielen. Um es mit einem Worte zu sagen: dies neue Imperatorenamt war nichts anderes als das wiederhergestellte uralte Königthum; denn es waren ja eben jene Beschränkungen in der zeitlichen und örtlichen Be- grenzung der Gewalt, in der Collegialität und der für gewisse Fälle nothwendigen Mitwirkung des Raths oder der Gemeinde, die den Consul vom König unterschieden (I, 160 fg.). Es ist kaum ein Zug in der neuen Monarchie, der nicht in der alten sich wie- derfände: die Vereinigung der höchsten militärischen, richter- lichen und administrativen Gewalt in der Hand des Fürsten; eine religiöse Vorstandschaft über das Gemeinwesen; das Recht Verordnungen mit bindender Kraft zu erlassen; die Herab- drückung des Senats zum Staatsrath; die Wiedererweckung des Patriciats und der Stadtpräfectur; die eigenthümliche Quasierb- lichkeit, indem Caesars Verfassung, ganz wie diejenige Crom- wells, dem Monarchen gestattet sich in den Formen der Adoption den Nachfolger zu ernennen. Aber schlagender noch als diese Analogien ist die innere Gleichartigkeit der Monarchie des Ser- vius Tullius und der Monarchie Caesars: wenn jene alten Könige von Rom bei all ihrer Vollgewalt doch Herren einer freien Ge- meinde und eben sie die Schutzmänner des gemeinen Mannes gegen den Adel gewesen waren, so war auch Caesar nicht gekom- men um die Freiheit aufzulösen, sondern um sie zu erfüllen, und zunächst um das unerträgliche Joch der Aristokratie zu brechen. Es darf auch nicht befremden, daſs Caesar, nichts weniger als ein politischer Antiquarius, ein halbes Jahrtausend zurückgriff um perator nur in dem älteren republikanischen Sinn, wo dieser Name aller-
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REPUBLIK UND MONARCHIE.
sul gewissermassen wie dieser zu dem Prätor, indem ihre Gewalt
zwar gleichartig war, aber im Collisionsfall wie der Prätor dem
Consul, so der Consul dem Imperator wich; was auch äuſserlich
scharf bezeichnet ward durch den zwischen die beiden Herren-
stühle der Consuln gestellten erhöhten kaiserlichen Sessel. Nur in-
sofern war die Gewalt des Imperators qualitativ der consularisch-
proconsularischen überlegen, als jene nicht nach Zeit und Raum
begrenzt, sondern lebenslänglich und vererblich und auch in der
Hauptstadt wirksam war, als der Imperator nicht, wohl aber der
Consul durch gleich mächtige Collegen gehemmt werden konnte
und als alle Restrictionen, welche im Laufe der Zeit die ursprüng-
liche höchste Amtsgewalt beschränkt hatten, namentlich das Pro-
vocationsrecht und die Verpflichtung die Rathschläge des Senats
zu beachten, für den Imperator wegfielen. Um es mit einem
Worte zu sagen: dies neue Imperatorenamt war nichts anderes
als das wiederhergestellte uralte Königthum; denn es waren ja
eben jene Beschränkungen in der zeitlichen und örtlichen Be-
grenzung der Gewalt, in der Collegialität und der für gewisse Fälle
nothwendigen Mitwirkung des Raths oder der Gemeinde, die
den Consul vom König unterschieden (I, 160 fg.). Es ist kaum
ein Zug in der neuen Monarchie, der nicht in der alten sich wie-
derfände: die Vereinigung der höchsten militärischen, richter-
lichen und administrativen Gewalt in der Hand des Fürsten;
eine religiöse Vorstandschaft über das Gemeinwesen; das Recht
Verordnungen mit bindender Kraft zu erlassen; die Herab-
drückung des Senats zum Staatsrath; die Wiedererweckung des
Patriciats und der Stadtpräfectur; die eigenthümliche Quasierb-
lichkeit, indem Caesars Verfassung, ganz wie diejenige Crom-
wells, dem Monarchen gestattet sich in den Formen der Adoption
den Nachfolger zu ernennen. Aber schlagender noch als diese
Analogien ist die innere Gleichartigkeit der Monarchie des Ser-
vius Tullius und der Monarchie Caesars: wenn jene alten Könige
von Rom bei all ihrer Vollgewalt doch Herren einer freien Ge-
meinde und eben sie die Schutzmänner des gemeinen Mannes
gegen den Adel gewesen waren, so war auch Caesar nicht gekom-
men um die Freiheit aufzulösen, sondern um sie zu erfüllen, und
zunächst um das unerträgliche Joch der Aristokratie zu brechen.
Es darf auch nicht befremden, daſs Caesar, nichts weniger als ein
politischer Antiquarius, ein halbes Jahrtausend zurückgriff um
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* perator nur in dem älteren republikanischen Sinn, wo dieser Name aller-
dings rein militärisch, aber auch reiner Titel ist.
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